Archivale des Monats
In der Reihe „Archivale des Monats“ werden seit 2009 ausgewählte Stücke aus dem Stadtarchiv Ratzeburg vorgestellt. Eine Archivale (Plural: „Archivalien“) ist eine im Archiv aufbewahrte Unterlage. Archivalien sind Unikate (Einzelstücke), sie sind als Originale also nur einmal vorhanden.
Das Stadtarchiv Ratzeburg bewahrt neben solchen Archivalien im engeren Sinne allerdings auch andere Zeugnisse aus der Vergangenheit der Stadt auf. So befinden sich in der Archivbibliothek und im Sammlungsbestand zahlreiche interessante Stücke, die ebenfalls in dieser Reihe präsentiert werden. Ergänzt wird diese Reihe durch Beiträge geschichtsinteressierter Bürger, die eigene Bilder, Dokumente oder Erinnerungen beisteuern können.
Das Stadtarchiv Ratzeburg möchte auf diesem Wege möglichst vielen Interessierten besondere Einblicke in den Archivbestand ermöglichen und gleichzeitig, Anregungen zu eigener Beschäftigung mit der Geschichte unserer Stadt geben.
Archivale des Monats
Archivalen 2024
Archivale 01/2024 - "War hier nicht früher mal ... die Jugendherberge?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 01/2024 - "War hier nicht früher mal ... die Jugendherberge?
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Jugendherbergen sind eine Erscheinung des Industriezeitalters. Die zunehmende Urbanisierung löste bei zahlreichen Menschen der entstehenden Industriezentren eine neue Sehnsucht nach der „unberührten Natur“ aus. Eine Folge dieser Sehnsucht war die Jugendbewegung, die nach 1890 schrittweise zu einer Massenbewegung im Deutschen Reich entwickelte. Die Kernzelle der deutschen Jugendbewegung war der Wandervogel, der 1896 entstand.
Viele Lehrer wurden durch diese Bewegung geprägt, und so gehörten Wandertage und Wanderfahrten bald vielerorts zum schulischen Leben. Der Lehrer Richard Schirrmann entwickelte die Idee eines flächendeckenden Netzwerks von Schüler-Jugendherbergen. 1912 erfolgte die Eröffnung der ersten ständigen Jugendherberge der Welt in der Burg Altena mit Schirrmann als Herbergsvater. Die Entwicklung in den 1920er Jahren entfaltete eine atemberaubende Geschwindigkeit. 1932 gab es in Deutschland bereits 2.123 Jugendherbergen mit mehr als 4,5 Millionen Übernachtungen.
Als nach dem Ersten Weltkrieg in Ratzeburg die ersten Quartiere entstanden, handelte es sich eher um Notlösungen – über die Unterkunft auf dem Dachboden des Präparandeums (Barlachplatz 5) berichtet die Zeitung „Die Jugendherberge in der Nordmark“ im September 1921: „Ratzeburg. Nur für Mädchen. Lehrerseminar. Von April bis Oktober geöffnet. 12 Strohsacklager mit Wolldecken, Waschgelegenheit, keine Kochgelegenheit. Preis 1 Mk.“
Später wurden auch in der Stadtschule in der Schrangenstraße Räume als Jugendherberge genutzt. Befriedigend waren diese Provisorien nicht, sodass lange der Wunsch nach einer eigenen Jugendherberge bestand, deren Bau 1936 begonnen wurde. Die Eröffnung des Hauses, das auch von der Hitler-Jugend genutzt wurde, fand am 19. Juli 1937 statt.
Nach der Belegung der Jugendherberge als Lazarett im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude später durch die Besatzungstruppen in Anspruch genommen.
Kurz vor Ostern 1949 konnte die Jugendherberge Ratzeburg unter der Leitung Wilhelm Wendlings wieder in vollem Umfang eröffnet werden. Mit ihren 140 Betten, zu denen noch 40 weitere Schlafgelegenheiten traten, war sie im Bereich des Jugendherbergswerkes Nordmark nach Cuxhaven die zweitgrößte Jugendherberge. Für eine Übernachtung waren 30 Pfennige zu bezahlen, für die volle Tagesverpflegung wurden 1,90 DM berechnet.
Trotz aller Modernisierungen und Bemühungen, das Haus attraktiv zu halten, war die Jugendherberge gut 70 Jahre nach der Eröffnung in die Jahre gekommen. Ein aufwendiger Neubau entstand auf einem direkt am Ratzeburger See gelegenen Grundstück an der Reeperbahn. 2012 konnte die neue Jugendherberge eingeweiht werden.
Das alte Gebäude am Küchensee wurde im Mai 2013 abgerissen und machte Platz für eine neue Wohnanlage.
Archivale 02/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Alumnat?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 02/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Alumnat?
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Der Begriff „Alumnat“ ist heute nur noch Wenigen geläufig. Er geht auf den lateinischen Begriff „alumnus“ für „Schüler, Zögling“ zurück und bezeichnet eine Unterbringungsmöglichkeit für auswärtige Schüler vor allem an Gymnasien und anderen höheren Schulen. Bevor es an der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) ein solches Schülerwohnheim gab, hatten die von auswärts stammenden Gymnasiasten lediglich die Möglichkeit, sich in der Stadt ein Zimmer zu mieten, das wohl oft nur eine dürftige Dachkammer war – so beschreibt es Andreas Claudius in seinen Erinnerungen („Als Ratzeburger Domschüler“, Lauenburg / Elbe 1932). Einen täglichen Schulbesuch an der einzigen höheren Schule des Kreises ließen die damaligen Verkehrsverbindungen im ländlichen Raum nicht zu.
In der Zeit des Direktors Dr. Julius Waßner (1893-1903) wurde dann an der Lauenburgischen Gelehrtenschule das Alumnat gegründet. Die Festschrift von 1949 zum 100-jährigen Jubiläum der LG enthält einen ausführlichen Bericht von Dr. Rudolf Irmisch über die Entwicklung des Alumnats. Im Frühjahr 1895 wurde in einem Mietshaus an der Reeperbahn „ein kleines Alumnat mit 4 Zöglingen eröffnet. […] Raummangel, eine Folge zahlreicher Neuanmeldungen, führte bereits im Herbst 1896 zum Erwerb des auf der Demolierung Nr. 2 liegenden Dreßschen Hauses. Im Frühjahr und Sommer 1897 wurden an diese mit Front zur Töpferstraße stehenden Gebäude […] der Längsflügel nach der Schule hin und die Stallungen errichtet und das alte Wohnhaus so umgebaut, daß man nun für 18 Alumnen Platz hatte“.
1928 wurde durch Umbauten die Kapazität des Hauses so erweitert, dass künftig 30-32 Schüler Aufnahme finden konnten. 1943 wurde das Alumnat, bis dahin im Besitz eines Trägervereins, an den Kreis Herzogtum Lauenburg übergeben.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Alumnat als Lazarett genutzt. Nach dessen Auflösung im Herbst 1945 wurde auf Verlangen der britischen Militärregierung eine Hautklinik eingerichtet, die bis Juni 1948 bestand. Erst danach konnte das Schülerheim seinen Betrieb wieder aufnehmen. 40 Gymnasiasten konnten nun hier wohnen. Bis 1949 hatten 522 Schüler hier Aufnahme gefunden.
Wie das Leben im Alumnat in der 1960er ablief, hat Heinz Hoffmann in der Lauenburgischen Heimat“ anschaulich beschrieben („Eine Jugend in den 60er Jahren. Aus meiner Alumnatszeit in Ratzeburg“, in: Lauenburgische Heimat, Heft 191, 2012).
1970 endete die Geschichte des Alumnats. Der letzte Leiter der Einrichtung, der damalige Studienrat Rolf Lange, schrieb im Jahresbericht der LG den letzten Bericht über das Haus: „Entscheidend für den Beschluß des Vorstandes des Alumnatsvereins […], das Haus zu schließen, war die Verkürzung der Ausbildungszeit der Referendare und Vikare. Das Kultusministerium und das Landeskirchenamt sahen sich nicht mehr in der Lage, Assistenten zur Ausbildung an die Internate Schleswig-Holsteins abzustellen.“
Nach der Auflösung des Alumnats wurde das Gebäude für Verwaltungszwecke und als Familienbildungsstätte genutzt. Der Abriss erfolgte 1992. Das heute an dieser Stelle stehende Gebäude wurde 1999 errichtet.
Archivale 03/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Säuglings- und Kinderheim des DRK?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 03/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Säuglings- und Kinderheim des DRK?"
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Relativ wenige Informationen finden sich im Stadtarchiv Ratzeburg über das Säuglings- und Kinderheim am Rensemoor, das vom DRK-Kreisverband betreut wurde. Der 1964 erschienenen Veröffentlichung „Barbier und Medikus. 750 Jahre Medizinalwesen im Herzogtum Lauenburg“ von Wolfgang Brandenburger und Nis R. Nissen ist zu entnehmen, dass die Einrichtung über 65 Betten verfügte. Etwas ausführlicher ist die Darstellung in der Festschrift „75 Jahre DRK-Kreisverband Herzogtum Lauenburg“ (2001).
Das Haus 'Am Rensemoor' (Nr. 3) war 1912 von Dr. Otto Bötticher gebaut worden. Die Familie Bötticher lebte dort bis April 1941. Seit 1934 war dort ein Landschulheim untergebracht. 1941 wurde das „Haus Rensemoor“ an die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) Kiel verkauft, die es bis Kriegsende als Kinderheim nutzte. Danach ging das Haus in den Besitz des Landes Schleswig-Holstein über. Am 14. Februar 1946 wurde es mit 60 Flüchtlingskindern belegt.
Das DRK richtete am 1. April 1947 ein Säuglings- und Kinderheim darin ein, das bis Januar 1975 bestand: „Der Neubeginn nach dem Kriege ermöglichte auch die Übernahme des vorher von der NSV geleiteten Kinderheimes in Ratzeburg. Der DRK-Kreisverband übernahm die Leitung dieses Kinderheims, und Helferinnen der Bereitschaft Ratzeburg sorgten für einen nahtlosen Übergang in der Führung des Heimes. Bei der Übernahme durch das DRK gab es nur noch ganz wenige Pflegekräfte, die in der Lage waren, das Heim weiterzuführen. Auch der Bestand an Haushaltsgeräten, Textilien und Wäsche war erheblich reduziert worden. Aufgrund der in den Kriegsjahren entwickelten Fähigkeiten zu improvisieren, sorgten die Helferinnen der Bereitschaft Ratzeburg dafür, dass das Heim den Kindern erhalten blieb. 25 Jahre lang – bis Januar 1975 – haben dann Schwester Else und Schwester Inge von der Schwesternschaft Ostpreußen zusammen mit Frau Malz und dem Pflege- und Hauspersonal das Heim geleitet und bewirtschaftet. Aufgrund der immer geringer werdenden Belegung musste das Heim dann im Januar 1975 geschlossen werden. Seitdem ist hier die Kreisgeschäftsstelle untergebracht.“ (Festschrift DRK-Kreisverband, 2001, S. 37)
Einige der Bilder wurden von Roswitha Sauer zur Verfügung gestellt, die von 1959 bis 1963 als Kinderpflegerin im Säuglings- und Kinderheim des DRK gearbeitet hat.
Archivale 04/2024 - "War hier nicht früher mal ... ein Erholungsheim?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 04/2024 - "War hier nicht früher mal ... ein Erholungsheim?"
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Kaum jemand wird sich noch an das Erholungsheim Walkmühle erinnern, und die Geschichte der Walkmühle dürfte nur noch wenigen ortsgeschichtlich Interessierten bewusst sein. Ein Blick in die Akten des Stadtarchivs gibt Aufschluss. In einer Akte des Stadtarchivs (“Verkauf der auf dem Dermin belegenen Betriebs- (Walk-) Mühle“, Nr. 4384) befindet sich ein Erbpachtvertrag zwischen dem Magistrat und dem Färbermeister Friedrich Gottlieb Brunnenberg, der beabsichtigte, am Ufer der Küchensees eine Mühle anzulegen. Der Vertrag ist auf den 19. Juni 1851 datiert, der Bau ist dann im selben Jahr begonnen worden. 1856 wurde die Mühle an den Zimmergesellen Friedrich Vorbeck verkauft. 1868 wurde die Mühle an den Walkmüller Holst verpachtet. Leider geht aus dem Quellen nicht hervor, wie lange die Walkmühle als solche in Betrieb war.
Am 24. Januar 1925 erwarb die Allgemeine Ortskrankenkasse Lübeck die Walkmühle am Waldesruher Weg, um auf dem Grundstück ein „Erholungsheim für blutarme und schwächliche weibliche Kassenmitglieder“ einzurichten (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 5611) Hierzu sollten auch ein Spielplatz und ein Sonnenbad geschaffen werden. Das „Genesungsheim“ Walkmühle wurde später (vermutlich 1938) von der Landesversicherungsanstalt übernommen, die das Grundstück dann 1959 an Nikolaus Barlach verkaufte.
Vor einigen Jahren konnte das Stadtarchiv eine Serie von Postkarten aus der Zeit erwerben, in der die Walkmühle von der AOK Lübeck betrieben wurde. Darunter befinden sich auch einige sehr schöne Innenaufnahmen. Die Aufnahmen stammen von dem Fotografen Otto Willers, der 1909 nach Ratzeburg kam und 1927 nach Lübeck ging. Die Kartenserie ist daher vermutlich in der Anfangszeit des Erholungsheims hergestellt worden. So konnten die Patientinnen liebe Grüße an ihre Familien daheim senden und einen Eindruck vermitteln, wie gut ihnen der Aufenthalt am Küchensee bekam.
Archivale 05/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Finanzamt?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 05/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Finanzamt?"
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Die meisten Menschen in unserem Land haben direkt oder indirekt mit dem Finanzamt zu tun, aber wohl die wenigsten wissen, dass es eine einheitliche Finanzverwaltung erst seit gut hundert Jahren gibt. Das Bundesfinanzministerium bezeichnet die Finanz- und Steuerreform von 1919/20 auf seiner Internetseite als „das bedeutendste Ereignis der deutschen Finanzgeschichte des 20. Jahrhunderts“.
Oft sind einschneidende Krisen Ursache für grundlegende Veränderungen. In diesem Fall erzwang die immense Verschuldung des Deutschen Reiches bedingt durch den Ersten Weltkrieg und die Kriegsfolgelasten den völligen Umbau der Finanzverfassung und des Steuersystems. Benannt wurde diese Reform nach dem damaligen Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, einem Zentrumspolitiker, der 1921 von rechtsgerichteten Terroristen ermordet wurde.
Bis dahin war die Verwaltung der direkten Steuern Sache der einzelnen Staaten des Deutschen Reiches und völlig uneinheitlich geregelt gewesen. In Norddeutschland gab es keine einheitlichen Steuerbehörden oder nur Ansätze dazu. Mit der Erzberger’schen Finanzreform von 1919/1920 wurde nach dem Ersten Weltkrieg eine einheitliche Finanzverwaltung aufgebaut – mit Finanzämtern auf der Ebene der Landkreise.
In Ratzeburg ergab sich daraus die Notwendigkeit, Räumlichkeiten für die neue Behörde zu finden. Da nach dem Ersten Weltkrieg die Ratzeburger Garnison erheblich verkleinert wurde, bot sich dafür das ehemalige Lazarett der Garnison an, das sich in der Herrenstraße (Nr. 14) befand. Hier wurde 1920 das Finanzamt eingerichtet, das in den nächsten Jahren durch An- und Umbauten wesentlich vergrößert wurde. Schon anderthalb Jahrzehnte waren die räumlichen Kapazitäten in der Herrenstraße erschöpft. Ein Neubau des Finanzamts am heutigen Standort (Bahnhofsallee 20) auf dem St. Georgsberg entstand kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Der frühere Bürgermeister und Bürgervorsteher Saalfeld schreibt dazu:
„Im Spätherbst 1937 wurde auch der Bau eines Finanzamtes begonnen. Die Finanzverwaltung war in dem ehemaligen Garnisonslazarett in der Herrenstraße untergebracht. Im Laufe der Zeit wurden den Finanzämtern immer wieder neue Aufgaben übertragen. Damit in Verbindung stand eine starke Vermehrung des Personalbestandes, so daß die vorhandenen Räume nicht mehr ausreichten und für Teile der Verwaltung in anderen Gebäuden, so z. B. in dem früheren Präparandeum, Büros eingerichtet werden mußten. Im Interesse einer zweckmäßigen Unterbringung aller Abteilungen entschloß sich die Finanzverwaltung zum Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes auf einem vom Kreis erworbenen Grundstück am Fuchswald in St. Georgsberg. Am 25. August 1938 wurde in einem würdigen Festakt das Richtfest des vom Architekten Basedow in Ratzeburg entworfenen Baues gefeiert, und am 1. September 1939 erfolgte unter manchen Schwierigkeiten infolge der eingetretenen Mobilmachung der Umzug in das neue stattliche Verwaltungsgebäude.“ (In: Ratzeburg – 900 Jahre 1062-1962, hrsg. von Kurt Langenheim und Wilhelm Prillwitz, Ratzeburg 1962, S. 188.
Archivale 06/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Heimatmuseum?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 06/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Heimatmuseum?"
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Am südlichen Ende der Schrangenstraße lag früher ein großes Kasernengebäude, das im Zuge des Wiederaufbaus Ratzeburgs am Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. 1829 wurde diese Artilleriekaserne, die auch als "Dänische Kaserne" bezeichnet wurde, umgebaut, um künftig als Schule und als Wohnung für die Lehrer und den zweiten Geistlichen der Petri-Kirche zu dienen.
Als 1926 das Lehrerseminar aufgelöst wurde und die Stadtschule in das Seminargebäude übersiedelte, konnten die Räume in der "Dänischen Kaserne" für andere Zwecke genutzt werden. Anfang 1928 war in der "Lauenburgischen Heimat" zu lesen, dass die Stadtverwaltung und die städtischen Kollegien in Ratzeburg fünf große Räume der alten Bürgerschule in der Schrangenstraße zur Einrichtung eines Museums zur Verfügung gestellt hatten. Das "Lauenburgische Heimatmuseum" war eine Gründung des Lauenburgischen Landes-Kommunalverbandes.
Die Einrichtung des Museums ist vor allem mit dem Engagement Hans Ferdinand Gerhards (1868 – 1930) verbunden, der eigentlich Journalist und Schriftsteller war, sich aber nach dem Ersten Weltkrieg für den Kreis Herzogtum Lauenburg dem Aufbau der Volkshochschulen, dem Bibliothekswesen und dem Archiv des Kreises widmete. Als Redakteur der Zeitschrift „Lauenburgische Heimat“ veröffentlichte er zahlreiche Beiträge zur lauenburgischen Geschichte.
In der Zeitschrift berichtete er regelmäßig über den Fortgang der Einrichtung des "Lauenburgischen Heimat-Museums". H. F. Gerhards Ziel war „ein wirklich zeitgemäßes, nach modernen museumstechnischen und volkspädagogischen Grundsätzen eingerichtetes Heimat-Museum“.
Die Chronik der Stadt, die 1929 in zweiter Auflage erschien, hob hervor, dass es „von der Opferwilligkeit unserer Bevölkerung […] abhängen [wird], ob unser Kreis hier einmal ein ebenso bedeutendes Heimatmuseum besitzen wird wie andere Kreise unserer Provinz, denen von allen Seiten Gaben in reicher Fülle zufließen.“
Hans Ferdinand Gerhard konnte sich im Frühjahr 1929 jedenfalls über erfreuliche Fortschritte freuen: „Die Inneneinrichtung unseres Heimatmuseums ist in den letzten Monaten um einen tüchtigen Schritt vorwärtsgekommen. Zwei große Räume sind vollständig eingerichtet, die drei übrigen werden in einigen Wochen fertig werden […]“
Im Juli 1929 brachte die „Lauenburgischen Heimat“ dann einen Bericht über die Eröffnung des Lauenburgischen Heimatmuseums. Zunächst einmal konnten fünf Räume für die Besucher geöffnet werden: „Das Verwaltungszimmer, in dem die Kartothek, die Photographien, die Münzen untergebracht sind, die topographische und die vorgeschichtliche Abteilung; der Raum für die Darstellung der Lauenburgischen Geschichte und die Abteilungen für bürgerliche und bäuerliche Kultur.“
Die Freude über den "verheißungsvollen Anfang" verband sich mit dem Wunsch, auch Geologie, Flora und Fauna darstellen zu können. „Wirtschaft, Verkehr, Verwaltung der Gegenwart werden noch lange auf ihre Darstellung warten müssen“. Wichtig war Gerhard auch hier der pädagogische Nutzen. Das Museum sollte dazu beitragen, „die Liebe zu unserer wundervollen Lauenburgischen Heimat immer tiefer in die Herzen unserer Jugend zu pflanzen!“
H. F: Gerhards Tod am 14. September 1930 unterbrach die erfolgreich begonnene Arbeit. 1958 zog die Sammlung zunächst in das Nordgebäude des Herrenhaus-Ensembles am Domhof um. 1973 wurde dann das heutige Kreismuseum zusammen mit dem A. Paul Weber-Museum in Gegenwart von Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann seiner Bestimmung übergeben. Das ehemalige Kasernengebäude in der Schrangenstraße wurde im Rahmen der Stadtsanierung abgerissen.
Archivale 07/2024 - "War hier nicht früher mal ... die Stadtkaserne?"
Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben. Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig.
Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung.
Archivale 07/2024 - "War hier nicht früher mal ... die Stadtkaserne?"
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Ratzeburg kann auf eine lange Geschichte als Garnison zurückblicken. Die Anfänge der Stadt gehen schließlich auf eine Burg zurück, und im späten 17. Jahrhundert ist die Stadt mit großem Aufwand zu einer Festung ausgebaut worden. So haben die Burgbesatzungen und die Festungstruppen fast beständig zum Leben der Stadt dazugehört. Im Bewusstsein geblieben ist dabei vor allem die Zeit des Lauenburgischen Jägerbataillons Nr. 9, das 1866 aufgestellt wurde. Bis zur vorübergehenden Verlegung des Bataillons nach Hagenau im Elsass (1876-1882) waren die Jäger in Ratzeburg noch in Bürgerquartieren untergebracht. Daneben wurde die ehemalige dänische Kaserne in der Schrangenstraße genutzt, wo u. a. die Büchsenmacherei, das Offiziers-Kasino und die Dienstwohnung des Kommandeurs eingerichtet wurden. Erst bei der Rückkehr im Jahr 1882 waren die Kasernen auf der Insel fertiggestellt.
In Ratzeburg war der größte Teil des Bataillons in der Stadtkaserne an der Herrenstraße untergebracht. Die Stadt hatte „das ehemalige Gouvernementsgebäude und spätere Landratsamt erworben und zum Offizierskasino bezw. Zu Bataillonsbureauräumen ausbauen und dahinter nach dem Ratzenschwanz [Schulstraße] zu einer Kaserne errichten lassen; auch das Nebenhaus wurde dazu hergegeben“. (Chronik der Stadt Ratzeburg, 1929, S. 83)
Die 4. Kompanie des Bataillons mit 102 Mann war auf dem Domhof in der „Domkaserne“, dem späteren „Haus Mecklenburg“ untergebracht. 1909 wurde das Nebenhaus der Stadtkaserne abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der 1910 bezogen werden konnte, sodass die Domkaserne nicht mehr benötigt wurde. Das Offizierskasino wurde als Jugendstilbau an der Seestraße errichtet (Seestraße 12, später Polizeigebäude).
Mit dem Bau der Kasernen an der Mechower Straße wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg begonnen, nachdem das Bataillon eine Radfahrer- und eine Maschinengewehrkompanie erhalten hatte. Die Stadtkaserne wurde aber auch in den 1920er Jahren weiter vom Militär genutzt. Die Stadt veräußerte die Gebäude 1925 an den Militärfiskus.
Im Sommer 1977 begannen die Abbrucharbeiten an den ehemaligen Kasernenbauten. Am 5. Oktober 1977 wurde der Grundstein für den Neubau der Kreisverwaltung gelegt. Die Einweihung konnte dann im Oktober 1980 gefeiert werden.
Archivalen 2023
Archivale 01/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Haus Mecklenburg
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Haus Mecklenburg
Zu den besonders geschichtsträchtigen Gebäuden auf der Stadtinsel gehört das Haus Domhof 41. Das zweigeschossige Fachwerktraufenhaus geht auf das ausgehende 17. Jahrhundert zurück und wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf die heutige Größe erweitert. Am Eingang des Domhofs gelegen, wird an der Geschichte des Hauses die enge Verflechtung Mecklenburgs und Lauenburgs deutlich. Der Domhof gehörte vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Groß-Hamburg-Gesetz (1937) zu Mecklenburg. Das Haus diente bis 1816 als „Official-Haus“ mecklenburg-strelitzschen Regierungsbeamten als Wohnsitz. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es Mannschaftgebäude des Lauenburgischen Jäger-Bataillons Nr. 9, weshalb viele Ratzeburger bis heute von der „Domkaserne“ sprechen.
Mitte der 1970er wurde in der Stadt heftig über den Abriss des Gebäudes diskutiert, lag es doch auf der Trasse der damals geplanten nördlichen Umgehung des Stadtkerns. Lange Zeit war das Haus ungenutzt und bot einen wenig ansehnlichen Eindruck. Die Künstlerin Ilse Harms-Lipski setzte sich für den Erhalt des baufällig gewordenen Hauses ein „und entwarf, gemeinsam mit einem von ihr geleiteten Malkurs der Volkshochschule Ratzeburg, 48 großformatige Fensterbilder, die dem verfallenden Gebäude auf der Domhalbinsel wieder Glanz verliehen.
Das 1981 unter Denkmalschutz gestellte städtische Gebäude wurde durch die Mecklenburgische Vermögensverwaltung erworben und als Kulturzentrum der Stiftung Mecklenburg eingerichtet. Offiziell eröffnet wurde das „Haus Mecklenburg“ 1986. Es beherbergte eine Sammlung zu „kulturellen Werten“ aus Mecklenburg und eine mecklenburgische Bibliothek von über 6.000 Bänden. Exponate aus dem Sammlungsbestand waren in einer Dauerausstellung zu sehen. Vorträge, Seminare und Filmvorführungen widmeten sich schwerpunktmäßig der mecklenburgischen Kultur und Geschichte, den deutsch-deutschen Beziehungen und der Entwicklung der DDR.
Nach der Grenzöffnung änderte die 1973 gegründete Stiftung Mecklenburg ihre Satzung und wählte sich als Hauptaufgabe den Brückenschlag zwischen den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Nachdem die Arbeit der Stiftung aus personellen und finanziellen Gründen nach der Jahrtausendwende weitgehend zum Erliegen gekommen war, wurde 2007 die Verlegung des Stiftungssitzes nach Schwerin beschlossen. Der Umzug war 2011 abgeschlossen, das Gebäude stand leer. 2015 verkaufte das Land Mecklenburg-Vorpommern das Haus, das im Herbst 2016 als private Galerie wieder eröffnet wurde.
Archivale 02/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Winter in Ratzeburg
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Winter in Ratzeburg
Wie eine Legende aus ferner Zeit erscheinen uns bisweilen die Geschichten und Erinnerungen an schneereiche Winter, in denen „nichts mehr ging“, weil ein Zuviel an weißer Pracht die Straßen unpassierbar machte.
Aus dem März 1970 stammt die Aufnahme mit dem VW-Käfer neben einer Schneeverwehung bei Gudow. Ein später Wintereinbruch hatte weite Teile Norddeutschlands in ein Schneechaos gestürzt. Im östlichen Schleswig-Holstein waren rund 20 Ortschaften für Stunden von der Außenwelt abgeschnitten. Im Kreis Herzogtum Lauenburg war vor allem Gülzow betroffen. Meterhohe Schneewehen hatten auch Teile der Bundesstraße 207 unpassierbar gemacht.
Im fotografischen Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt findet sich eine ganze Reihe winterlicher Impressionen, die uns die Freuden wie auch die Mühen winterlicher Tage nachempfinden lassen.
Vor allem im schneereichen Winter 1978/79 sind zahlreiche Fotos von Hans-Jürgen Wohlfahrt in den „Lübecker Nachrichten“ erschienen. Darunter sind stimmungsvolle Fotografien wie der Blick auf die schmiedeeisernen Grabkreuze auf dem Friedhof am Steindamm (LN 28. Februar 1979), aber auch Aufnahmen winterlicher Aktivitäten.
Während in Ratzeburg „Auf dem Tischlerland“ mühevoll mit dem Schneeschieber geräumt wurde (LN 22. Februar 1979) testete man in Panten eine aus Finnland importierte „Schneeschleuder“, eine Kombination aus Schneefräse und Schleuder, die 4.000 m³ Schnee pro Stunde aus dem Weg räumen konnte (LN 21. Januar 1979).
Die Eisläufer zog es in Scharen auf die zugefrorenen Wasserflächen, wie hier auf dem Ruschensee (LN 9. Februar 1979).
Wie kreativ man mit dem Schnee umgehen konnte, zeigt abschließend die eindrucksvolle Figurengruppe, die von Schülerinnen und Schülern der Lauenburgischen Gelehrtenschule an der Schule gestalten wurde.
Archivale 03/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Kunst am Bau vor 50 Jahren - Die „Welle“
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Kunst am Bau vor 50 Jahren - Die „Welle“ von Hans-Werner Könecke am „Aqua Siwa“ (1973)
An die Entstehung des Ratzeburger Schwimmbads „Aqua Siwa“ haben wir im vergangenen Jahr bereits erinnert, als sich das Richtfest zum 50. Mal jährte (Archivale 06/2022). Am 19. Oktober 1973 wurde das neue Bad, das von den Planern und Architekten Rudolf und Ingeborg Geier für 5,2 Mio. DM errichtet worden war, nach rund 14-monatiger Bauzeit der Öffentlichkeit übergeben. Wie für viele andere öffentliche Bauvorhaben wurde auch für die neue Schwimmhalle „Kunst am Bau“ in Auftrag gegeben.
Für das Mineralwasser-Hallenbad schuf Hans-Werner Könecke eine flache, abstrakt gehaltene Skulptur, die den Titel „Die Welle“ erhielt. Der 1940 in Frankfurt/Oder geborene Künstler kam in seiner Jugend in Mölln zur Bildhauerei. Er erhielt Malunterricht bei Max Ahrens und absolvierte eine Lehre als Modelltischler. Viele seiner Arbeiten widmen sich in Holz oder Bronze der Darstellung von Menschen und Tieren. Über 200 Arbeiten umfasst sein Werk, für das er 2002 mit dem Kulturpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg ausgezeichnet wurde. U. a. in Hamburg, Norderstedt, Eckernförde und Mölln (vor dem Stadthaus) sind Arbeiten Köneckes zu finden (www.sh-kunst.de).
In Ratzeburg können Spaziergänger vor dem Städtischen Kindergarten seinen Fischotter (1980) entdecken.
Hans-Jürgen Wohlfahrt hat den Entstehungsprozess des Kunstwerks am Aqua Siwa fotografisch begleitet. In dem begleitenden Text heißt es:
„Blickfang für die Besucher des neuen Hallenbades am Küchensee wird die jüngste Arbeit von Hans-Werner Könecke sein: Eine chromglänzende Welle, mit der es dem vielseitigen Bildhauer gelungen ist, das Fließen einer Welle einzufangen. Eine kleine Gruppe Ratzeburger mit Bürgermeister Dr. Peter Schmidt war in einer Bergedorfer Gießerei Zeuge bei der äußerst komplizierten und interessanten ‚Geburt‘ der Plastik. Wohl an das oft sehr kabbelige Wasser des Küchensees denkend taufte man das Schwimmhallen-Kunstwerk spontan ‚Kabbelwelle‘.“
Nicht selten wird „Kunst am Bau“ wenig beachtet, gerät in Vergessenheit oder verschwindet bei Abriss- oder Renovierungsarbeiten ganz. Auch die „Welle“ war lange Zeit aus dem Blickfeld geraten, ehe die Skulptur 2013 wiederentdeckt und mit Unterstützung des Ratzeburger Rotary Clubs im Kurpark gegenüber vom „Seegarten“ wieder aufgestellt wurde.
Archivale 04/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Wahlkampf
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Wahlkampf
Wahlplakate gehören nicht unbedingt zu den aufregendsten Motiven für einen Fotografen. In der Regel nehmen wir die Gesichter der Kandidaten und die Slogans der Parteien allenfalls beiläufig wahr. Wenn aber Hans-Jürgen Wohlfahrt seine Kamera auf die Plakate richtet, hat er meist ein kurioses Detail entdeckt oder einen zufälligen Passanten eingefangen, sodass wir das Gefühl haben, es werde hier eine kleine Geschichte aus dem Alltag erzählt.
Die Radfahrerin vor dem Plakat von Uwe Ronneburger (FDP-Landesvorsitzender von 1970-1983) oder der ältere Herr mit den Einkaufstaschen neben dem Plakat von Klaus Matthiesen (1975 und 1979 Spitzenkandidat des SPD in Schleswig-Holstein), verleihen den Bildern ihren besonderen Reiz.
Die Werbung für den Weizenkorn, die unter dem Wahlplakat für Gerhard Stoltenberg zur Landtagswahl am 29. April 1979 zu erkennen ist („Kernig, kornig, klar“), könnte auch als ironischer Kommentar verstanden werden, und der Plakatkleber auf der Leiter wirkt auf dem Foto zusätzlich als dynamisches Element.
Die Bundestagswahl am 19. November 1972 brachte mit 91,1% die bislang höchste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl. Die Auseinandersetzung zwischen den Spitzenkandidaten Willy Brandt (SPD) und Rainer Barzel (CDU) hat dazu sicher beigetragen. Die örtliche CDU spannte damals über den Lüneburger Damm ein Banner mit der selbstbewussten Behauptung „Ratzeburg wählt CDU“. Die SPD ließ das nicht unwidersprochen und kommentierte das Statement mit einem eigenen Banner.
„Schweinerei im Wahlkampf!“ hat Hans-Jürgen Wohlfahrt selbst die Aufnahme untertitelt, die vor der Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 in Hollenbek entstand. Das Schwein scheint sich nicht zwischen den Kontrahenten Franz-Josef Strauss und Helmut Schmidt entscheiden zu können. „Ein weiterer (letzter?) Fall für die Schiedsstelle für einen fairen Wahlkampf?“ – Diese Frage musste letztlich offen bleiben.
Archivale 05/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Richtfest für den Seniorenwohnsitz Ratzeburg
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Vor 50 Jahren – Richtfest für den Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR)
Der Bau des Seniorenwohnsitzes war das größte Bauvorhaben in der jüngeren Stadtgeschichte Ratzeburgs. Im November 1971 begannen die Arbeiten an dem Projekt, das eine Investitionssumme von 75 Millionen DM umfasste. Die Grundsteinlegung erfolgte am 29. November 1971. Am 26. Oktober 1973 konnte Richtfest gefeiert werden. Schon im Mai 1974 zogen die ersten Bewohner ein. Werbeaktionen in der Presse und im Fernsehen hatten ein großes Interesse zur Folge. Im Juni war fast die Hälfte der 505 Appartements bereits vergeben. Der volle Betrieb der Anlage konnte im Herbst 1974 aufgenommen werden. Hans-Jürgen Wohlfahrt begleitete das Großprojekts mit der Kamera und berichtete für die „Lübecker Nachrichten“ über die Entwicklung von den ersten Bauarbeiten bis zum Bezug der Wohnungen.
Ein Artikel über den ersten Rundgang über den Bauplatz erschien in der LN-Ausgabe vom 15. Februar 1973. Ein erheblicher Teil der Arbeiten wurde durch das polnische Bauunternehmen Budimex ausgeführt, das seinen Sitz in Warschau hatte und mit 20.000 Fachkräften Hoch- und Tiefbauaufträge im Ausland übernahm. Rund 200 Betonarbeiter, Zimmerleute, Eisenbieger, Elektriker und Installateure, die überwiegend aus der Umgebung von Krakau stammten, waren beim Bau des SWR beschäftigt. Sie waren in vier Wohnbaracken untergebracht.
Zum Richtfest am 26. Oktober 1973 konnte der Initiator des Projektes, Theo Urbach, weit über 300 Gäste begrüßen (LN vom 28. Oktober 1973). Bürgermeister Dr. Peter Schmidt hob in seiner Ansprache die Bedeutung des Vorhabens für die Stärkung der Wirtschaftskraft Ratzeburg hervor. Den Richtspruch unter der sechs Meter hohen Richtkrone hielt Zimmerpolier Günther Claussen aus Norderstedt.
Am 13. Juni 1974 wurden in einem Zeitungsbericht die ersten Bewohner vorgestellt.
Archivale 06/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Einweihung des A. Paul-Weber-Hauses
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Die Einweihung des A. Paul-Weber-Hauses 1973
Das Kreismuseum und das A. Paul-Weber-Museum auf dem Domhof feiern in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Der Fotograf Hans-Jürgen Wohlfahrt hat den Künstler A. Paul Weber mit seiner Kamera immer wieder begleitet und auch die umfangreichen Bauarbeiten bis zur Einweihung des Weber-Museums im Bild festgehalten.
Das Haus, das aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt und im späten 18: Jahrhundert seine klassizistische Fassade erhalten hat, galt vor der Sanierung nicht allen als erhaltenswert. In der Diskussion im Kreistag um den Ankauf des in Ratzeburg als „Nonnig’sches Haus“ bekannten Gebäudes war sogar von einer „Klamotte“ die Rede. 1971 erwarb der Kreis Herzogtum Lauenburg das Gebäude mit dem großen, zum Domsee hin abfallenden Garten.
Die Einrichtung eines Museums zu Lebzeiten des Künstlers war zweifellos eine besondere Auszeichnung, die durch den prominenten Besuch zur Einweihung zusätzliches Gewicht und ein breites Echo erhielt.
Im Rahmen eines dreitägigen Besuchs in Schleswig-Holstein nahm auch Bundespräsident Gustav Heinemann an der Einweihung der neuen Museen des Kreises teil. Heinemann würdigte, wie es in einem Bericht der „Lübecker Nachrichten“ vom 2. Oktober 1973 hieß, „den von ihm verehrten Graphiker A. Paul Weber als einen scharfsinnigen Zeitkritiker von hohem Rang. Er schätzte viele seiner Werke, ohne ein bestimmtes Werk zu bevorzugen und nannte das Lebenswerk A. Paul Webers in der Vielzahl ungewöhnlich gleichwertig. ‚Ich freue mich, daß er hier die verdiente Möglichkeit hat, seine Werke zu zeigen.‘“
Neben dem Bundespräsidenten waren auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg, weitere Minister des Landes und prominente Vertreter des öffentlichen Lebens angereist. Eingebunden war der Festakt in die Feier des zentralen Erntedankfestes der Landesregierung, sodass viele Tausend Menschen in Ratzeburg bei strahlendem Sonnenschein an diesem Tag auf den Beinen waren. Heute sind in den 23 Räumen des Museums rund 300 Exponate des umfangreichen und vielfältigen Schaffens A. Paul Webers zu sehen.
Archivale 07/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Werke von Karlheinz Goedtke
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Werke von Karlheinz Goedtke in Ratzeburg
Karlheinz Goedtkes (1915-1995) künstlerisches Schaffen hat die Kulturlandschaft Schleswig-Holsteins nach dem Zweiten Weltkrieg mit geprägt. Kaum ein größerer Ort, an dem der aufmerksame Betrachter nicht eine Bronzeplastik des Künstlers im öffentlichen Raum finden kann. Das Werkverzeichnis weist weit über hundert große Bronzeplastiken in Schleswig-Holstein aus. Gerade im Lauenburgischen, wo Karlheinz Goedtke nach 1945 ein neues Zuhause fand, entdecken wir vielerorts seine Figuren, die einfach an den jeweiligen Ort zu passen scheinen.
Treffend beschreibt es ein Museumsführer: „Goedtkes Figuren erfüllen diese Orte, weil sie ihr Thema so einleuchtend gestalten, die Barriere des Unverständlichen vermeiden, sich durch leichte Aktion den Menschen zuwenden und damit auch den flüchtigen Betrachter ansprechen.“
Auch in Ratzeburg ist Goedtke präsent. Die Bronzebüsten Bismarcks und Heinrichs des Löwen im Alten Kreishaus am Markt vermitteln anschaulich die besondere Geschichte dieses Ortes, das Lesepult im Dom mit den Symbolen der vier Evangelisten fügt sich in die Harmonie des Raumes ein und sein „Taschenmann“ vor dem ehemaligen Gebäude der Kreissparkasse am Markt oder das Pferd unter den Linden lassen sich aus dem Bild unserer Stadt gar nicht mehr wegdenken.
Karlheinz Goedtke stammte aus Kattowitz (Oberschlesien), wuchs in Breslau auf, studierte an der Werkkunstschule Stettin und kam nach Kriegsende in den Kreis Herzogtum Lauenburg, wo er zunächst in Farchau und Mölln lebte. Die meiste Zeit seines künstlerischen Lebens hat er in seinem Atelier in Alt-Mölln gearbeitet.
Goedtke hat immer wieder die menschliche Figur gestaltet, daneben aber auch Tierfiguren geschaffen, sei es einzeln oder in Gruppen. Sein bevorzugtes Material war die Bronze. Er hat vor allem mit dem Wachsausschmelzverfahren gearbeitet, das immer nur ein Exemplar hervorbringt.
Gleich mit seinem ersten öffentlichen Auftrag hatte er einen durchschlagenden Erfolg. Sein 1950 eingeweihter Eulenspiegelbrunnen auf dem Möllner Marktplatz ist so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt geworden. Zahlreiche Aufträge zur Gestaltung öffentlicher Plätze und Gebäude folgten in den kommenden Jahrzehnten.
Junger Weidehengst
Der „Junge Weidehengst“, im Volksmund eher als das „Kreispferd“ bekannt, steht in der Parkanlage Unter den Linden. Die Bronzeplastik Karlheinz Goedtkes misst 320 cm und wurde 1962 geschaffen. Sie war ein Geschenk des Kreises Herzogtum Lauenburg an die Stadt Ratzeburg anlässlich der 900-Jahrfeier 1962.
Eine Beschreibung des Kunstwerks spricht dem Weidehengst „spielerische Lebensfreude, ungezügelte Kraft und reine Eleganz“ zu.
Sich waschender Knabe
Ebenfalls von Karlheinz Goedtke stammt der sich waschende Knabe im Atrium des Kreisgesundheitsamtes Ratzeburg (80 cm, 1965).
Im Juni 1965 wurde das Kreisgesundheitsamt auf der Insel eingeweiht. Als „modernsten Neubau dieser Art“ feierten die „Lübecker Nachrichten“ den Bau, in dessen Innenhof die bronzene Brunnenfigur von Karlheinz Goedtke aufgestellt wurde. Kreisrat Erich Wendicke betonte, der Neubau erweise sich in der Schönheit seiner Architektur, aber auch in seiner wohldurchdachten, sinnvollen und zweckentsprechenden Konstruktion als so vorbildlich, dass er die ungeteilte Zustimmung des Kreistages finde. Das Foto zeigt Karlheinz Goedtke und Landrat Gerhard Wandschneider im Innenhof des Kreisgesundheitsamtes.
Karlheinz Goedtke und Dr. Wolfgang Brandenburger
Anlässlich des 60. Geburtstags von Kreismedizinaldirektor Dr. Wolfgang Brandenburger entstand in Karlheinz Goedtkes Atelier in nur zwei Sitzungen das Tonmodell des Kopfes des Jubilars. Nach Goedtkes eigener Aussage sollte es das „Porträt Nr. 1“ in einer Reihe von „interessanten Köpfen aus meinem Freundeskreis“ werden. (Bericht in den LN am 2. Juli 1972)
Der Taschenmann
Ein weiteres Werk von Karlheinz Goedtke steht vor der Kreissparkasse am Markt, an der Einmündung der Domstraße. 1957 wurde die Bronzefigur aufgestellt, die eine Höhe von 170 cm misst. Der Taschenmann kehrt seine leeren Hosentaschen nach außen – Geld hat er offensichtlich keins, aber sein Gesichtsausdruck verrät, dass er sich deshalb keine besonderen Sorgen macht. Er wirkt eher heiter und regt den aufmerksamen Betrachter zu Spekulationen darüber an, was er wohl vor einer Sparkasse zu suchen hat.
Ursprünglich hatte die Figur in Höhe des ersten Stockwerks des Hauptverwaltungsgebäudes der Kreissparkasse gestanden. Nach der Fertigstellung des neuen Hauptgebäudes wurde die Bronze-Plastik Anfang Oktober 1977 vor den Haupteingang der Kreissparkasse aufgestellt.
Präsentation eines Goedtke-Bildbandes
Im April 1979 konnte im Möllner Lohgerber-Haus in der Mühlenstraße ein Bildband mit Werken von Karlheinz Goedtke der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das Bild zeigt die Übergabe des Bandes durch die Verlegerin, Frau Wachholtz, an den Künstler. Am Rednerpult applaudiert der Präsident der Stiftung Herzogtum Lauenburg, Dr. Uwe Barschel. Die Stiftung hatte den Band in ihrer Schriftenreihe herausgegeben. (Bericht in den Lübecker Nachrichten am 18. April 1979)
Archivale 08/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt
Ansverus-Wallfahrt
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Ansverus-Wallfahrt
In der Nähe von Einhaus erinnert ein Radkreuz aus gotländischem Kalkstein an den Abt Ansverus, der dem Kloster auf dem St. Georgsberg vorstand und 1066 während eines Slawenaufstands gesteinigt wurde. Seit 1951 findet traditionell am zweiten Sonntag im September in Erinnerung an das Martyrium des Ansverus eine Wallfahrt statt. Im ersten Jahr war lediglich das Dekanat Lübeck eingeladen, „um die Möglichkeit einer Wallfahrt auf dem Acker am Ansveruskreuz zu erkunden“ (Lübecker Nachrichten vom 11. September 1952). Waren im ersten Jahr 1.200 Pilger der Einladung gefolgt, schätzte man die Teilnehmerzahl 1952 schon auf etwa 3.000.
Seither machen sich Jahr für Jahr Katholikinnen und Katholiken aus ganz Norddeutschland auf den Weg nach Einhaus, viele pilgern von den Ausgangspunkten Ratzeburg, Mölln und Lübeck zum Ansveruskreuz. Die Wallfahrt ist zu einem festen Bestandteil im Veranstaltungskalender der katholischen Kirche in Norddeutschland geworden. Da Ansverus auch in der evangelisch-lutherischen Kirche eine Rolle spielt, gibt es seit vielen Jahren auch ökumenische Gottesdienste und eine Beteiligung der evangelischen Christen.
Besonders viele Menschen zog die Wallfahrt im Jahr 1966 an, als man den 900. Jahrestag des Martyriums beging. Etwa 8.000 Wallfahrer nahmen an dem feierlichen Pontifikalamt teil, das von Kardinal D. Lorenz Jäger (Paderborn), Bischof Helmut Hermann Wittler (Diözese Osnabrück), Weihbischof Johannes von Rudloff (Hamburg) und Abt Pius Buddenborg (Coesfeld, Abt des Benediktiner-Klosters Gerleve) zelebriert wurde. Rund hundert Banner der Kolpingsfamilie und der katholischen Jugend schmückten den Festplatz. Eine ökumenische Gebetsstunde im Ratzeburger Dom schloss sich am Nachmittag an.
In diesem Jahr fand die Ansverus-Wallfahrt am 10. September statt. Da 2007 und 2011 die Wallfahrt zugunsten anderer Veranstaltungen mit überregionaler Bedeutung nicht stattgefunden hat (Wallfahrt des Erzbistums nach Dreilützow 2007; Seligsprechung der Lübecker Märtyrer 2011), ist es in diesem Jahr die 70. Wallfahrt.
Archivale 09/2023 - Ziegelei am Zittschower Weg
Unser Foto zeigt die ehemalige Ziegelei am Zittschower Weg, deren Schornstein bis heute weithin sichtbar ist.
Am 22. Februar 1854 teilte der Ratzeburger Maurermeister Bartels[1] dem Magistrat mit, dass er zwei Koppeln Land „in der Zittschau“ erworben habe und in dieser „von der Stadt entfernten, fast Salemer Gegend“ beabsichtige, eine Ziegelei anzulegen. Er begründete dies mit dem „Mangel an gut gebrannten Mauer- und Ziegelsteinen“ und einer „vermehrten Baulust“. Bartels wies in seinem Gesuch um Genehmigung der Ziegelei auch darauf hin, dass er mit seiner Ziegelei neue Arbeitsplätze schaffe. Wenige Woche später erhielt Bartels die Genehmigung durch den Magistrat und die Königliche Regierung des Herzogtums Lauenburg (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 2613)
Den jährlichen Berichten zur „Lage der Industrie“ (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 4856), die aus dem Zeitraum von 1887 bis 1901 vorliegen, ist zu entnehmen, dass auf der Ziegelei zwischen 11 (1888) und 25 Arbeiter (1893-1895) beschäftigt waren, die täglich 12 Stunden arbeiteten.
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Die Steigerung der Beschäftigtenzahl wird im Bericht von 1894 damit begründet, dass „in der Ziegelei von A. Bartels […] von dem Besitzer im vergangenen Sommer zur schnelleren und besseren Lieferung von Steinen, Röhren pp. eine Dampfmaschine von 30 Pferdekräften angebracht [ist], so daß dieses Etablissement augenblicklich bedeutend leistungsfähiger ist wie in den früheren Jahren.“ Der Bau der Oldesloe-Hagenower Bahn, des Ratzeburger Seminars und „vieler durch Feuer zerstörter Gebäude in der Umgegend“ sicherten den Absatz.
Auf dem Gelände wurde auch eine transportable Eisenbahnanlage betrieben, deren Länge 200 Meter betrug. Zwei Kippwagen der Firma Orenstein und Koppel waren im Einsatz (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 3131). Der Zieglermeister besaß 1841 eine Schankkonzession, die 1911 von Zieglermeister Hafemann auf seinen Nachfolger Friedrich Kruse überging (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 6486).
1929 hat Emil Kruse die Ziegelei erworben, die 1949 an Albrecht Eichblatt verpachtet wurde. Rund 50 Mitarbeiter waren hier tätig, bevor der Betrieb 1958 wegen Tonmangels stillgelegt wurde. Zahlreiche Gebäude wurden abgerissen, am Standort der Ziegelei wurde ein landwirtschaftlicher Betrieb eingerichtet.
[1] 1841 wird der aus Mölln stammende Heinr. Christ. Conrad Bartels Bürger der Stadt Ratzeburg (B. Raute „Die Neubürger der Stadt Ratzeburg 1601-1871, Ratzeburg 1933, S. 77).
Archivale 10/2023 - Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt - Ratzeburg schmückt sich für die Weihnachtszeit
Der Ratzeburger Fotograf und Journalist Hans-Jürgen Wohlfahrt ist am 23. Juni 2014 in Ratzeburg verstorben. Sein umfangreicher fotografischer Nachlass wurde auf Wunsch des Verstorbenen durch seine Erben an das Stadtarchiv Ratzeburg übergeben. Dieses Fotoarchiv ist von herausragender Bedeutung und enthält zahlreiche Fotodokumente, denen ein hoher zeithistorischer und kultureller Wert zukommt. Die Verwaltung und Pflege des fotografischen Nachlasses erfolgt im Rahmen einer nichtrechtsfähigen örtlichen Stiftung durch die Stadt Ratzeburg.
In der Reihe „Archivale des Monats“ stellt das Stadtarchiv Ratzeburg in diesem Jahr ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt vor.
Ratzeburg schmückt sich für Weihnachten
Die Sehnsucht nach Licht und Wärme prägt gerade in den nördlicheren Breitengraden die Wintermonate und spiegelt sich auch in zahlreichen Bräuchen und Traditionen der Advents- und Weihnachtszeit. Besonders die Verbindung vom winterlichen Grün der Weihnachtsbäume mit dem Lichterschmuck gehört für die meisten zur Weihnachtszeit unbedingt dazu. Dabei hat die Tradition des Weihnachtsbaumes bei uns noch gar keine so lang zurückreichende Geschichte. 1774 beschreibt Goethe in seinem „Werther“ einen Lichterbaum, ein Brauch, der zunächst in adligen und höfischen Kreisen Eingang fand und dann von gehobenen bürgerlichen Schichten übernommen wurde. 1796 wird ein Weihnachtsbaum auf Schloss Wandsbek erwähnt. 1799 schildert der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge ein Weihnachtsfest im Pfarrhaus auf dem St. Georgsberg – dort gibt es noch keinen Baum, sondern Kerzen auf einem Eibenzweig.
Nicht nur die Häuser und Wohnungen werden in der Adventszeit geschmückt und beleuchtet, auch die Straßen und Plätze erhalten in dieser Zeit ihren vorweihnachtlichen Putz. Die Geschichte der Ratzeburger Weihnachtsbeleuchtung und -dekoration ist allerdings noch nicht geschrieben. Trotzdem findet man hin und wieder aufschlussreiche Hinweise.
Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg und der Notzeit der Nachkriegsjahre entwickelt sich das weihnachtliche Treiben. 1949 lesen wir in der „Lauenburgischen Zeitung“ von einem Weihnachtsmarkt und einem „Weihnachtsbaum für alle“ auf dem Marktplatz. 1950 berichtet die Zeitung, dass sich die Stadt mit Tannengirlanden und Lichterketten weihnachtlich geschmückt habe. Auf dem Marktplatz wurde damals für die Kinder auch eine Märchengruppe mit Rotkäppchen und dem Wolf aufgestellt.
Selbst in Krisenjahren wollte man auf die Weihnachtsbeleuchtung nicht völlig verzichten, auch wenn sie nur „auf Sparflamme“ brannte. Als Folge der Energiekrise des Jahres 1973 beschloss die „Aktionsgemeinschaft Kreisstadt Ratzeburg“, die Weihnachtsbeleuchtung nur noch drei Stunden, von 16 bis 19 Uhr, brennen zu lassen. Insgesamt waren in jenem Jahr von der Aktionsgemeinschaft “für den 1. Bauabschnitt der neuen Weihnachtsbeleuchtung Stadtinsel rund 800 Meter Lichterketten mit etwa 2500 Glühbirnen zu je 15 Watt angeschafft worden.“ (Lübecker Nachrichten vom 24.11.1973).
Die Fotos aus dem Nachlass von Hans-Jürgen Wohlfahrt aus den 1960er und 1970er vermitteln Eindrücke, wie sich der Weihnachtsschmuck in der Inselstadt gewandelt hat.
Archivale 11/2023 - 75 Jahre Pestalozzischule Förderzentrum Ratzeburg
Die Pestalozzischule Förderzentrum Ratzeburg hat in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum gefeiert. Ihre Schultradition reicht allerdings sogar bis ins Jahr 1947, mit dem Aufbau der ersten Hilfsschulklasse an der Mädchenschule Ratzeburg. Im einführenden Schriftstück aus der Akte "Hilfsschule, Einrichtung und Lehrpersonen" (AZ 21004) des Ratzeburger Stadtarchivs heißt es hierzu: "Am 8. Dezember 1947 wurde an der Volkshochschule Ratzeburg eine Hilfsschulklasse mit 28 Kindern eingerichtet. Eine Hilfsschule ist eine selbständige Sondereinrichtung der allgemeinen Volksschule, die die schwachbegabten Kinder nach einem 1 - 2 jährigen erfolglosen Besuch der Volksschulunterstufe aufnimmt und durch besonders geartete Erziehungs- und Unterrichtsmethoden für das Leben ausbildet."
Die Gemeindevertretung beschloss am 3.9.1948 auf Empfehlung des Schulausschusses die Einrichtung einer zweiklassigen Hilfsschule, deren Leitung dem Hilfsschullehrer Semrau übertragen wurde. Eine Genehmigung durch das Ministerium für Volksbildung der Landesregierung wurde dafür erbeten und am 21.10.1948 erteilt.
Am 16. Mai 1949 konnte die zweite Planstelle der Hilfsschule mit Lehrer Stüdtje besetzt werden. Die Schülerzahl stieg in der Folge stetig, auf 80 Kinder im Jahr 1950. Entsprechend musste die Anzahl der Schulstellen auf drei Lehrkräfte erhöht werden.
Auf Antrag des Elternbeirates vom 26.01.1954 und die Empfehlung des Schulausschusses wurde die Hilfsschule in der Magistratssitzung vom 02.02.1954 in 'Pestalozzischule' umbenannt. Als Begründung heißt es im Beschluss: "Es hat sich herausgestellt, daß der Titel "Hilfsschule" dazu führt, daß die Kinder bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen auf Schwierigkeiten stoßen". Das Kultusministerium in Kiel genehmigte diese Umbenennung am 23.02.1954. Nach dem Auszug des Amtes Ratzeburg Land aus dem ehemaligen Präparandeum in der Barlachstraße 5, dem heutigen Kreisschulamt, erhielt die Pestalozzischule in diesem Gebäude ab 1967 vier Fachräume.
Ab 1976 sie in die Vorstadt, zunächst mit 3 Klassen ins Jugend- und Sportheim, ab 1984 dann in ein neues Gebäude am Grundschulstandort in der Mechower Straße 44. Im Zuge der Schulreform und des Neubaus der Gemeinschaftsschule Lauenburgische Seen, wechselte die Pestalozzischule 2013 wieder auf die Insel, in den Neubau der ehemaligen Ernst-Barlach-Realschule. Dort ist sie bis heute ansässig.
Von 1961 bis 1984 leitete Ewald Karsten die Schule, der zunächst als Konrektor dort tätig war. 1984 übergab er die Leitung in die Hände von Jörg-Rüdiger Lehmann, der bis 2001 dort Rektor war. Von 2001 bis 2023 hatte Arndt Vogt die Rektorenstelle inne.
Zurzeit werden an der Pestalozzischule Förderzentrum Ratzeburg 65 Schülerinnen und Schüler in 4 Stufen unterrichtet. Die 1. und 2. Stufe umfassen die Klassen 1 - 6, die 3. Stufe die Klassen 7 - 8 und die 4. Stufe umfasst die Klasse 9. Innerhalb der Stufen werden für die entsprechenden Unterrichtsfächer Gruppen von 8 bis 12 Schülerinnen und Schüler nach ihrer jeweiligen Lernstärke gebildet, um eine leistungshomogene Betreuung zu gewähren. Die Förderschule wird inzwischen von Schülerinnen und Schülern aus dem ganzen Kreisgebiet besucht. Es stehen 6 Klassenräume und 3 Fachräume (Musik, Kunst, EDV) zur Verfügung.
Archivalen 2022
Archivale 01/2022 - Veranstaltungsplakat aus dem August 1949
Ein sehr gut erhaltenes und dazu sicher seltenes Exemplar konnte in diesem Jahr für die stadtgeschichtliche Sammlung des Stadtarchivs erworben werden. Es handelt sich um ein Plakat, das zu einer Veranstaltung auf dem Sportplatz an der Mechower Straße in Ratzeburg einlud.
Unter dem Motto „Ratzeburg in Flammen“ wurde den Besucherinnen und Besuchern am 19. August 1949 ein „Sensations-Groß-Feuerwerk“ geboten. Ein Zeitungsbericht über die Veranstaltung hat sich leider nicht mehr finden lassen. Den „Lübecker Nachrichten“ ist aber zu entnehmen, dass der Lübecker Veranstalter Erich Brockop kurz darauf auch in Mölln ein ähnlicher Spektakel (dort natürlich als „Mölln in Flammen“) ankündigte.
Beide Veranstaltungen wurden mit einem Blaskonzert einer „Möllner Berufsmusikertruppe“ eröffnet, bei dem neben den „Alten Kameraden“ und dem „Jäger aus Kurpfalz“ auch „Ouvertüren, Liedbearbeitungen und eigengeartete Charakterstücke“ zu hören waren. So berichten es zumindest die „Lübecker Nachrichten“.
Archivale 02/2022 - Das Denkmal im Hundebusch - Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71
Etwas versteckt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich befindet sich im Hundebusch an der Straße nach Seedorf ein Denkmal, das an den Deutsch-Französischen Krieg erinnert und das wir hier näher vorstellen möchten.
Der Deutsch-Französische Krieg und die Reichsgründung
Vor 150 Jahren wurde das Deutsche Reich als kleindeutscher Nationalstaat unter Führung Preußens gegründet. Damit fand eine Entwicklung ihren Abschluss, die vor allem durch Otto von Bismarck zielstrebig und energisch vorangetrieben worden war. Wichtige Stationen auf diesem Weg waren die Kriege gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866), die Gründung des Norddeutschen Bundes (1867) und der Krieg gegen Frankreich (1870/71) gewesen.
Die Spannungen zwischen dem Kaiserreich Frankreich und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens wegen der spanischen Thronfolge hatten sich im Sommer 1870 soweit verschärft, dass Frankreich am 19. Juli 1870 dem Norddeutschen Bund den Krieg erklärte. Die süddeutschen Staaten traten auf der Grundlage der bestehenden Militärbündnisse an der Seite des Norddeutschen Bundes in den Krieg ein. Die Siege der verbündeten deutschen Staaten über die französischen Armeen im August und September 1870 brachten frühzeitig eine Entscheidung. Vor allem die Schlacht von Sedan (2. September 1870) gilt als entscheidend. Kaiser Napoléon III. ging bei Sedan in Gefangenschaft und es bildete sich in Frankreich eine provisorische nationale Regierung, die den Krieg zunächst fortsetzte.
Nach den militärischen Erfolgen führte Otto von Bismarck als Kanzler des Norddeutschen Bundes in den folgenden Monaten Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten, um die Gründung eines Deutschen Reichs vorzubereiten, die rasch zu einem erfolgreichen Abschluss führten. Verfassungsrechtlich bestand das Deutsche Reich seit dem 1. Januar 1871. Im Bewusstsein der Deutschen prägte sich allerdings ein anderes Datum ein: Der Tag der Kaiserproklamation im Schloss von Versailles am 18. Januar 1871.
Der deutsch-französische Krieg wurde noch einige Wochen fortgesetzt. Nach dem Fall der belagerten Hauptstadt Paris wurde im Februar 1871 der Vorfriede von Versailles geschlossen. Der Friedensschluss von Frankfurt am 10. Mai 1871 beendete den Krieg offiziell.
Gedenken an den Krieg
Im Bewusstsein der Zeitgenossen nahm der Deutsch-Französische Krieg einen hohen Stellenwert ein. In der Zeit des Kaiserreichs wurden die Jahrestage der Schlacht von Sedan und der Kaiserproklamation von Versailles besonders gefeiert und entwickelten sich zu wichtigen Bezugspunkten für die Identifikation mit dem neugegründeten Reich. Sichtbare Zeichen der damit verbundenen Erinnerungskultur waren Denkmäler und Gedenkstätten zur Erinnerung an die im Krieg gefallenen Soldaten. Auch die Pflanzung von Friedensbäumen sowie Straßenbenennungen nach Orten der entscheidenden Schlachten oder der militärischen Führer sollten die Erinnerung wachhalten (Sedanstraße in Ratzeburg). Beispiele für diese Erinnerungskultur lassen sich auch im Kreis Herzogtum Lauenburg finden.
In Ratzeburg als Garnison der „Lauenburgischen Jäger“ ist in besonderer Weise die militärische Tradition gepflegt worden. Das Lauenburgische Jägerbataillon Nr. 9, das 1866 während des Krieges zwischen Preußen und Österreich aufgestellt worden war, hatte im Krieg von 1870/71 im Einsatz gestanden und an der Schlacht von Gravelotte teilgenommen. Da die Teilnahme an dieser Schlacht von herausragender Bedeutung für die Bataillonsgeschichte gewesen war, wurde der Tag der Schlacht, der 18. August, zum Feiertag des Bataillons bestimmt. Zum 25-jährigen Bestehen des Lauenburgischen Jäger-Bataillons (24. Juni 1891) wurde das Bataillons-Denkmal im Hundebusch errichtet.
„Der Gedanke und Wunsch, die großen Siegetage des Krieges 1870/71 würdig zu feiern, ergriff immer weitere Kreise des ganzen Vaterlandes […] Das Bataillon hatte den Tag für diese Feier bestimmt, welcher für dasselbe im Kriege 1870/71 zum größten Ehrentage geworden war, den Tag von Gravelotte.“ [1]
Da der 18. August auf einen Sonntag fiel, entschied man sich für den 17. August, um die Feier zu veranstalten. Die Bataillonsgeschichte berichtet von der Einweihung des Denkmals:
„Die Feier des nächsten Tages, die in der Einweihung des […] Denkmals im Hundebusch gipfelte, war von früh an vom schönsten Wetter begünstigt. Es sollte dieses Denkmal ein sichtbares Zeichen der über das Grab hinausdauernden Liebe und Dankbarkeit sein, errichtet an jener Stätte, wo die Saat gesäet, die auf Frankreichs Gefilden zur Ernte reifen sollte. Dieses Denkmal war angeregt von dem damaligen Bataillonskommandeur Major von Bose, ebenso hatte dieser Mitkämpfer von Gravelotte den zeichnerischen Entwurf geliefert, während die Ausführung dem Bildhauer Pehle übertragen war, der zur Zeit dem Bataillon als Oberjäger angehörte.
Das Denkmal, welches also im eigentlichen Sinne ein Bataillonsdenkmal ist, besteht aus einer Steinpyramide, die von einem Bronzeadler gekrönt wird. In eine Seite ist eine Gedenktafel mit den Namen der während des deutsch-französischen Krieges gefallenen Bataillonskameraden eingelassen.“ [2]
[1] Weise, R.: Das Lauenburgische Jäger-Bataillon Nr. 9. Seine Geschichte und seine Garnisonen. Neudamm 1902, S. 66.
[2] Weise, R., S. 66.
Archivale 03/2022 - 175 Jahre Königsdamm
Über Jahrhunderte verband nur eine hölzerne Brücke die Insel mit dem östlichen Ufer des Sees. Genau genommen waren es im 14. Jahrhundert sogar zwei Brücken, die von der Insel nach Osten führten. 1322 werden beide Brücken erstmalig in einer Urkunde gemeinsam erwähnt. Die ältere dieser beiden Brücken, die in Richtung Dermin lief, wird wohl bald nach dieser urkundlichen Erwähnung abgebrochen oder verfallen sein. Jedenfalls blieb allein die nördlichere neuere Brücke erhalten, die ungefähr dort das Ostufer erreichte, wo heute der Bäker Weg beginnt.
Der Aufwand, die lange Holzbrücke zu unterhalten, war immens. Die Passage mit Frachtwagen dürfte auf dieser alten Brücke schwierig, wenn nicht gar unmöglich gewesen sein. Erst 1588 wurde der Bau einer neuen Brücke beschlossen, die so breit sein sollte, dass „man [darüber] mit Wagen und Pferden fahren“ konnte. 1590 wurde der erste Pfahl für dieses Bauwerk eingerammt, am 24. Juli 1591 rollte der erste Wagen über die neue Brücke. Der Landesherr hatte sich mit beträchtlichen Holzlieferungen am Bau beteiligt und mit Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Brückenverbindung wurden auch Zuschüsse benachbarter Fürsten eingeworben. Die Ratzeburger waren stolz auf ihre Brücke, die 600 Schritt (ca. 450 Meter) lang war und in den jährlichen Kämmereirechnungen als Eigentum der Stadt aufgeführt wurde. Die Brücke hatte zwei Klappen, die aufgezogen werden konnten, um damit die Überfahrt zu verhindern bzw. um den Schiffsverkehr durchzulassen. Um die laufende Unterhaltung zu finanzieren, wurde ein Brückengeld kassiert, das für Fuhrwerke und Reitpferde, nicht aber für Fußgänger zu zahlen war. Wer die Brücke häufig nutzte, zahlte eine Jahressumme für die Passage. Ein Ratzeburger Zimmermeister fungierte als „Brückenmacher“ – er war zuständig für Aufsicht und Reparaturen an der Holzbrücke.
Als man in dänischer Zeit eine moderne Chaussee zwischen Hamburg und Schwerin plante, war für eine Holzbrücke kein Platz mehr. Die Brücke wurde im Zuge des Baus der Chaussee von Schwarzenbek nach Thurow durch einen Damm ersetzt, an dem von 1842 bis 1847 gebaut wurde. Da es sich nicht um ein städtisches Projekt handelte, sondern um eines der Regierung, gibt es in den Quellen im Stadtarchiv nur wenige Akten zu dieser gewaltigen Baumaßnahme. Der Akte 2908 „Durchführung eines Erddammes durch den hiesigen See“ ist zu entnehmen, dass die Arbeiten an diesem Damm schon bald nach dem Beginn wieder eingestellt werden mussten, da man befürchtete, dass die lange Brücke durch die Bautätigkeit gefährdet wurde. So ruhte der Bau seit Mai 1843 für anderthalb Jahre.
Erst im Frühjahr 1845 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, wobei die Schüttung des Damms teils vom Land aus, teils mit Kähnen erfolgte. Zum Transport des erforderlichen Erdreichs war eigens eine „Schienenbahn“ angelegt worden. In der Akte ist auch von einer „Notbrücke“ die Rede, die vorübergehend als Verbindung zwischen der Insel und dem östlichen Seeufer diente. Hans Mau schreibt über den Dammbau in seinem „Häuserbuch“: „Die zur Aufschüttung des Dammes erforderlichen Erdmassen wurden dem Gelände der heutigen oberen Jägerstraße entnommen. In dem dadurch entstandenen sogenannten „Kessel“ wurde vom Turnverein ein Sportplatz und von der Feuerwehr ein Schlauchturm errichtet. Auch wurde der Platz für Aufmärsche und Kundgebungen fleißig genutzt. Durch die durch den Bau der Below-Kaserne freiwerdenden Erdmassen wurde der Kessel aufgefüllt und die jetzige Jägerstraße konnte gebaut werden. In den Jahren 1950-1952 wurden von dem damaligen Stadtbaumeister G. Kastl am Nord- und Südufer des Dammes Fußwege angelegt, welches sehr zur Verschönerung des Dammes beiträgt.“
Am 30. April 1847 werden die Bohlen und Balken der alten Brücke öffentlich versteigert. Ein Teil der alten Holzpfähle der Brücke befindet sich allerdings noch heute nördlich des Königsdamms im Wasser. Statt des früher zu zahlenden Brückengeldes wurde ab dem 1. August 1847 ein Dammgeld erhoben, wie der Bevölkerung am 30. Juni bekannt gemacht wurde. Als der dänische König Frederik VII. am 1. November 1854 die Stadt Ratzeburg besuchte, erhielt der Damm den Namen „Königsdamm“.
Quellen:
Stadtarchiv Ratzeburg Akte 2908 „Durchführung eines Erddammes durch den hiesigen See“
Stadtarchiv Ratzeburg Akte 3763 „Erlegung des Dammgeldes nach Neubau des Dammes statt der langen Brücke“
Archivale 04/2022 - Kleingärten in Ratzeburg
Gärtnern liegt derzeit im Trend. Die Zahl der Kleingärten in Deutschland wird auf rund 900.000 geschätzt. Das bedeutet, dass Millionen Menschen diese Gärten in ihrer Freizeit nutzen. Viele von Ihnen sind in Kleingartenvereinen organisiert. Für die Ratzeburger Bürger hatte die Versorgung aus dem eigenen Garten seit jeher eine besondere Bedeutung. Für diejenigen, die nicht über eigenes Land verfügten, gab es „zwischen dem Schützenhof und der Ziethener Grenze [..,] die sogenannten Gartenländer, städtischer Grund und Boden, der in kleinen Parzellen an die Bürger verpachtet wird. Es ist die Gegend des […] Gehölzes Berkenbusch. Die Aufteilung zu Gartenländereien ist erfolgt zwischen 1754 und 1771 auf den Rat des damaligen Landdrosten von Alvensleben […]. Es sollte mit den Gartenländereien den geringeren Bürgern besonders gedient werden […]“ (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, 1929, S. 41)
Vielleicht war die Stadt Ratzeburg unter diesem sozialen Aspekt eine Vorreiterin, denn Anfang des 19. Jahrhunderts kam in vielen Städten die Idee auf, sogenannte „Armengärten“ anzulegen, um Hunger und Verarmung entgegenzuwirken. Besondere Impulse erhielt die Kleingartenbewegung aber vor allem in den städtischen Ballungsgebieten ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit zunehmender Industrialisierung und Urbanisierung. Die Gartenbewegung reagierte auf die damit verbundenen sozialen Veränderungen und wollte einen Ausgleich für die belastenden Lebens- und Arbeitsbedingungen schaffen.
In den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Bedeutung der Kleingärten nochmals erheblich zu, was seinen Niederschlag im Gesetz über die „Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung“ vom 31. Juli 1919 fand. Damit wurde erstmals deutschlandweit ein einheitlicher gesetzlicher Rahmen für das Kleingartenwesen geschaffen. 1921 wurde der Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands gegründet. Auch im Kreis Herzogtum Lauenburg reagierte man auf die neuen gesetzlichen Regelungen zur Förderung des Kleingartenwesens. Der Kreis richtete ein Kleingartenamt ein und forderte von den örtlichen Behörden die Aufstellung von Verzeichnissen der vorhandenen Kleingärten (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 5566). In Ratzeburg war beabsichtigt, zum Herbst 1920 eine rund 7 Hektar große Ackerkoppel zusätzlich als Gemüse- und Kartoffelland anzulegen und die sogenannte 'Hospitalkoppel' als „Kleingärten von je 4 bis 500 qm“ zur Verfügung zu stellen, um die Nachfrage nach Gartenland zu decken. Dennoch blieb die Nachfrage zunächst größer als das Angebot. Eine statistische Übersicht vom 2. Juni 1924 nennt eine Zahl von 1015 vorhandenen Kleingärten in Ratzeburg auf einer Gesamtfläche von mehr als 56 Hektar.
In den folgenden Jahren änderte sich das Bild: Schon zwei Jahre später wurden nur noch 870 Kleingärten gemeldet, viele Gartenparzellen wurden wieder in Ackerkoppeln umgewandelt. Der „Landhunger“ habe sich mit der Stabilisierung der Währungsverhältnisse gelegt, heißt es in einer Vorlage: „Die Einwohner der Stadt können jetzt ihre Kartoffeln und Gemüse zu einem erschwinglichen Preis in den Geschäften erstehen, so dass viele ihre Gärten wieder abgeben oder nur unvollständig bewirtschaftet haben.“ Daher schaffte der Magistrat auch das 1920 eingeführte Losverfahren zur Vergabe der Gärten wieder ab, über das heftig diskutiert worden war. Jetzt wurden die Gärten wieder nach Höchstgebot verpachtet. In Ratzeburg existierte in den 1920er Jahren ein „Obst- und Gartenbauverein“ mit rund 100 Mitgliedern unter dem Vorsitz des Gendarmerieoberwachtmeisters Vogt vom Domhof. Nach einer Aktennotiz war die Vereinstätigkeit 1934 allerdings völlig zum Erliegen gekommen und der Verein sollte aufgelöst werden.
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg spielten die Kleingärten noch einmal eine erhebliche Rolle, um einen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung zu leisten. In den meisten lauenburgischen Kommunen beschäftigten sich die Stadt- und Gemeindevertretungen mit der Anlage von Kleingärten, um vor allem den zahlreichen Flüchtlingen zu helfen. In Ratzeburg befasste sich der Magistrat am 26. September 1945 mit dem Thema. Ein verpachteter Acker am Ziegeleiweg, ein Ackerstück an der Bergstraße und ein von der Stadt selbst bewirtschaftetes Land auf der Demolierung sollten als Kleingärten in Parzellen aufgeteilt werden. Allen Gartenpächter mit mehreren Parzellen sollte nur noch ein Stück Gartenland bleiben.
In Schleswig-Holstein wurde der private Gemüse- und Obstanbau durch den sogenannten Kleingartenerlass von 1946 gefördert, d.h. den gesetzlichen Anspruch jeden Haushalts auf Kleingartenland: „Infolgedessen erhöhte sich die Anzahl der Kleingärten im Kreis von 3600 (1945) auf 17.993 (1948). Statistisch gesehen konnte fast jeder achte Kreisbewohner Gemüse im eigenen Garten anbauen und damit seinen Speiseplan ergänzen.“ (E. Opitz, Herzogtum Lauenburg, 2003, S. 460)
Archivale 05/2022 - Gaststätten und Ausflugslokale rundum Ratzeburg
Die fortschreitende Industrialisierung und das Anwachsen der Städte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderten das Arbeitsleben entscheidend und ließen viele Menschen nach einem Ausgleich für den anstrengenden und oft monotonen Alltag suchen. Gleichzeitig erhöhte der Bau von Eisenbahnlinien die Mobilität der Menschen. Mit dem Zug war es möglich geworden, am Wochenende rasch hinaus „ins Grüne“ zu fahren, Spaziergänge zu unternehmen und die Natur zu genießen. Ratzeburg und Mölln wurden beliebte Ausflugsziele.
Im Jahr 1866 erschien in Berlin Otto Glagaus Buch „Spaziergänge durch Lauenburg und Lübeck“. Der Verfasser pries das „Ländchen“ als „verstecktes Paradies“ und prophezeite, die Schönheiten der Region „werden voraussichtlich im Laufe der nächsten Sommer Tausende von Vergnügungsreisenden hinlocken“.
Besonders zu Himmelfahrt und Pfingsten unternahmen nicht nur Familien, sondern auch viele Vereine Ausflugstouren ins Lauenburgische. Rundum Ratzeburg etablierten sich zahlreiche Ausflugslokale, die ihren Gästen die Möglichkeit zur Stärkung und Erfrischung boten.
Einige dieser Gaststätten möchten wir im Folgenden anhand von historischen Postkarten und kurzen Texten aus alten Reiseführern vorstellen.
„Zum grünen Jäger“ (Bahnhofsallee 6/8)
Die Gaststätte, die an der alten Wegführung nach Lübeck lag, konnte auf eine lange Geschichte als Kirchspielkrug zurückblicken. Hier konnten die ländlichen Kirchgänger am Sonntag nach dem Besuch des Gottesdienstes auf dem St. Georgsberg ihren Frühschoppen genießen. Das Anwesen verfügte über große Ausspannräume für Pferdefuhrwerke. Vor dem Ersten Weltkrieg bot das „Sommer-Etablissement mit Fremdenpension“ Unterkunft für 3,50 bis 4,40 Mark pro Person.
„Gasthof zum Zoll“ (Möllner Straße)
An der Einmündung der Möllner Straße in den Lüneburger Damm lag der „Gasthof zum Zoll“. Hier an der Zufahrt zum St. Georgsberg hatte sich einst die Hebestelle für den städtischen Zoll befunden. Café und Konditorei Strauss (das spätere „Gasthaus Zum Alten Zoll“) warben „mit großem, schattigem Garten, Fremdenzimmern, Kegelbahn und Ausspann“ und hielten sich „Logiergästen, Klubs und Vereinen bestens empfohlen“ [Anzeige 1906]. Am 14. Juni 1980 brannte der Anbau komplett nieder. Das wegen der neuen Verkehrsführung zum Abriss bestimmte Gebäude wurde schwer beschädigt.
„Zum Weinberg“ (Möllner Straße)
Weiter oberhalb an der Möllner Straße lag die Gaststätte „Zum Weinberg“ mit einer heute nicht mehr vorhandenen Veranda. Es handelte sich zu Beginn des 20. Jahrhundert um ein „ländliches Gasthaus mit einer seit Jahren beliebten und immer vollbesetzten Pension für Sommergäste“ mit „Terrassengarten, Salon, Kegelbahn und stündlichen Motorbootanschlüssen nach Farchau, Waldesruh und Ratzeburg auf dem von Buchenwald umkränzten Küchensee“.
„Kurhotel Bellevue“ (Möllner Straße)
Das „Kurhotel Bellevue“ bot „Zimmer mit bester Ausstattung, Gesellschaftsräume, große[n] Saal und Terrassengarten […] mit lauschigen Plätzen, Grotten und Zelten“: Diese „noble Pension am Eingang zum Wanderweg nach Farchau“ wies besonders auf den „überwältigend schönen Anblick“ vom terrassenförmig angelegten Garten hin. Für die mit dem Auto anreisenden Gäste hielt das Kurhotel eine eigene Tankstelle und eine Garage (einen „Automobilraum“) vor.
„Farchauer Mühle“
Die Mühlengeschichte reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück, 1850 erhielt der Müller Joh. Friedrich Schlichting erstmals eine Schankerlaubnis. Nach einem Brand, bei dem das Wohnhaus völlig zerstört wurde, blieb das Mühlengebäude verschont, wurde zur Gastwirtschaf umgebaut und etablierte sich als beliebtes Ausflugslokal. Eine Annonce warb: Die „Farchauer Mühle“ „…liegt zwar nicht im Walde, ist aber eins der reizendsten Plätzchen für Leute, die einmal ganz Landeinsamkeit haben wollen und dabei nicht auf äußeren Komfort Gewicht legen. Die Pension ist einfach und gut, doch wird nur eine beschränkte Anzahl Gäste Aufnahme finden können. Der ländliche Garten bietet viele lauschige Plätze mit Ausblicken auf den See. Für Kinder hat Farchau eine besondere Anziehungskraft durch die in dem Garten angebrachten Spielvorrichtungen, wie Schaukeln, Turngeräte, Ring- und Kegelspiele.“
„Waldesruh“
Besonders der Gedenkstein am „Lieblingsplatz“ Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke (1800-1891) zeichnete die Gaststätte gegenüber ihren Mitbewerberinnen aus: „…unbezahlbar aber ist der unausgesetzte Aufenthalt in der kräftigenden, nervenstärkenden Luft. Würziger Waldesduft, ozonreiche und erfrischende Seeluft, abwechslungsreiche Aussicht über den See, auf die Stadt und Vororte und wohltuende, tiefste Waldeinsamkeit, alles das vereinigt sich hier und wetteifert miteinander, den Aufenthalt in Waldesruh zu einem idealen zu gestalten.“ – Es gab eine Anlegestelle für Ausflugsboote, eine „Badeanstalt und Gelegenheit, den Angelsport auszuüben.
„Ratzeburger Schweiz“
Die ‚Ratzeburger Schweiz‘ war ein auf dem Dermin gelegenes Gartenrestaurant mit Fremdenpension. Es lag oberhalb des Gutshauses Dermin. Wegen der verkehrsfernen Lage wurde es wenig aufgesucht, und im Jahre 1912 vernichtete ein Großfeuer das Anwesen.
Schützenhof (Am Steindamm)
Auf dem Schützenhofgelände befand sich die Schießbahn der Schützengilde, die vor dem Bau des Gildehauses an der Mechower Straße hier ihre Feste feierte. Ein „schöner, schattiger Garten, sehr geschützt, inmitten des Gehölzes, an dem terrassenförmig sich aufbauenden Seeufer“ zeichnete das Lokal aus. Hier konnten 1000 Personen Platz finden. Der „Schützenhof“ bot zwar keine nennenswerte Aussicht, „desto lohnender ist aber die Einsicht in des Schützenwirtes Küche und seinen, auch dem verwöhntesten Gaste genügenden Weinkeller. Seit langen Jahren genießt der Schützenhof mit Recht den Ruf, die vorzüglichste Hamburger Küche zu führen.“
„Dölles Gasthof“ (Bäker Weg)
Dölles Gasthof lag am Beginn des Bäker Weges (am Platz der alten Malzmühle) „Damals gibt es auch den großen Tanzsaal bereits, der auf dem Grundstück hinter dem Jägerdenkmal am Anfang der Jägerstraße seinen Standort hat, heute aber schon lange durch ein Wohnhaus verdrängt ist.“ (Kaack, 750 Jahre Vorstadt-Dermin)
Archivale 06/2022 - Aqua Siwa - Richtfest vor 50 Jahren
Ein etwas kurioses Objekt aus dem Archivbestand stellen wir in diesem Monat vor. Es handelt sich um eine Konservendose mit Wasser aus dem Aqua Siwa, dem Mineralwasser-Hallenbad, dessen Richtfest vor 50 Jahren, am 1. November 1972 gefeiert werden konnte. Zahlreiche Ehrengäste nahmen an der Richtfeier für die erste Schwimmhalle im Kreis Herzogtum Lauenburg teil. Auch wenn Zuschüsse von Bund, Land und Kreis erheblich zur Finanzierung beitrugen, hatte das Projekt „den Finanzhaushalt der Stadt bis an die äußerste Grenze strapaziert“, wie Bürgermeister Dr. Peter Schmidt in seiner kurzen Ansprache betonte.
In unserem Rückblick wollen wir zeigen, welche Bedeutung die Schwimmhalle für die Entwicklung Ratzeburgs hatte. Mit der staatlichen Anerkennung der Stadt als Luftkurort durch die Landesregierung am 5. Juni 1967 schlug der Wirtschaftsförderungsausschuss weitere Maßnahmen vor. Die Kurortentwicklung wurde in enger Verbindung mit der Sanierungsplanung gesehen. Nach dem Sanierungsplan für die Stadtinsel sollte der Südteil der Insel dem Tourismus vorbehalten sein: “Der Südstrand der Insel soll zu einem Kurbereich ausgebaut werden, der das Bewegungsbad, ein Kurmittelhaus (Haus des Kurgastes) und Promenadenwege umfasst, während der Kurbetrieb nach Ohlstädter Muster am Röpersberg durchgeführt werden soll.”
In den Mittelpunkt der Planungen rückte immer mehr die Errichtung eines Schwimmbades. Schon bei den vorbereitenden Gesprächen war das Vorhandensein eines Schwimmbades als “unerlässlich” bezeichnet worden. Ein Förderverein unterstützte die Vorbereitungen und die Finanzierung. Am 15. Mai 1971, dem Tag der Einweihung des neuen Kurparks, erfolgte der erste Spatenstich. Am 19. Oktober 1973 wurde das neue Bad, das von den Planern und Architekten Rudolf und Ingeborg Geier für 5,2 Mio. DM errichtet worden war, nach rund 14-monatiger Bauzeit der Öffentlichkeit übergeben. Ingeborg Geier hob in ihrer Ansprache zur Eröffnung hervor, „dass Ratzeburg mit dieser Schwimmhalle zukunftsorientiert und entwicklungskonform gehandelt habe. Die Zukunft werde den Skeptikern beweisen, dass die Investitionen nutzbringend angewandt seien.“
Um einen Namen für das neue Bad zu finden, wurde ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben. Unter den 300 eingereichten Vorschlägen zählten die Bezeichnungen „Inselbad“ und „Panoramabad“ mit zu den Favoriten. Letztlich fiel die Entscheidung auf den Vorschlag „Aqua Siwa“, der von Herbert Höpfner eingereicht worden war.
Die eingangs erwähnte Dose mit dem Schwimmbadwasser trägt die Aufschrift „Löst selbst hartnäckigen Schmutz schonend und pflegend.“ – „Testvorschlag: Bei Zimmertemperatur ein Handbad nehmen. Sie merken sofort, wie rein und frisch ihre Hand wird. Das was Sie mit Ihrer Hand erreichen, erreichen Sie im Aqua Siwa mit dem ganzen Körper.“ Die Dosen wurden in der Vorweihnachtszeit 1977 auf dem Basar der Aktionsgemeinschaft Ratzeburg angeboten, an dem sich auch der Bürgerverein mit einem Informationsstand beteiligte. Der Bürgerverein wollte mit dieser Verkaufsaktion auf das „schöne Hallenschwimmbad aufmerksam machen.“
Archivalen 2021
Archivale 01/2021 - Ratzeburger Verkehrsanzeiger
Der „Ratzeburger Verkehrsanzeiger“ erschien als „Kurzeitung mit Fremdenliste für die Inselstadt Ratzeburg, die Orte am Ratzeburger See und das gesamte Schallseegebiet“ jeweils in den Sommermonaten Mai bis September. Verlegt und gedruckt wurde die Zeitung in der Ratzeburger Druckerei Freystatzky. Im Sammlungsbestand des Stadtarchivs sind leider nur wenige Exemplare dieser Zeitung erhalten. Aus privater Hand gelangte kürzlich die Nr. 8 aus dem September 1930 in unser Archiv. Die Jahrgangszählung verrät, dass das Blatt zuerst 1927 erschienen ist. Auf jeden Fall existierte die Kurzeitung bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, denn die Nummer vom 2./9. September 1939, also der ersten Kriegswoche, ist in einer Akte überliefert.
Die Nummer 8 aus dem September 1930 beginnt auf den ersten beiden Seiten mit der Liste der Gäste, die in den Ratzeburger Hotel logierten. Während der überwiegende Teil der Gäste aus Norddeutschland und hier vor allem aus Hamburg angereist waren, finden sich auf der Liste auch zahlreiche Berliner und selbst ausländische Touristen. Ein Angestellter aus England wohnte im Hotel „Stadt Hamburg“, eine Familie aus Glasgow im Ratskeller und ein Pflanzer aus Sumatra im Hotel „Zum Zoll“. Die Statistik verrät, dass von Anfang April bis zum 11. September 1930 101.300 Besucher in Ratzeburg gezählt wurden.
Neben Anzeigen der Beherbergungsbetriebe, Cafés und Restaurants fanden die Leser Rätsel, kleine humorvolle Beiträge und Fahrpläne der Buslinien sowie der Ausflugsschifffahrt.
Die Höhe der Auflage ist leider nicht bekannt, aber die Exemplare sind auf dem Titel mit der Aufforderung versehen „Nimm, lies und gib es weiter!“ – was hiermit geschehen ist.
Archivale 02/2021 - Die Prämonstratenser in Ratzeburg
Der romanische Dom ist das Wahrzeichen Ratzeburgs. Ganz gleich, ob man sich der Stadtinsel von Westen oder von Osten nähert, bestimmt der Dom die beeindruckende Silhouette der von Seen umgebenden Stadt. Vor dem Dom erinnert das Löwenstandbild an Herzog Heinrich den Löwen, der 1154 das Bistum Ratzeburg gründete und den Prämonstratenser Evermod zum ersten Bischof berief. Evermod, der zuvor Propst des Klosters 'Unser Lieben Frauen' in Magdeburg und einer der wichtigsten Gefolgsleute Norberts von Xanten gewesen war, konnte um 1160 mit dem Bau des Doms beginnen, der heute als herausragendes Zeugnis der Backsteinarchitektur in Norddeutschland gilt. Rund sechs Jahrzehnte dauerte der Bau des Doms, ehe mit der Fertigstellung der Eingangshalle im Süden der Abschluss vollendet wurde.
Die Prämonstratenser in Ratzeburg - Ein Podcast in fünf Teilen
Nach Norden schließen sich an den Dom die Klostergebäude an, deren Baubeginn um 1250 datiert wird. Hier lebten und wirkten die Prämonstratenser, aus deren Mitte fast alle Ratzeburger Bischöfe hervorgingen, ehe der letzte von ihnen zum Protestantismus übertrat und sein Amt aufgab. Drei der Ratzeburger Bischöfe wurden heiliggesprochen: Evermod, Isfried und Ludolph. Von den insgesamt 29 Bischöfen des Bistums Ratzeburg wurden 25 im Ratzeburger Dom beigesetzt. 23 Grabplatten, zum Teil aufwendig gestaltet, sind bleibende Zeugnisse ihres Wirkens. Teile der Ausstattung des Doms stammen ebenso aus prämonstratensischer Zeit wie die Wandmalereien im Kreuzgang.
Den Orden der Prämonstratenser gibt es bist heute. 2021 begeht er sein 900jähriges Gründungsjubiläum, ein Ereignis, dass sich als prägend für Ratzeburgs Stadtgeschichte erweisen sollte. Mit diesem Archivale, die in Form eines Podcasts in mehreren Teilen gestaltet ist, soll an die Bedeutung der Prämonstratenser erinnert werden. Ergänzend sind Fotografien aus dem Bestand von Hans-Jürgen Wohlfahrt zu sehen, den das Ratzeburger Stadtarchiv verwaltet. Wohlfahrt hat 1978, im Zuge eines Besuchs von Mönchen des Prämonstratenserordens anlässlich des 800. Todestages von Bischof Evermod, Aufnahmen im Ratzeburger Dom zu diesem Thema gemacht.
Unter der reichen Innenausstattung des Domes ist das älteste Chorgestühl Norddeutschlands besonders bemerkenswert. Ein überdachter gotischer Dreisitz aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts zeigt an den Seitenwangen eine Reliefdarstellung der Wurzel Jesse bzw. einen Bischof (möglicherweise Evermod) mit Eichbaum darüber.
Der Domhof als nördlicher Teil der Ratzeburger Stadtinsel strahlt bis heute die geistliche Prägung aus, die dieser Ort über Jahrhunderte erfahren hat. Zu dieser Atmosphäre der Ruhe und Besinnung tragen auch die zahlreichen kirchlichen und kulturellen Einrichtungen bei, die hier ihr Domizil haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg an der innerdeutschen Grenze gelegen, hat Ratzeburg nach der Grenzöffnung 1989 seine verbindende Funktion zwischen Ost und West wiedergefunden. Dies kam auch darin zum Ausdruck, dass im Dom 2012 die Gründung der Nordkirche vollzogen wurde.
Musik (gemeinfrei):
Bach, Johann Sebastian - BWV 536 Präludium und Fuge A-Dur
ID: 198156-bwv536
Tonträger-Titel: Johann Sebastian Bach. Triosonate Nr. 1 in Es-Dur BWV 525, Triosonate Nr. 6 in G-Dur BWV 530, Präludium und Fuge C-Dur BWV 545, Präludium und Fuge A-Dur BWV 536, Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, Helmut Walcha an der Frans-Caspar-Schnitger-Orgel der St. Laurenskerk in Alkmaar.
Label: Archiv Porductio 196 156
Erscheinungsdatum: 1962
Format: Vinyl, LP, Stereo, Land: Germany
Trackliste: Präludium und Fuge A-Dur BWV 536
Lizenz: CC0
Präludium
Corelli, Arcangelo - Op. 6, Nr. 8 Concerto Grosso in g-Moll
ID: s06081-op6-8
Tonträger-Titel: A. Corelli. I Musici. Concerto Grosso B-Dur Op. 6, Nr. 5, Concerto Grosso g-Moll Op. 6, Nr. 8 (Fatto per la notte di Natale)
Label: Philips (Favoriten-Serie) – S 06081 R
Erscheinungsdatum: 1956
Format: Vinyl, LP, Mono, Land: Germany
Trackliste: Concerto Grosso in g-Moll Op. 6, Nr. 8
Lizenz: CC0
Allegro
Lassus, Orlandus - Prophetiae Sibyllarum (Voorberg)
ID: r604
Tonträger-Titel: Orlando di Lasso. Prophetiae Sibyllarum, N.C.R.V Vocaal Ensemble/Hilversum, Marinus Voorberg
Label: Musicaphon (Bärenreiter) BM 25 R 604
Erscheinungsdatum: 1962
Format: Vinyl, LP 10', Mono, Land: Germany
Trackliste: Prophetiae Sibyllarum
Lizenz: CC0
Sibylla Europea
Bach, Johann Sebastian - BWV 565 Toccata und Fuge d-Moll
ID: 198156-bwv565
Tonträger-Titel: Johann Sebastian Bach. Triosonate Nr. 1 in Es-Dur BWV 525, Triosonate Nr. 6 in G-Dur BWV 530, Präludium und Fuge C-Dur BWV 545, Präludium und Fuge A-Dur BWV 536, Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, Helmut Walcha an der Frans-Caspar-Schnitger-Orgel der St. Laurenskerk in Alkmaar.
Label: Archiv Porductio 196 156
Erscheinungsdatum: 1962
Format: Vinyl, LP, Stereo, Land: Germany
Trackliste: Toccata und Fuge d-Moll BWV 565
Lizenz: CC0
Toccata
Gregorianische Gesänge - Plain-Chant Grégorian: Cycle de Noel
ID: 33fcx221-noel
Tonträger-Titel: La Schola Des Pères Du Saint-Esprit Du Grand Scholasticat De Chevilly – Plain-Chant Grégorien
Label: Columbia – 33 FCX 221
Erscheinungsdatum: 1953
Format: Vinyl, LP, Land: France
Trackliste: Plain-Chant Grégorien
Lizenz: CC0
Gregorianische Gesänge - Plain-Chant Grégorian: Liturgie Pascale
ID: 33fcx221-pascale
Tonträger-Titel: La Schola Des Pères Du Saint-Esprit Du Grand Scholasticat De Chevilly – Plain-Chant Grégorien
Label: Columbia – 33 FCX 221
Erscheinungsdatum: 1953
Format: Vinyl, LP, Land: France
Trackliste: Plain-Chant Grégorien
Lizenz: CC0
Bach, Johann Sebastian - 9 Geistliche Lieder aus »Musicalisches Gesangs [...] Buch von G. Chr. Schemelli«
ID: 198181-geistlicheLieder
Tonträger-Titel: Archiv Produktion des historischen Studios der Deutschen Grammophon Gesellschaft, IX. Forschungsbereich Das Schaffen Johann Sebastian Bachs, Serie E, Lieder und Arien, 9 Geistliche Lieder aus »Musicalisches Gesangs [...] Buch von G. Chr. Schemelli«, Margot Guilleaume, Sopran; Helmut Tramitz, Orgel; 7 Arien Und Lieder aus »Klavierbüchlein Für Anna Magdalena Bach 1725«, Margot Guilleaume, Sopran; Fritz Neumeyer, Cembalo.
Label: Archiv Produktion – 198181
Erscheinungsdatum: 1960
Format: Vinyl, LP, Stereo, Land: Deutschland
Trackliste: 9 Geistliche Lieder aus »Musicalisches Gesangs [...] Buch von G. Chr. Schemelli«
Lizenz: CC0
Brunquell aller Güter (BWV 445) archiviert durch die Bayerische Staatsbibliothek
Archivale 03/2021 - 75 Jahre Spielmannzug der Ratzeburger Schützengilde
Am 27. Februar 1946 wurde der „Spielmannszug der Stadt Ratzeburg“ im „Seegarten“ gegründet. Es war in dieser Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg leichter Musiker zu finden als Instrumente zu beschaffen. Nach wenigen Wochen hatten sich bereits 26 Spielleute zusammengefunden, die zunächst mit Trommeln aus dem Bestand des Ausbilders und Holzflöten aus Privatbesitz ausgestattet wurden. Die Übungsabende fanden in den Räumen der Freiwilligen Feuerwehr in der Below-Kaserne statt. Schwarze Hosen und weiße Hemden sorgten für ein einheitliches Erscheinungsbild. Nach der Währungsreform 1948 konnten durch Beitragsgelder, Sammlungen und Spenden nach und nach neue Instrumente beschafft werden. 1958 kaufte die Stadt Ratzeburg den gesamten Bestand der Instrumente und übergab sie der Freiwilligen Feuerwehr. Der Spielmannszug wurde der Feuerwehr angegliedert und die Spielleute trugen Feuerwehruniformen.
Seit 1960 ist der Spielmannszug mit der Schützengilde von 1551 verbunden und trägt den Namen „Spielmannszug der Ratzeburger Schützengilde v. 1946“. Der Spielmannszug wurde zu einem festen Begleiter vor allem der Schützenfeste. War das Musizieren im Spielmannszug ursprünglich reine Männersache, sind die Frauen inzwischen zu einem unverzichtbaren Teil des Vereins geworden. Seit 1974 wird außerdem eine intensive Jugendarbeit betrieben.
Die Festschriften aus dem Jahren 1976, 1981, 1991 und 1996 im Sammlungsbestand des Stadtarchivs dokumentieren die Entwicklung des Spielmannszuges, der seine Jubiläen in der Vergangenheit stets mit großen Musikfesten gefeiert hat, zu denen Spielmanns-, Musik- und Fanfarenzüge aus nah und fern in die Inselstadt eingeladen wurden. Erstmalig kamen 1976 unter dem Motto „In Ratzeburg erklingt Musik“ rund 1000 Spielleute aus 29 Vereinen nach Ratzeburg. Das für dieses Jahr geplante Musikfest zum 75-jährigen Jubiläum kann wegen der Pandemie leider nicht stattfinden.
Archivale 04/2021 - Hamburger Wanderbuch
Das Wandern wurde zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung. Zur Vorbereitung der Touren und als hilfreiche Begleiter erschienen auch in unserer Region gedruckte Wanderführer wie das „Hamburger Wanderbuch“, das zuerst 1895 von Adolph Blass, Rud. Kohfahl und Paul Roth herausgegeben wurde. In drei verschiedenen Auflagen ist das „Hamburger Wanderbuch“ in unser Stadtarchiv gelangt. Die älteste (7.) Auflage erschien 1909, die jüngste (12.) im Jahr 1927. Neben dem hier vorliegenden ersten Teil, das Wandertouren nördlich der Elbe durch Holstein und Lauenburg enthält, gab es einen zweiten Teil mit Wandertouren südlich der Elbe und in der Lüneburger Heide.
Das Vorwort von 1895 preist die vielfältigen landschaftlichen Vorzüge der Umgebung Hamburgs: „Alle diese Landschaften haben ihre besonderen Reize und bieten dem aufmerksamen Auge des naturfrohen Wanderers Schönheiten in Hülle und Fülle. Eine kleine Schar hat diese Gebiete in zahlreichen Wanderungen durchstreift, ihre Aufzeichnungen und Erfahrungen gewissenhaft niedergeschrieben und nach sorgfältiger Sichtung in diesem Büchlein zusammengestellt.“
Ausgangspunkt der Wanderungen sind häufig die Bahnhöfe. Die Zeitangaben für die Wegstrecken gehen von einer Geschwindigkeit von 12 Minuten für den Kilometer auf ebener Straße aus. Karten erleichtern die Orientierung. Kurze historische Darstellungen und Tipps für Besichtigungen ergänzen die Streckenbeschreibungen. Mehrere Routen finden ihr Ziel in Ratzeburg (Oldesloe-Steinhorst-Ratzeburg; Oldesloe-Wesenberg-Ratzeburg, Mölln-Farchau-Ratzeburg und Mölln-Lankau-Ratzeburg), auch eine Wanderung um den Ratzeburger See wird beschrieben. Es hat einen besonderen Reiz, die vor rund hundert Jahren beschriebenen Touren lesend – oder auch wandernd – heute noch einmal zu entdecken.
Archivale 05/2021 - Programm zur Ratzeburger Kulturwoche vor 75 Jahren vom 24. - 31. Oktober 1946
Aus dem Nachlass des früheren Ratzeburger Bürgermeisters Dr. Otto Hofer (1903-1988, Bürgermeister von 1946 bis 1962) stammt das gedruckte Programm zur Ratzeburger Kulturwoche im Oktober 1946. Für das vielfältige Veranstaltungsprogramm u. a. mit Konzerten, Vorträgen, einer Theateraufführung und Vorstellungen der Ratzeburger Handpuppenbühne Pechascheck, war noch die Genehmigung der britischen Militärregierung erforderlich.
In der Eröffnungsrede des Bürgermeisters ist das Bemühen deutlich zu spüren, nach den Jahren der Diktatur und des Krieges ein Zeichen des Neuanfangs zu setzen, “nicht nur mit den Mitteln eines äußeren Aufbaus, sondern zugleich durch ein Versenken in die großen und unzerstörbaren Kulturgüter der Nation.“ Als „Wurzeln“ des grundlegenden Gedankens der Kulturwoche formuliert Dr. Hofer: „Einmal soll ein Querschnitt der künstlerischen Leistungen unserer Stadt aufgezeigt werden. Zum anderen wollen wir den Künstlern und Kulturschaffenden und namentlich unserem Nachwuchs eine gewisse Entfaltungsmöglichkeit bieten, und zum dritten der Bevölkerung unserer Stadt in ihrem Hunger nach den zeitlosen Werten der Kunst und Kultur Freude bringen.“ Gleichzeitig betont Dr. Hofer die integrative Kraft der Kultur, in der Hoffnung, dass aus Flüchtlingen und Alteingesessenen „ein neues Bürgertum entsteht, welches dieses Land und diese Stadt als neue Heimat innerlich freudig bejaht und liebt.“
Vor allem aber stand die Kulturwoche unter dem Zeichen des Gedenkens an Ernst Barlach, der in der Zeit des Nationalsozialismus angefeindet und verfemt worden war. Die Eröffnung der Kulturwoche wurde bewusst auf den achten Todestag Ernst Barlachs gelegt. Bürgermeister Dr. Hofer nahm in seiner Eröffnungsrede besonderen Bezug auf Barlachs enge Verbindung zu Ratzeburg und verlas einen Brief, den Ernst Barlachs Bruder Hans an die „Feiergemeinde“ gerichtet hatte. Anlässlich der Gedenkfeier regte Bürgermeister Dr. Hofer an, „daß unter der Schirmherrschaft der Stadt Ratzeburg eine Zweigstelle der Ernst-Barlach-Gesellschaft hier in Ratzeburg gegründet werden möge“ mit der Aufgabe, das künstlerische Erbe Barlachs zu pflegen, die Erinnerungsstätten in Ratzeburg zu erhalten und zu pflegen und die letzte Ruhestätte würdig auszugestalten. Außerdem sollten jährliche Treffen am Grab des Künstlers vorbereitet und durchgeführt werden. So ist die Kulturwoche des Jahres 1946 auch als Auftakt für die Pflege des künstlerischen Erbes Ernst Barlachs in Ratzeburg zu betrachten.
Archivale 06/2021 - »Gesundheits-Schein« und »Instruction für die Bürger-Wachen vor den beyden Thoren der Stadt Ratzeburg« aus dem Jahr 1831
Wir erleben derzeit eine weltweite Pandemie, deren Auswirkungen uns vermutlich noch lange beschäftigen werden. Ansteckende Krankheiten haben in der Geschichte der Menschheit immer wieder unzählige Opfer gefordert und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Auch in unseren Archiven hat der Kampf gegen die Seuchen ihre Spuren hinterlassen.
Im Stadtarchiv gut dokumentiert ist der Einsatz gegen die Cholera-Epidemie der 1830er Jahre. Wirksame medizinische Mittel standen den damals Verantwortlichen nicht zur Verfügung. Auch die Verbreitungswege der Krankheit waren weitgehend unbekannt oder zumindest umstritten. Als sich im Jahr 1831 die Berichte über ein Herannahen der zuerst in Russland ausgebrochenen Cholera verdichteten, ordneten die Behörden Vorsichtsmaßnahmen an, die sich wenig von denen unterscheiden, mit denen wir heute versuchen, ansteckende Krankheiten einzudämmen, für die noch kein Impfstoff bzw. Gegenmittel bekannt ist. Vor Ort bereitete man sich u. a. dadurch vor, dass Gebäude für die Einrichtung als Hospital und Quarantänestation ausgewählt wurden. Die Apotheken wurden angehalten, sich mit Medikamenten zu bevorraten.
Eine Gesundheitskommission aus ranghohen Vertretern der Stadt koordinierte und kontrollierte die Einhaltung aller angeordneten Maßnahmen. An die Einwohnerschaft wurde appelliert, auf eine gesunde Lebensführung und Sauberkeit in der Stadt zu achten. Ein besonderer Schwerpunkt der damals erlassenen Verordnungen lag auf Einreiseverboten und Quarantänevorschriften für diejenigen Reisenden, die nicht nachweisen konnten, dass sie aus Gebieten kamen, die nicht von der Cholera betroffen waren. Die städtischen Behörden stellten selbst „Gesundheitszeugnisse“ für diejenigen aus, die außerhalb Ratzeburgs Geschäfte zu erledigen hatten. In unserem Beispiel war der „Bürger Tesmann als Bote nach Groß Thurau [Thurow] und wieder zurück nach Ratzeburg“ unterwegs. Die Kontrollen an den Toren der Stadt übernahmen Wachmannschaften, die sich aus Ratzeburger Bürgern zusammensetzten. Die Vorschriften, nach denen sie sich zu richten hatten, sind in der Instruktion zusammengefasst, die wir ebenfalls präsentieren.
Während in der Nachbarstadt Mölln im Jahr 1833 acht Menschen an der Cholera starben, blieb Ratzeburg von dieser Krankheitswelle verschont. Erst 1850 wurde auch die Inselstadt von einem neuerlichen Ausbruch erfasst, dem 18 Menschen zum Opfer fielen.
Archivale 07/2021 - Rede zur Eröffnung der Weihnachtsmesse 1949
Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg fand vom 2. bis 4. Dezember 1949 eine Weihnachtsmesse von Ratzeburger Firmen statt. Zahlreiche Aussteller präsentierten an diesem Wochenende auf den Sälen von Wittlers Hotel und vom Hotel Fürst Bismarck ihre Waren und boten ihrer Kundschaft die Möglichkeit, Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Für die Besucherinnen und Besucher aus dem Umland wurden sogar Sonderbusse eingesetzt. Die „Lauenburgische Zeitung“ berichtet, dass Tausende von Besuchern die Gelegenheit nutzten, sich zu informieren und einzukaufen.
Die Verkaufsstände seien „propagandistisch gut aufgemacht“ gewesen, so dass sich die Kaufleute sehr zufrieden mit dem Erfolg zeigten. Den Andrang an den drei Messetagen hatte man offenbar kaum für möglich gehalten. Zur offiziellen Eröffnung am Freitag, d. 2. Dezember wurden die geladenen Gäste aus den Behörden, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit von Walter Mohr als Vertreter der Wirtschaft begrüßt.
Die Eröffnungsrede hielt Bürgermeister Dr. Otto Hofer. In seinem Nachlass befindet sich unter anderen Dokumenten aus den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auch das Redemanuskript zur Eröffnung der Ratzeburger Weihnachtsmesse 1949. Das Manuskript gewährt einen interessanten Einblick in die wirtschaftliche Situation der Inselstadt in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Bürgermeister Dr. Hofer spricht von einem „grundlegenden Wandel“, der sich vollzogen habe. Nach der Währungsreform im Juni 1948 sei die Zwangswirtschaft gelockert bzw. aufgehoben worden und die „Krisis überwunden“. Vor allem durch den Zustrom der Geflüchteten und Vertriebenen habe sich für Ratzeburg eine „grundlegende Änderung der Verhältnisse“ ergeben. Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung kämen vor allem aus der gewerblichen Wirtschaft und der Kaufmannschaft der Inselstadt. Als zentrale Aufgabe der kommenden Jahre bezeichnet Dr. Hofer den Wohnungsbau und die Integration der Flüchtlinge. Die Weihnachtsmesse „will jedenfalls Zeugnis ablegen von dem Lebenswillen und der Tatkraft der Ratzeburger Wirtschaft“: „Der Konsument in Stadt und Land soll wissen, dass er Zeit und Geld für den Einkauf in den Großstädten sparen kann, denn auch in Ratzeburg suchen gute und preiswerte Waren ihre Käufer.“ Dass die Leistungsfähigkeit noch nicht überall auf hohem Niveau war, zeigte sich am Eröffnungstag: „In den frühen Abendstunden versagte offenbar wegen Überlastung die Stromzuführung, so daß die Messe für einige Zeit in Dunkel gehüllt war.“ – Dem Gesamterfolg der Veranstaltung tat das aber keinen Abbruch.
Archivalen 2020
Archivale 01/2020 - Seuchenbekämpfung - »Verordnung und Unterricht wornach bey jetziger Pest-Gefahr ein jeglicher [...] sich zu achten« vom 4. August 1712
Ansteckende Krankheiten haben die Menschen auch in früheren Jahrhunderten mit Angst und Sorge erfüllt. Vor allem die Pandemie, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts schätzungsweise bis zu einem Drittel der Bevölkerung in Europa dahinraffte, behielt unter der Bezeichnung „Schwarzer Tod“ weit über ihr Auftreten hinaus ihren Schrecken. In Schleswig-Holstein hat die Pest seit ihrem ersten Auftreten im Jahr 1350 wiederholt größere und kleinere Teile des Landes betroffen. Allein bis Mitte des 16. Jahrhunderts wurden 19 Pestepidemien gezählt. Über das Auftreten der Pest im Lauenburgischen berichten verschiedene Quellen aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit.
Zwischen 1350 und 1450 sind zahlreiche Dörfer, die in der Siedlungszeit des 12. und 13. Jahrhunderts gegründet worden waren, wüst geworden. Neben einer allgemeinen Agrarkrise ist der Rückgang der Bevölkerungszahl durch Pest und andere Seuchen sicher ein entscheidender Grund für den Rückgang der Besiedelung im Lauenburgischen gewesen. Insgesamt fließen allerdings die Quellen zu spärlich, um den Einfluss von Seuchen auf die Bevölkerungsentwicklung in unserer Region genauer bestimmen zu können. Für Schleswig-Holstein werden Bevölkerungsverluste von bis zu 50% in einigen Regionen angenommen.
Die Möglichkeiten, gegen die Seuche wirksam vorzugehen, waren äußerst beschränkt. Die Obrigkeit versuchte durch strenge Verordnungen die Ausbreitung der Krankheiten zu verhindern. Als Beispiel präsentieren wir hier eine Verordnung für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahr 1712. Im Vorjahr war die Krankheit auch im Herzogtum aufgetreten und hatte sich nun in den holsteinischen Städten Glückstadt, Rendsburg und Itzehoe erneut gezeigt. Dies war Anlass für die lauenburgischen Behörden, die früheren Regelungen zu erneuern.
Im Wesentlichen sah die Verordnung folgende Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor:
- Absperrung der Grenzen
- Kontrollen durch das Militär
- Vorlage von Gesundheitspässen
- Quarantäne für nicht legitimierte Reisende
- Kontrolle der eingeführten Waren – bei Androhung der Vernichtung
- Isolierung der Erkrankten und
- Hygienemaßnahmen.
Die Verordnung kündigte drastische Strafen an: (III) „Diejenigen / welche sich von inficirten / oder der Pest und anderer anfälligen Seuchen halber verdächtigen Orten / einschleichen werden / sollen ohne Gnade am Leben gestraffet / und erschossen werden.“
Zur Vorlage an den Kontrollstellen wurden „Gesundheits-Briefe“ von den Reisenden verlangt, die bescheinigten, dass man aus einem „reinen und gesunden Orte komme“ (IV). Auch für Waren sollten bestimmte Zertifikate vorgelegt werden (VI). Die Verordnungen schürten oft das ohnehin schon bestehende Misstrauen gegenüber „Herren-losem Gesinde“, „vagirenden Schülern und Studenten und andere Landstreichern“, „abgedankten Soldaten“, „Bettlern“, „Bettel-Juden“ und „Zigeunern“ (XXI). Eine Meldepflicht für Krankheits- und Sterbefälle verpflichtet die Prediger, Ärzte und Chirurgen, wöchentliche „Kranck- und Todtenzettul“ bei der jeweiligen Orts-Obrigkeit einzureichen (XXXI). Die Straßen und Gassen sollen „von allem Unraht / Mist / verrreckten Schweinen / Katzen / und Hunden gesäubert / und in die stehende und fließende Wasser kein umbgefallenes Aas geworffen“ werden (XXXII). Die Verordnung sieht auch vor, dass sich die Haushalte ausreichend mit Vorräten versorgen (XXXIII) und gibt entsprechende Empfehlungen (im Anhang). Auch öffentliche Vorräte sollen angelegt werden. Die Apotheker waren angehalten, ausreichend Medikamente gemäß einer verordneten Liste bereitzuhalten (XXXVIII).
Archivale 02/2020 - Protokolle der städtischen Gremien aus dem Jahr 1945
Im Stadtarchiv Ratzeburg liegt ein Protokollband, der die Niederschriften der politischen Gremien der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg enthält. Anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsendes bietet unser „Archivale des Monats“ einen Blick in diese Protokolle.
Am 2. Mai 1945 besetzten alliierte Truppen kampflos die Stadt Ratzeburg und erreichten an diesem Tag auch die Hansestadt Lübeck. Für die Bevölkerung war damit der Krieg vorbei. Ratzeburg hatte die Kriegsjahre ohne Zerstörungen überstanden, aber obwohl die unmittelbare Bedrohung durch Kampfhandlungen, Tieffliegerangriffe oder Terror letzter fanatischer Einheiten ein Ende gefunden hatte, bestimmten doch zahlreiche Ängste, Sorgen und Nöte die kommenden Monate und Wochen.
Das Land stand mit dem Ende des Krieges unter Besatzungsrecht. Ein Vertreter der britischen Militärregierung hatte seinen Sitz in Ratzeburg. Die bisherigen Gremien der Stadt wurden aufgelöst. Als Kommissarischer Bürgermeister wurde Karl Kiesewetter eingesetzt, der weitere sieben Magistratsmitglieder ernannte.
Dieser neu zusammengesetzte Magistrat kam am 23. Mai 1945 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Am 22. August 1945 wurde bekannt gegeben, dass dieses Gremium erweitert werden sollte. In der neuen Zusammensetzung kam diese Stadtvertretung, die als „Gemeinderat“ bezeichnet wurde, am 26. Oktober 1945 erstmalig zusammen. Die Mitglieder wurden „durch Handschlag zu gewissenhafter Amtsführung und verantwortungsvollen Mitarbeit verpflichtet.“
Neben dem Kommissarischen Bürgermeister Kiesewetter gehörten diesem Gemeinderat die Beigeordneten Hans Ellerbrook, Henry Langbehn, Georg Kähler und Heinrich Schwasta sowie die Ratsherren Karl Burmeister, Joachim Burmester, Friedrich Gehrken, Johannes Hochenauer, Wilhelm Holst, Friedrich Stoohs und Ernst Voigt an. Als erste Gemeinderätin wurde Frau Rickert berufen.
Gemäß einer Weisung des Landrates sollten Beigeordnete und Gemeindevertreter „zur verstärkten Mitarbeit in der Stadtverwaltung herangezogen werden.“ Nach einer Anweisung der Militärregierung hatte diese Gemeindevertretung „nur Verwaltungsaufgaben zu erfüllen […], jede politische Betätigung sei untersagt.“
Die Hauptprobleme, die sich in den ersten Monaten und Jahren stellten, betrafen die Ernährung, Unterbringung und Beschäftigung der Menschen in der Stadt. Es ging darum, das tägliche Leben wieder in Gang zu bringen. Auf der Tagesordnung standen neben der Entlassung offenbar belasteter Personen vor allem Anträge auf Konzessionen zur (Wieder-) Eröffnung von Geschäften und Betrieben, auf Zuteilung von Lebensmitteln und Baustoffen und Personalangelegenheiten der Verwaltung.
Der Gemeinderat befasste sich aber auch schon mit einer Neugestaltung des Marktplatzes, nachdem das Denkmal Kaiser Wilhelm I. eingeschmolzen und der Sockel abgerissen war. Auch einen Weihnachtsbaum sollte es 1945 wieder auf dem Marktplatz geben.
Am 28. Dezember 1945 wurde eine vorläufige Verfassung für die Stadt, ergänzt durch eine Geschäftsordnung, verabschiedet, nach der es künftig 21 Gemeindevertreter geben sollte. Die ersten Wahlen auf kommunaler Ebene wurden dann am 15. September 1946 abgehalten.
Archivale 03/2020 - 175 Jahre Lauenburgische Gelehrtenschule (LG)
Mit einem Festakt in der Aula feierte die Lauenburgische Gelehrtenschule am 20. Oktober 2020 ihr 175-jähriges Bestehen. Am 20. Oktober 1845, 11 Uhr war die Lauenburgische Gelehrtenschule durch den Gouverneur und Landdrosten Christian Graf von Rantzau im großen Hörsaal der alten Domschule eröffnet worden. Mit sieben Lehrern und neunzig Schülern wurde der Unterricht damals aufgenommen. Der erste Direktor der Schule (1845-1868) war Professor Christian Ludwig Enoch Zander, der zuvor bereits 16 Jahre an der Domschule unterrichtet hatte. Obwohl die Schule 1845 neu gegründet wurde, hat sie sich doch stets als Nachfolgerin der Domschule verstanden, die im Mittelalter in enger Verbindung mit dem Kloster gestanden hatte. In den ersten vier Jahren fand der Unterricht noch in den früheren Räumen statt, ehe am 8. Oktober 1849 das neue Schulgebäude an der Demolierung eingeweiht werden konnte (heute Rathaus).
Die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte und Tradition hat bis heute einen besonderen Stellenwert für die Lauenburgische Gelehrtenschule. Die Geschichte der Schule angemessen darzustellen, ist in dieser Rubrik nicht der Platz. Die Quellen zur Schulgeschichte sind ohnehin vor allem im Kreisarchiv und in der Schule selbst zu finden, da die Gelehrtenschule bis 2009 in der Trägerschaft des Kreises Herzogtum Lauenburg stand und erst danach von der Stadt Ratzeburg übernommen wurde. Dennoch werden auch im Stadtarchiv Unterlagen zur Schulgeschichte gesammelt, wie zum Beispiel die Festschriften zu den früheren Jubiläen, die wir hier vorstellen möchten.
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Schule erschien 1896 die von Gymnasialdirektor Julius Waßner herausgegebene „Geschichte der ersten Jahre der Lauenburgischen Gelehrtenschule“. Ursprünglich sollte dieser historische Rückblick, der vor allem die Gründungsphase ausführlich darstellt, bereits zur Jubiläumsfeier am 20./21. Oktober 1895 vorliegen, „durch Hindernisse zurückgehalten“ erschien sie dann aber erst als Beilage zum Jahresbericht der LG 1896. Wertvoll sind für uns heute besonders das Verzeichnis der Direktoren und Lehrer (mit biographischen Angaben) sowie eine Zusammenstellung der Abiturienten.
Als „Jubiläums-Schrift für den 75jährigen Gedenktag der Gründung der Lauenburgischen Gelehrtenschule Gymnasium zu Ratzeburg“ erschienen 1920 vier Schulreden herausgegeben von Gymnasialdirektor Professor Paul-Berthold Schmidt. Der Titel „Als die Sonne sank, - aus Deutschlands Dämmerung“ weist sehr deutlich darauf hin, dass dieses Jubiläum durch den Eindruck des verlorenen Ersten Weltkrieges und die Trauer um zahlreiche Schüler und Lehrer geprägt war, die im Krieg ihr verloren hatten. Die Zusammenstellung dieser hundert Namen schließt die Festschrift.
Mit einem Totengedenken beginnt die nächste Festschrift. Oberstudiendirektor Adolf Tredup schreibt einleitend: „Der Gründungstag unserer Schule ist der 20. Oktober 1845. Diesen Tag konnten wir nach 100 Jahren nicht feiern; die Gründe lagen auf der Hand; es war das traurigste Jahr unserer Geschichte. Die Schule hatte ihre Pforten für immer geschlossen“. So nahm man das Einweihungsdatum des Schulbaus Unter den Linden (8. Oktober 1849) zum Anlass, das Jubiläum 1949 nachzuholen.
1995, zum 150-jährigen Bestehen, erschien die nächste Festschrift, die in zahlreichen Beiträgen unterschiedliche Aspekte des früheren wie des gegenwärtigen Schullebens aufgreift. Die Festschrift schließt mit einem Beitrag von Hartwig Fischer zur der Frage „Quo vadis, Lauenburgische Gelehrtenschule?“ – Denn angesichts der Diskussion um eine Übertragung der Schulträgerschaft und der Errichtung eines Gymnasiums in Mölln befand sich die LG in unruhigem Fahrwasser.
Das 175-jährige Jubiläum stand deutlich unter dem Zeichen der Auswirkungen der Corona-Pandemie, mit einer stark beschränkten Zahl von Gästen und weiten Abständen zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Festveranstaltung. Gerade die Schulen stehen angesichts der gegenwärtigen Einschränkungen vor besonderen Herausforderungen. Angesichts der Tatsache, dass die Schule in langen und wechselvollen Geschichte auch schwierige Phasen erfolgreich bewältigt hat, kann man aber zuversichtlich sein, dass auch diese Aufgabe gemeistert wird.
Die Lauenburgische Gelehrtenschule, der viele Menschen in Ratzeburg und im Kreis Herzogtum Lauenburg eng verbunden sind, ist auch für die Zukunft alles erdenklich Gute zu wünschen.
Archivale 04/2020 - 30 Jahre Deutsche Einheit - 30 Jahre Städtepartnerschaft Ratzeburg - Schönberg
Der 9. November 1989 und die darauf folgenden Tage sind für diejenigen, die sie in der Nähe der ehemaligen Grenze miterleben konnten, mit tiefen Emotionen verbunden. 86 Kilometer innerdeutsche Grenze hatten jahrzehntelang den Kreis Herzogtum Lauenburg vom benachbarten Mecklenburg getrennt. Die Existenz der innerdeutschen Grenze hatte historisch gewachsene Verbindungen unterbrochen, familiäre und freundschaftliche Kontakte zerschnitten und sich auch erheblich auf die Wirtschaftsstruktur und die wirtschaftliche Entwicklung des Kreises in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewirkt. Vor allem in Ratzeburg war immer wieder davon die Rede, dass nach Osten hin das Umland fehle. So war gerade hier die Euphorie in den Novembertagen des Jahres 1989 besonders spürbar, als die Mauer fiel und die Grenze offen stand.
Kurz nachdem sich die Meldung von der Pressekonferenz Günter Schabowskis verbreitet hatte, wurden auch zwischen dem Kreis Herzogtum Lauenburg und dem benachbarten Mecklenburg die Grenzübergänge geöffnet. Für unsere Stadt war die Öffnung der Bundesstraße 208 zwischen Mustin und Gadebusch am Sonntag, d. 12. November ein besonderer Höhepunkt dieser ereignisreichen Tage. Tausende fuhren am 12. November 1989 nach Mustin, um dort die Grenzöffnung mitzuerleben. Die lange getrennten Nachbarn aus Ost und West feierten ein spontanes Volksfest (siehe Archivale 2/2009).
Schon in den ersten Wochen nach der Grenzöffnung wurden nicht nur private, sondern auch zahlreiche offizielle Kontakte geknüpft. Viele Vereine, Institutionen und Kommunen suchten Verbindungen und Partnerschaften. Im kulturellen Bereich nutzte Ratzeburgs Kirchenmusikdirektor Neithard Bethke die Chance Bindungen zu knüpfen bzw. zu vertiefen. Die Ratzeburger Domgemeinde und die Gemeinde in Schönberg feierten in Schönberg am Heiligabend gemeinsam einen Gottesdienst, den Pastor Voß und Domprobst Uwe Steffen gestalteten. Weihnachten und Silvester brachten noch einen besonderen Schwung in den Aufbau von Beziehungen zwischen den Nachbarn in Ost und West, da für die West-Bürger ab Weihnachten ein Besuch in der DDR ohne Visum und Zwangsumtausch möglich war. So konnten dieses Mal die Bundesbürger durch „ein Spalier der Freude“ fahren und wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1989 überschwänglich an der DDR-Grenze begrüßt. Über eine Million Menschen nutzten die Festtage zu einem Kurzbesuch in der DDR.
Zahlreiche Kommunen der benachbarten Kreise in Ost und West begaben sich schon in den Novemberwochen des Jahres 1989 auf Partnersuche. Zwischen Schönberg und Ratzeburg war eine Basis längst gelegt. Erste Initiativen, mit der Stadt Schönberg wegen einer Städtepartnerschaft ins Gespräch zu kommen, gab es im hiesigen Ausschuss für Fremdenverkehr und Kultur bereits im Herbst 1987. Der Magistrat fasste einen entsprechenden Beschluss am 11. Januar 1988. Auch in Schönberg hatte sich die Stadtverordnetenversammlung positiv zu einer Städtepartnerschaft geäußert. So waren erste Fäden geknüpft als es in den Wochen nach der Grenzöffnung zahlreiche gegenseitige Besuche gab. Ein offizieller Antrag der Stadt Schönberg für eine Städtepartnerschaft ging am 19. Dezember 1989 in Ratzeburg ein. Die städtischen Gremien stimmten der Partnerschaft im Frühjahr 1990 zu und am 7. Oktober 1990, nur vier Tage nachdem die deutsche Einheit vollzogen war, wurden im Ratssaal des Ratzeburger Rathauses die Partnerschaftsurkunden unterzeichnet.
Der 7. Oktober war auch der Gründungstag der DDR. Darauf wies Schönbergs Bürgermeister Rudolf Volk in seiner Rede hin: „Dass es nun das Datum einer Städtepartnerschaft ist, ist ein Grund mehr, das nicht zu vergessen.“ Durch die Grenzöffnung und die Entwicklung, die in den darauf folgenden Monaten und Jahren in ganz Europa stattgefunden hatte, lagen Ratzeburg und der Kreis Herzogtum Lauenburg nicht mehr am Rand zum „Eisernen Vorhang“, sondern wieder „mitten drin“ in Europa.
Archivale 05/2020 - 65 Jahre Bundesgrenzschutz / Bundespolizei in Ratzeburg
Die Bundespolizeiabteilung konnte in diesem Jahr das 65-jährige Bestehen des Standortes Ratzeburg feiern. „Mit offenen Herzen freudig aufgenommen“ – so lautete die Überschrift in der lokalen Presse zum Einzug der ersten Hundertschaft des Bundesgrenzschutzes am 15. Juni 1955. Mit großer Begeisterung, fast überschwänglich begrüßte die Ratzeburger Bevölkerung diesen langersehnten und in langwierigen Verhandlungen vorbereiteten Moment.
Hohe Erwartungen waren seinerzeit an die Einrichtung des Standortes Ratzeburg geknüpft worden. Durch die Grenzziehung zwischen beiden deutschen Staaten war Ratzeburg in eine Randlage geraten, die fatale Auswirkungen auf die Entwicklung der Stadt hatte. Viele Verantwortliche hofften ebenso wie der größte Teil der Bevölkerung, dass durch den Standort ein wichtiger Impuls für die Stadt ausgehen möge. Die weitere Entwicklung des Standortes hat die Hoffnungen mehr als erfüllt.
Wie eng die Verbindung zwischen Stadt und Standort ist, hat sich gerade in den Momenten gezeigt, als der Standort zur Disposition stand. Der historische Moment der Grenzöffnung und der Prozess der Wiedervereinigung, den die Ratzeburger miterleben durften, erfüllte viele mit unbeschreiblicher Freude. Rasch wurde aber auch deutlich, dass dieser weltgeschichtliche Prozess für Struktur und Aufgaben des Bundesgrenzschutz nicht ohne Folgen bleiben würden. Dass Ratzeburg als Standort erhalten blieb, war auch dem Engagement von Politik, Verwaltung, Bürgerschaft und zahlreichen Institutionen zu verdanken.
Die Bundespolizei, aus dem früheren Bundesgrenzschutz hervorgegangen, ist zu einem festen Bestandteil des Gemeinwesens geworden. Als Arbeitgeber, Wirtschaftsfaktor und unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Lebens genießt die Bundespolizeiabteilung in der Stadt höchste Wertschätzung und Anerkennung. Die Angehörigen der Abteilung engagieren sich in vielfältiger Weise in Vereinen und Institutionen.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen der Bundespolizeiabteilung und der Stadt ist bis heute stark. Die Bewohner Ratzeburg bringen der Bundespolizeiabteilung hohes Vertrauen entgegen.
Mit den aktuellen Erweiterungsplänen sind die Weichen auch für die Herausforderungen der Zukunft gestellt.
Archivale 06/2020 - Jahresbericht der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) 1903
Die Lauenburgische Gelehrtenschule, die als Nachfolgerin der Ratzeburger Domschule 1845 gegründet wurde, ist sich ihrer weit zurückreichenden Tradition bewusst. Mit der Zander-Bibliothek, die auf den ersten Direktor der LG, Christian Ludwig Enoch Zander zurückgeht, besitzt die Schule einen besonderen Schatz. Auch zur Schulgeschichte verfügt die Gelehrtenschule über eine umfangreiche Sammlung. Der Aktenbestand des Stadtarchivs zur LG ist dagegen überschaubar, da die Schule seit ihrer Gründung in der Trägerschaft des Kreises stand. Erst 2009 übernahm die Stadt Ratzeburg die Schule. Trotz ist es dem Stadtarchiv ein besonderes Anliegen, die Geschichte des Gymnasium zu dokumentieren. Neben den Chroniken zur Schulgeschichte sind zu diesem Zweck vor allem die Jahresberichte der Schule von Interesse. Der bisherige Bestand konnte durch eine private Zuwendung in diesem Jahr erweitert werden. Die Berichte für die Schuljahre 1903, 1904 und 1905 stammen aus der Familie des damaligen Direktors Prof. Dr. Karl Rittweger (1859-1922, Direktor der LG 1903-1906).
Die Jahresberichte bieten aufschlussreiche Informationen über die Lehrpläne, die Aufsatz- und Abiturthemen sowie die Neuanschaffungen von Unterrichtsmaterialien. Eine ausführliche Jahreschronik ist ebenso enthalten wie eine Übersicht der Abiturienten und ein Schülerverzeichnis. Im Jahresbericht von 1903 findet sich eine Würdigung des scheidenden Direktors Dr. Wassner wie auch die Antrittsrede des neuen Direktors Prof. Dr. Rittweger. Einen Blick lohnen auch die kurzen Mitteilungen an die Eltern am Schluss des Jahresberichts, wie z. B. die Folgende: “Die Eltern werden wie bisher gebeten, ihre Knaben mindestens bis zur Obertertia die Schulbücher nur im Ränzel zur Schule bringen zu lassen, da nur diese Art, die Bücher zu tragen, den heranwachsenden Knaben keinen körperlichen Schaden bringt.“
Archivalen 2019
Archivale 01/2019 - Amtliches Kneip-Blatt des »Stenographen-Vereins Gabelsberger«
Für die europäischen Nationalsprachen wurden zuerst in den Kanzleien in Frankreich und England im 16. Jahrhundert Kurzschriften entwickelt, später auch in Deutschland. Bis in das 19. Jahrhundert existierten verschiedene Kurzschriftsysteme.
Das mit Abstand erfolgreichste System erfand der Münchener Ministerialsekretär Franz Xaver Gabelsberger (1789-1849), der eine „Anleitung zur Redezeichenkunst oder Stenographie“ veröffentlichte. Seine Schrift verlief wie die Schreibschrift in einheitlicher Richtung und ließ sich flüssiger schreiben als beispielsweise die winklige und eckige englische Kurzschrift.
Aus Gabelsbergers Kurzschrift und der Kurzschrift von Stolze und Schrey wurde 1924 die Deutsche Einheitskurzschrift entwickelt.
Stenographie war sowohl in den Parlamenten, als auch in den kommunalen und staatlichen Verwaltungen sowie in der sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft des 19. Jahrhundert eine gesuchte Fähigkeit. Viele Stenographen schlossen sich zu Vereinen zusammen.
Auch in Ratzeburg gründeten sich Stenographenvereine, einer nach dem System Stolze-Schrey (Stadtarchiv Nr. 6580) und einer nach dem System Gabelsberger (Stadtarchiv Nr. 6579)
Bei den Zusammenkünften tauschte man sich nicht nur über Fachliches aus, er wurde auch gefeiert. Der Ratzeburger Verein kam am 24. September 1905 zu einem Kommers im Hotel Ratskeller am Markt zusammen und gab aus diesem Anlass ein „Amtliches Kneipblatt“ heraus, das in der Aufmachung der lokalen „Lauenburgischen Zeitung“ nachempfunden war. Auf dem Titel ist ein Porträt Franz Xaver Gabelsbergers zu sehen, daneben ist ein Gedicht von ihm abgedruckt, das seine Lebensmaxime beschreibt:
„Idee und Wort im Flug der Zeit / ans Räumliche zu binden / sucht‘ ich mit ernster Tätigkeit / ein Mittel zu ergründen / Und was ich fand, das gab ich hin / um Nutzen zu verbreiten / O, möge stets ein gleicher Sinn / Auch meine Schüler leiten.“
Neben kurzen humorvollen Mitteilungen über Vereinsmitglieder und einen Ausflug der „Musikabteilung“ in das benachbarte Einhaus, sind auch Trinklieder für den Abend zufinden, von denen die meisten aus der studentischen Tradition stammen („Ergo bibamus“, „Im schwarzen Walfisch zu Askalon“ oder „Einst hat mir mein Leibarzt geboten“),
Das Dokument, das dem Stadtarchiv aus einem privaten Nachlass überlassen wurde, ist ein Zeugnis einer lebendigen Vereinskultur, die in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg auch in Ratzeburg eine besondere Blütezeit erlebte.
Archivalen 2018
Archivale 01/2018 - Die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Ratzeburg
Glücklicherweise finden immer wieder interessante Dokumente ihren Weg in unser Stadtarchiv, sei es aus privater Hand, sei es aus den Aktenschränken von Vereinen, Firmen oder Institutionen.
Vor kurzem erhielt das Archiv für seinen Sammlungsbestand ein Schreiben des Magistrats vom 4. Juli 1866, in dem die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Ratzeburg genehmigt wird.
Damit konnte die Freiwillige Feuerwehr Ratzeburg ihre Tätigkeit aufnehmen. Bis dahin war der Brandschutz Aufgabe aller Bürger gewesen. Verantwortlich für die Organisation und den Einsatz waren die sechs Feuergreven, deren Amt hohes Ansehen genoss. Sie kontrollierten die Gebäude, die Feuerstätten und alle Geräte und Vorrichtungen, die in jedem Haus zur Bekämpfung von Bränden vorhanden sein mussten.
Im 19. Jahrhundert erforderten neue Formen der Brandbekämpfung eine bessere Übung und Organisation der eingesetzten Kräfte. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland vielerorts Freiwillige Feuerwehren gegründet.
In Ratzeburg schlossen sich 1866 bereits 55 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr an, ihr erster Hauptmann war der Schornsteinfegermeister Broschmann, dem 1867 der Maurermeister Vollmar folgte.
Aus dem Hand- und Adressbuch von 1872 erfahren wir Folgendes über die Ausrüstung der Anfangsjahre:
„Die Feuer-Lösch-Anstalten der Stadt bestehen aus drei großen Spritzen, von denen die eine als Zubringer verwendet werden kann, nebst den dazu erforderlichen Schläuchen und sonstigen Apparaten; aus zwei kleineren Spritzen (Geschenk der Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft) nebst Schläuchen und Apparaten; aus drei großen Wasserwagen, jeder mit zwei Fässern nebst Trichtern und Abzugsröhren; aus 113 ledernen und 46 blechernen Feuereimern; aus 7 hölzernen Handspritzen, 10 Feuerhaken, 9 Feuerleitern, 3 großen Wasserschleifen und sonstigen kleineren Utensilien. Im Verwahrsam der im Jahre 1866 sich neu und freiwillig constituierten Feuerwehr befindet sich eine, zum größten Theil von der Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft der Stadt für diesen Verein geschenkte neue Feuer-Saug- und Druck-Spritze sammt dazu gehörigen Schläuchen und Apparaten; außerdem 6 Stück von der Feuerwehr selbst angeschaffte zweirädrige Wasserkufen und sonstige zweckmäßige Apparate.“
Was die Ausrüstung und die Mittel angeht, die für die vielfältigen Aufgaben der Feuerwehr zur Verfügung stehen, hat sich seit 1866 sehr viel verändert. Das Wesentliche aber hat nach wie vor Bestand: Seit über 150 Jahren leistet die Freiwillige Feuerwehr engagiert ihren Dienst für die Stadt und ihre Bewohner!
Archivale 02/2018 - Ruderakademie Ratzeburg - vor 50 Jahren feierlich eröffnet
Vor 50 Jahren, am 19. April 1968, wurde die Ruderakademie Ratzeburg (RAR) feierlich eröffnet. Dieses Jubiläum haben wir zum Anlass genommen, die Historie dieser Einrichtung einmal genauer zu betrachten.
Wenn man ganz exakt ist, beginnt alles vor ca. 15.000 Jahren mit der Weichsel-Kaltzeit. Durch das Abschmelzen des Gletschereises entstand der heutige Naturpark Lauenburgische Seen, zu dem auch der Ratzeburger See gehört. Durch das Aufschütten von Dämmen wurde das Seegebiet in den Großen Ratzeburger See, den Domsee sowie den Großen und Kleinen Küchensee aufgeteilt – ein ideales Zentrum für alle Wassersportler – insbesondere für Ruderer.
Karl Adam etabliert den Rudersport in Ratzeburg
Die Gründung der Lauenburgischen Gelehrtenschule im Jahr 1845 sowie der eigenen Ruderriege rund 40 Jahre später ebneten den Weg für den Rudersport in Ratzeburg. 1948 wurde mit der Anstellung von Karl Adam als Lehrer und Ruderprotektor an der Lauenburgischen Gelehrtenschule der Grundstein für die späteren sportlichen Erfolge gelegt. Der „Ruderprofessor“ revolutionierte mit seinen Trainingsmethoden den Rudersport und initiierte im Jahr 1953 die Gründung des Ratzeburger Ruderclubs (RRC). 1960 in Rom führte Adam den Deutschland-Achter mit fünf Ratzeburger Ruderern zum Olympiasieg. Vier Jahre später bei den Olympischen Spielen gewann das DRV-Flaggschiff unter seiner Leitung die Silbermedaille.
Diese sportlichen Erfolge sorgten für internationale Anerkennung und waren 1965 Auslöser für die Stadt Ratzeburg, das Land Schleswig-Holstein und den Bund mehr in die Sportförderung zu investieren. Auch der Deutsche Ruderverband erkannte in Ratzeburg einen optimalen Standort für eine Ruderakademie als Bundesleitungszentrum. Dank der Zonenrandlage konnte die Stadt als Eigentümer den Neubau mit hohen Landes- und Bundeszuschüssen finanzieren.
Modernisierung in den 90er Jahren
Während der dreijährigen Planungs- und Bauphase wurde zunächst ein provisorischer Lehrgangsbetrieb in Baracken am Großen Ratzeburger See aufgenommen. 1968 konnte der Neubau der RAR mit insgesamt 31 Betten eröffnet werden. Anfang der 90er Jahre wurde die Akademie mit den letzten Mitteln der Zonenrandförderung modernisiert. Die Verpflegung wird ausschließlich aus eigenen Ressourcen gestemmt. „Wir haben insgesamt acht Mitarbeiter in der Küche und im Housekeeping, die die Sportler und Seminarteilnehmer bestens versorgen und auf individuelle Bedürfnisse eingehen“, erklärt Reinhart Grahn, Leiter der Ruderakademie und Fachvorsitzender des Ressorts Bildung, Wissenschaft und Forschung.
A-Mannschaft bereitet sich in Ratzeburg vor
Nach der Wiedervereinigung kam der Skull-Bereich fest nach Ratzeburg. „Unter der Leitung von Lothar Trawiel nahm der in der Ruderakademie beheimatete Bundesstützpunkt Ratzeburg/Hamburg eine erfreulich positive Entwicklung“, erinnert sich Grahn. Im Jahr 2002 wurde das Sportinternat Ratzeburg in Trägerschaft des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein gegründet. Als Standort entschied man sich für die Ruderakademie, wo heute in der Regel zwischen sechs bis acht Nachwuchsathleten wohnen und trainieren. Am Wochenende und seit 2009 auch in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung vor Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen trainiert die A-Nationalmannschaft in Ratzeburg. Auch die U23 holt sich dort jedes Jahr vor dem Saisonhighlight den letzten Feinschliff für eine erfolgreiche WM-Teilnahme. „Leider können wir der U19-Nationalmannschaft kein passendes Zeitfenster für deren WM-Vorbereitung anbieten, da diese parallel zu der der U23 verläuft und die Ruderakademie somit in diesem Zeitraum immer ausgebucht ist“, so das Präsidiumsmitglied.
Mit Meike Evers-Rölver, Lauritz Schoof und Florian Mennigen hat Ratzeburg in den letzten zwei Jahrzehnten auch drei „eigene“ Olympiasieger hervorgebracht. Evers-Rölver gewann sowohl 2000 in Sydney als auch 2004 in Athen Gold im Frauen-Doppelvierer. Acht Jahre später in London wurde Florian mit dem Deutschland-Achter Olympiasieger, Lauritz ruderte mit dem Doppelvierer ebenfalls zu Gold. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio konnte Lauritz den Titel verteidigen. „Damit konnte die Tradition der Ratzeburger Golderfolge der 60er Jahre erfolgreich wieder aufgenommen werden“, erklärt Reinhart Grahn.
Schon früh wurde klar, dass neben dem hochleistungssportlichen Betrieb ein weiteres Standbein von Nöten sei. Deshalb sprach man schon damals davon, „die Ruderakademie als eine geistige Begegnungsstätte etablieren zu wollen“, erzählt Grahn. Der Bereich Bildung wurde über die Jahre hinweg immer weiter ausgebaut. Vor einigen Jahren wurde das DRV-Fachressort Bildung, Wissenschaft und Forschung schwerpunktmäßig nach Ratzeburg verlegt und mit einer hauptamtlichen Stelle eines Referenten Bildung versehen. Heute ist die Ruderakademie eine feste Institution für Weiterbildung und Seminare, die insbesondere in den Wintermonaten, in denen der Ruderbetrieb witterungsbedingt nur eingeschränkt stattfinden kann, für eine angemessene Auslastung sorgen.
Regelmäßiger Besuch von Ministerpräsidenten
Das Land Schleswig-Holstein weiß als finanzielle Zuwender die Arbeit der RAR sehr zu schätzen. Besuche der jeweiligen Ministerpräsidenten bestätigen dies. „Wir freuen uns immer wieder, wenn uns die Ministerpräsidenten einen Besuch abstatten und sich die Akademie anschauen“, so Grahn und ergänzt. „Wir sind das High-Performance-Center im echten Norden, Rudern ist hier oben ganz klar – gemessen an den olympischen Erfolgen - die Sportart Nummer eins.“
Ansprechpartner der Ruderakademie:
Reinhart Grahn – Leitung
Susanne Illmann – Verwaltung und Terminbuchungen
Angelika Stock – Leitung Hauswirtschaft
Andreas König – Referent für Bildung
Dirk Spierling – Hausmeister
Kay-Uwe Brodersen – Bootsmeister
Archivale 03/2018 - Die »Frage-Bibel« des Pastors Johann Cyriakus Höfer
Quiz-Shows aller Art beherrschen das Fernsehprogramm, und Quiz-Duelle auf dem Smartphone erfreuen sich großer Beliebtheit. Offenbar begeistern sich die Menschen für Frage-und-Antwort-Spiele aller Art. Das über 360 Jahre alte Buch, das wir hier näher vorstellen, zeigt, dass diese Faszination nicht nur eine Erscheinung der Gegenwart ist.
Der Autor Johann Cyriakus Höfer war evangelischer Pastor und Verfasser theologischer Schriften. Er stammte aus einer Pastorenfamilie und war um 1605 in Großwerther geboren worden. Während des Dreißigjährigen Krieges war Höfer nach Mecklenburg gelangt. 1623 nahm er sein sein Studium auf, das ihn nach Leipzig und Königsberg führte.
1639 gründete er eine Familie und wurde Pastor in Kalkhorst, im äußersten Nordwesten Mecklenburgs. Bis zu seinem Tod am 1. Februar 1667 blieb er in diesem Amt.
Von seinen theologischen Texten haben zwei größere Bedeutung erlangt. Das war zunächst sein Buch „Himmelsweg, das ist wie ein Kind in 24 Stunden lernen kann, wie es soll der Höll‘ entgehen und selig werden“, das einen ethisch-pädagogischen Anspruch verfolgte und in den folgenden Jahrhunderten immer wieder neu herausgegeben wurde.
Das zweite Buch, das weitere Verbreitung fand, war die „Frage-Bibel“. Höfer wollte damit eine didaktische Unterstützung für „Hausväter“, Lehrer und Studierende bieten. In seiner Einleitung berichtet der Autor, „daß die Jugend auff das Lesen der heiligen Bibel nicht sonderlich Achtung gebe / wenn sie nicht alsobald nach dem Lesen examiniert werde“.
Außerdem sei das „menschliche Gedächtniß viel zu wenig und schwach […] alles zu fassen / und zu behalten / was in derselbigen auffgezeichnet ist“.
Die „Frage-Bibel“ ist nach den Büchern der Bibel und deren Kapiteleinteilungen geordnet. Zu den jeweiligen Abschnitten werden die entsprechenden Fragen und Antworten aufgeführt. Höfer hat sein Buch so aufgebaut, dass „auch ein gar einfältiger Mensch solche leicht fassen und behalten / Rede und Antwort davon haben kann“. Daraus ergebe sich eine „Aufmunterung“, „damit wir das fürnembste […] behalten“. Denn die Bibel sei „unter allen Büchern / so unter der Sonnen zu finden / das aller herzlichste / köstlichste / nützlichste und tröstlichste Buch“.
In mecklenburgischen Kirchengemeinden wurde Höfers „Frage-Bibel“ zu einem Standardwerk im Konfirmandenunterricht.
Die Druckerei auf dem Ratzeburger Domhof, bei der das Buch gedruckt wurde, hat rund 150 Jahre bestanden. Gegründet wurde sie von dem Lübecker Bürger und Buchhändler Ulrich Wetstein, der 1662 durch den mecklenburgischen Herzog Christian das Privileg erhielt, in der Kapitelstube des ehemaligen Domherrenstiftes eine Druckerei zu betreiben.
Da Wetstein selbst kein Drucker war, sondern als Unternehmer und Verleger auftrat, stellte er den Drucker Niclas Nissen aus Schleswig ein, der den Betrieb führte, später in die Familie Wetstein einheiratete und 1669 sein Privileg erhielt. In der Druckerei auf dem Domhof wurden neben behördlichen Schreiben vor allem theologische Schriften gedruckt.
Niclas Nissen starb 1688. Seine Witwe führte die Druckerei zunächst drei Jahre allein weiter, ehe sie den Drucker Sigismund Hoffmann ehelichte. Bis 1811 hat der Betrieb auf dem Domhof existiert. Drei Jahre später wurde in der Stadt Ratzeburg die Freystatzkysche Druckerei gegründet, die bis in die 1950er Jahre existierte.
Archivale 04/2018 - 100 Jahre Frauenwahlrecht - ein Blick auf Ratzeburg
Das Jahr 1919 war quasi ein „Super-Wahljahr“ – innerhalb weniger Wochen standen für die Weimarer Nationalversammlung (19. Januar 1919), die verfassunggebende preußische Landesversammlung (26. Januar 1919) und die kommunalen Vertretungen an. Für alle drei Wahlen besaßen die Frauen erstmals das aktive und das passive Wahlrecht. Die Wählerinnen stellten darüber hinaus eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten, denn 18 Mio. wahlberechtigten Männern standen 21 Mio. wahlberechtigte Frauen gegenüber.
Auch in der „Lauenburgischen Zeitung“ (LZ), die in Ratzeburg erschien, widmeten sich einige Artikel und Kommentare diesem Novum. „Die Frau im neuen Staate – Betrachtungen über das Frauenwahlrecht“ war der Leitartikel in der LZ am 7. Januar 1919 überschrieben. Der Autor war sich des Einflusses der Frauen bewusst: „Ihre Stimmen werden ausschlaggebend für die innerpolitische Zukunft des Reiches sein.“ Was das politische Bewusstsein der Frauen angeht, glaubte der Verfasser des Artikels zwischen sozialdemokratisch und bürgerlich geprägten Frauen unterscheiden zu können:
„Wie die Dinge nun einmal liegen, wird heute in bürgerlichen Kreisen die Frau mit dem Gatten, die Tochter mit dem Vater, die Braut mit dem Bräutigam stimmen. Was aber tut die große Masse der Alleinstehenden?“ – Der Kommentator vermutete: „Diejenige Partei, die der eigenen Lebensauffassung am nächsten kommt, wird sich die Frau anschließen, ihren Kandidaten die Stimme geben müssen.“ Der Autor schließt mit der Aufforderung an alle Wählerinnen, sich eingehend zu informieren, das Wahlrecht als „Wahlpflicht“ zu verstehen und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein.
Dass dem Wahlverhalten der Frauen erhebliches Gewicht zukommen würde, war offenbar auch den Parteien klar, die ihre Wahlkampfaufrufe stets an alle „Wählerinnen und Wähler“ oder an die „Männer und Frauen“ richten (Beispiele: Annoncen der DDP und der DVP in der Ausgabe der LZ am 1. Januar 1919).
Direkt an die „Lauenburger Frauen und jungen Mädchen in Stadt und Land“ richtete sich der Wahlaufruf der DNVP (LZ am 10. Januar 1919), in der die Partei zur Mitarbeit aufruft und den Wählerinnen einschärft, dass in ihren Händen das „Schicksal Deutschlands“ liege – „Es geht um die Zukunft Eurer Kinder!“ Um diese Aufforderung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hat die Partei an den Rand den Hinweis drucken lassen „Aufbewahren! Täglich lesen!“
Die Ortsgruppe Ratzeburg des parteilosen „Deutschen Frauenbundes“ weist in ihren Flugblättern die Wählerinnen auf die Pflichten hin, die „ihnen aus der Wahl zur Nationalversammlung erwachsen“. Während der Redner der DDP (LZ am 16. Januar 1919) „freudig den Eintritt der Frauen in den Wahlkampf begrüßt“ und hofft, dass „durch ihr Mitwirken ein neues sittliches Geschlecht herangezogen werde“, weist der SPD-Wahlkämpfer Heinrich Kürbis darauf hin, dass die anderen Parteien „allesamt noch im Januar 1918 Gegner des jetzt so schwer ins Gewicht fallenden Frauenstimmrechts gewesen“ seien (LZ am 18. Januar 1919).
In die Nationalversammlung wurden schließlich 37 Frauen (von 423 Abgeordneten) gewählt (19 MSPD, 3 USPD, 5 DDP, 6 Zentrum, 3 DNVP, 1 DVP), das sind 8,7% der Abgeordneten. Heute noch bekannte Namen sind Getrud Bäumer (DDP), Marie Juchacz (SPD, Mitgründerin der Arbeiterwohlfahrt) und Helene Weber (Zentrum, später CDU). Der Anteil der Frauen unter den Abgeordneten in der preußischen Landesversammlung war ähnlich: 26 von 401.
Die „Lauenburgische Zeitung“ nahm das Thema Frauenwahlrecht nach den Wahlen noch einmal auf – Unter der Titelzeile „Frauenstimmrecht überall – Wie es ward und wirkt“ konstatiert der Leitartikel, „durch die Teilnahme der Frauen an der Wahlhandlung“ hätten die Wahlen „ihr eigentliches Gepräge erhalten“. Das Frauenstimmrecht habe einen „sänftigenden, wohltätigen Einfluss auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens.“ Der Autor wirft einen Blick auf Länder, die auf eine längere Geschichte des Frauenstimmrechts zurückblicken konnten wie Wyoming (1869), Australien oder die skandinavischen Länder und schließt mit der Feststellung, dass dort das „Familienleben nicht durch politische Betätigung gelitten“ habe.
Ob sich diese Überzeugung schon verbreiten konnte, zeigt sich am besten an der politischen Betätigung in den kommunalen Vertretungen. Der bereits erwähnte „Deutsche Frauenbund“ bot am 12. Februar 1919 einen Vortragsabend zum Thema „Die Frau in der Gemeindevertretung“ an, mit der „ausgezeichneten Rednerin“ Martha Voß-Zietz (M. Voß-Zietz, 1871 in Hamburg geboren, hatte sich ursprünglich auf dem radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung für das Stimmrecht der Frauen engagiert, vertrat aber seit dem Ersten Weltkrieg zunehmend nationalistische Positionen und gehörte der Vaterlandspartei an. Von 1915 bis 1922 leitete sie den Verband der deutschen Hausfrauenvereine). Ein weiterer Vortrag des Frauenbundes rückte das Thema „Die Frau in Volkswirtschaft und Staat“ in den Mittelpunkt.
Die ersten Stadtverordnetenwahlen, bei denen Frauen das aktive und das passive Wahlrecht besaßen, fanden am 2. März 1919 statt. In Ratzeburg konnten sich die Wählerinnen und Wähler zwischen zwei bürgerlichen und einem sozialdemokratischen Wahlvorschlag entscheiden.
Die Sozialdemokraten hatten auf ihrer 18 Personen umfassenden Liste (“Liste Schwasta“) zwei Frauen aufgestellt, die Verkäuferin Marie Linke (Platz 2) aus der Seestraße 260 und die Ehefrau Else Böhmer (Platz 10) aus der Fischerstraße. Auf der Liste, die von Rektor Heinrich Grimm angeführt wurde, standen drei Kandidatinnen: Johanna Rohwedder, die Ehefrau des Medizinalrates Rohwedder aus der Langenbrücker Straße 161 a (Platz 2), die Pastorenfrau Auguste Stammer aus der Gr. Kreuzstr. (Platz 7) und die Lehrerin Elisabeth Dittmar aus der Bahnhofstraße (Platz 11). Die Liste des Seminarlehrers Berggreen wies nur eine Kandidatin auf, die auf dem 11. Listenplatz stand, die Ehefrau Minna Schlichting aus der Gr. Kreustr. 104. Beide bürgerlichen Listen umfassten jeweils 17 Personen.
Am Tag vor der Wahl erschien in der „Lauenburgischen Zeitung“ (1. März 1919) eine Anzeigen mit folgendem Wortlaut:
„An die Frauen. Herr Seminarlehrer Berggreen hat sich mehrmals gegen das Wahlrecht der Frauen ausgesprochen, und doch ist die Mitwirkung der Frauen in der Gemeindeverwaltung geradezu unentbehrlich. Keine Frau kann daher dem Wahlvorschlag Berggreen ihre Stimme geben. Dagegen wird die Frauenmitarbeit voll gesichert nur in dem Wahlvorschlag Rektor Heinrich Grimm. Ihm gehören alle Frauenstimmen.“
Bei der Wahl wurden insgesamt 1.593 Stimmen abgegeben. Die Liste Berggreen erhielt 586 Stimmen (7 Sitze), auf die Liste Grimm entfielen 531 Stimmen (6 Sitze) und für die sozialdemokratische Liste Schwasta stimmten 476 Wählerinnen und Wähler (5 Sitze).
Von 18 Stadtverordneten waren zwei Frauen: Johanna Rohwedder und Marie Linke. Nach der Chronik der Stadt (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, 2. Aufl. Ratzeburg 1929, S. 121) sind allerdings beide Frauen vor dem Ende der Wahlperiode ausgeschieden und machten „männlichen Stadtvertretern Platz“.
Die hier gezeigten Plakate entstammen einer Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Jubiläumsjahr des Frauenwahlrechtes unter dem Titel „Frauen im Aufbruch – Politische Plakate“. Sie präsentiert Werbung um die politische Beteiligung der Frauen in den drei wichtigen demokratischen politischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts… 1918/19 – „Die Einführung des Frauenwahlrechts“ … 1945/49 – „Trauer und Neuanfang“ … 1989/90 „Umbruch und Verstetigung“. Allgemeine Wahlaufrufe stehen dabei neben Werbeplakaten für verschiedene Parteien und Vereinigungen, an denen sich auch die Veränderungen des Rollenbildes der Frau im letzten Jahrhundert nachvollziehen lassen.
Archivalen 2017
Archivale 01/2017 - James Krüss und Ratzeburg
Vor zwanzig Jahren, am 2. August 1997, starb auf Gran Canaria der Dichter und Schriftsteller James Krüss. Bis heute werden vor allem seine Kinder- und Jugendbücher von vielen gelesen und geliebt. Dass eine seiner Lebensstationen James Krüss nach Ratzeburg geführt hat, ist allerdings kaum bekannt.
James Krüss war Helgoländer. Am 31. Mai 1926 wurde er auf der Nordseeinsel geboren. Nach dem Abschluss der Mittelschule wollte er Lehrer werden und besuchte zunächst die Lehrerbildungsanstalt (LBA) in Lunden (Dithmarschen), dann ab 1943 die LBA in Ratzeburg. 1944 wechselte Krüss an die Bernhard-Rust-Hochschule in Braunschweig, ehe er sich freiwillig zur Luftwaffe meldete.
Der einzige Beleg für seinen Aufenthalt in Ratzeburg ist seine Meldekarte in der alten Kartei des Einwohnermeldeamtes.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss James Krüss seine Lehrerausbildung zwar ab, war aber nie als Lehrer tätig. Schon 1946 veröffentlichte er sein erstes Buch. In der Folge erschienen zahlreiche Bilder-, Kinder- und Jugendbücher, Gedichtbände und Hörspiele. Für das Buch „Mein Urgroßvater und ich“ erhielt James Krüss 1960 den Deutschen Jugendbuchpreis, was ihn schlagartig bekannt machte. Sein wohl populärstes Werk ist „Timm Thaler“, das 1962 erschien.
Der Nachlass des Autors befindet sich heute auf Schloss Blutenburg im Westen Münchens. Auf Helgoland erinnert ein kleines James-Krüss-Museum an den berühmten Sohn der Insel.
Ratzeburg war schon im 19. Jahrhundert Zentrum der Ausbildung von Volksschullehrern. 1897 wurde das Gebäude des Lehrerseminars errichtet, in dem bis 1926 Volksschullehrer auf ihren Beruf vorbereitet wurden. Die Einrichtung wurde geschlossen, als man zu einer akademischen Ausbildung auch für die Volksschullehrer überging.
Die nationalsozialistische Schulpolitik lehnte diese akademische Ausbildung ab. Außerdem zeichnete sich in den in den 1930er Jahren ein Mangel an Volksschullehrern ab. Daher entstanden Pläne für die Einrichtung von Lehrerbildungsanstalten (LBA). Voraussetzung für den Besuch der LBA war der erfolgreiche Abschluss der 8-jährigen Volksschule. Ziel der LBA war es, „den nationalsozialistischen Volksschullehrer zu erziehen, der, im Volkstum wurzelnd, zum vollen Einsatz für Volk und Reich bereit ist.“ Die Schüler der LBA waren in Internaten untergebracht, die Ausbildung war stark militärisch ausgerichtet und von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt. Auch bestand eine sehr enge Verbindung zur Hitlerjugend (HJ).
1941 wurden die ersten LBA eingerichtet, darunter auch die LBA in Ratzeburg, die von April 1941 bis zum 1. März 1945 existierte. Die Unterbringung erfolgte in der 1937 errichteten Jugendherberge am Küchensee, der Unterricht fand in der alten Stadtschule (Schrangenstraße) statt.
Geschichten von James Krüss werden am 05. September 2017 um 15:00 Uhr im Leseclub der Stadtbücherei zu hören sein. Zum kostenlosen Bilderbuchkino ist jedes Kind ab 4 Jahre ohne vorherige Anmeldung herzlich willkommen und bekommt den eigenen Clubausweis!
Archivale 02/2017 - Der Buchhandel in Ratzeburg
In der Reihe „Archivale des Monats“ werden seit 2009 ausgewählte Stücke aus dem Stadtarchiv Ratzeburg vorgestellt. Ein Archivale (Plural: „Archivalien“) ist eine im Archiv aufbewahrte Unterlage. Archivalien sind Unikate (Einzelstücke), sie sind als Originale also nur einmal vorhanden.
Das Stadtarchiv Ratzeburg bewahrt neben solchen Archivalien im engeren Sinne allerdings auch andere Zeugnisse aus der Vergangenheit der Stadt auf. So befinden sich in der Archivbibliothek und im Sammlungsbestand zahlreiche interessante Stücke, die ebenfalls in dieser Reihe präsentiert werden. Ergänzt wird diese Reihe durch Beiträge geschichtsinteressierter Bürger, die eigene Bilder, Dokumente oder Erinnerungen beisteuern können.
Das Stadtarchiv Ratzeburg möchte auf diesem Wege möglichst vielen Interessierten besondere Einblicke in den Archivbestand ermöglichen und gleichzeitig, Anregungen zu eigener Beschäftigung mit der Geschichte unserer Stadt geben.
Archivale 02/2017 - Der Buchhandel in Ratzeburg
In einer Stadt wie Ratzeburg, deren Leben und Geschichte durch Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen sowie kirchliche Institutionen stark geprägt worden ist, spielte der Buchhandel fast selbstverständlich eine wichtige Rolle.
Über den Buchhandel in Ratzeburg ist in der Stadtchronik (hrsg. Von Dr. L. Hellwig, Ratzeburg, 2. Aufl. 1929) zu lesen:
„Es hatte wohl inneren Zusammenhang mit der Gründung der neuen Gelehrtenschule, dass sich Michaelis 1846 ein wirklicher Buchhändler in Ratzeburg niederließ. Bisher hatten die Buchbinder Caller und Thonagel Bücher besorgt und Kalender und Almanachs sogar auf Lager gehabt. Der neue Buchhändler gab sogleich umfangreiche Beilagen zur Zeitung, in denen er die neuesten Werke der Literatur und Kartographie bekannt machte und empfahl, errichtete Lesezirkel der verschiedensten Art, sogar fachwissenschaftliche, und legte eine Leihbibliothek an, aus welcher die Räuberromane verbannt waren und die dem guten Geschmacke dienen sollte. Auch war er nicht abgeneigt, kleine Broschüren, die hiesige Honoratioren zu Verfassern hatten, zu verlegen. Er selbst warf sich bald mit großem Eifer auf das Studium der Einrichtungen und Zustände im Herzogtum Lauenburg und machte sich verdient durch Herausgabe eines kleineren und größeren Hand- und Adressbuchs, sowie einer Gesetzsammlung […] Linsen starb 1871.“
Linsens Geschäft wurde eine Zeitlang durch die Grautoffsche Buchhandlung in Lübeck weitergeführt. Schon seit 1867 hatte sich aber in Ratzeburg ein Konkurrent etabliert, der Buchhändler Max Schmidt, dem es gelang Linsens Gesamtverlag an sich zu bringen. Max Schmidt hatte 1867 das Haus in der Herrenstraße 10 erworben und im selben Jahr auch die Konzession zur Errichtung einer Buchhandlung in Ratzeburg erhalten. Max Schmidt hat sich intensiv mit der lauenburgischen Geschichte beschäftigt und sich auch einen Ruf als Numismatiker erworben.
Er und seine Nachfolger zeigten ihre Verbundenheit mit der Stadt und der Region auch durch ihr verlegerisches Engagement. Zahlreiche Bücher zur Stadt- und Kreisgeschichte sind hier im Laufe der anderthalb Jahrhunderte herausgegeben worden. So erschien 1910 die von Prof. Dr. Louis Hellwig herausgegebene Chronik der Stadt Ratzeburg im Verlag von Gerhard Schetelig.
Auf den Gründer Max Schmidt folgten später die Buchhändler Gerhard Schetelig, Friedrich Kutscher, Arno Bergner und Harald Weber.
Bemerkenswert ist die Kontinuität, die der Buchhandel in der Inselstadt aufweist. Die heutige Buchhandlung Weber konnte vor kurzem ihr 150-jähriges Jubiläum feiern.
Archivalen 2016
Archivale 01/2016 - Aus dem Nachlass eines ehemaligen Ratzeburger Seminaristen
Die Geschichte des Ratzeburger Lehrerseminars ist in unseren ,,Archivalien des Monats (06/2013)" bereits thematisiert worden.
Vor kurzem erhielt das Stadtarchiv Unterlagen aus dem Nachlass des ehemaligen Ratzeburger Seminaristen Franz Böge (1904-1989). Die Aufzeichnungen, Hefte und Zeichnungen geben uns einen Einblick in das Leben der Seminaristen zwischen der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkriegs bis zum Ende der Inflationszeit.
Franz Böge wurde 1904 im damals noch preußischen Altona geboren und besuchte nach der Mittleren Reife in Ratzeburg ab Ostern 1919 zunächst die Präparanden-Anstalt und dann von Ostern 1921 bis 1924 das Lehrerseminar, das er mit der Ersten Lehrerprüfung abschloss.
In den 1970er Jahren hat Franz Böge seine Lebenserinnerungen zu Papier gebracht. Darin blickt er auch auf seine Ratzeburger Zeit zurück:
„Wir wohnten zu Sechsen in drei Zimmern der ‚Pension Wilken‘ in der Großen Kreuzstraße. Das stattliche mehrstöckige Gebäude hieß allgemein nach seinem Turm ‚die Zwiebelburg‘ […] Das Ehepaar Wilcken (Zimmermeister war er!) sorgte auch für unsere Verpflegung. Es war eine magere Zeit Anno 19, und wir standen oft hungrig vom Tisch auf. Als der Baltikumer Oberleutnant Roßbach seine Fahne auf dem Ratzeburger Marktplatz verbrannte und seine Freikorpsmänner entließ, war ich unter der schaulustigen Menge. Mein Frühstück war wie immer kärglich gewesen, - plötzlich lag ich ohnmächtig auf dem Pflaster. Man stellte mich auf die Beine, ich rannte auf meine ‚Bude‘, kratzte den Schimmel von einem geerbten und noch aufgesparten Brotknust, aß den harten Kanten zu einem Glas Wasser auf – und nahm meinen Platz auf dem Markt wieder ein.“
Noch schwieriger wurde die Lage im Jahr 1923, als die Inflation in einem unvorstellbaren Tempo an Fahrt aufnahm und die Unterhaltssumme für die Ausbildung am Seminar von den Eltern kaum noch aufzubringen war:
„Ich schränkte mich aufs Äußerste ein. Einen Monat lebte ich nur von Brot und Margarine, das Getränk bereitete ich mir in der Röhre des Kachelofens. Mein Budenkollege, der gute Hein Lauff, unterstützte mich ab und zu mit einem Rest Bratkartoffeln aus heimatlichen Vorräten, unsere damalige liebevolle alte ‚Vizemama‘, bei der wir wohnten, half uns beim Braten, aber si selbst litt ja genauso not. Vater war, als er davon erfuhr, beunruhigt über meine Hunger-Experimente. Er versorgte mich so gut es ging, mit Hülsenfrüchten und Haferflocken aus Hamsterfahrten. Jetzt trug ich, aus den Ferien kommend, Spankörbe statt des Geigenkastens. Und das vorübergehende Essen in der HERBERGE ZUR HEIMAT, bei dem wir uns manchmal buchstäblich die Nase zuhielten, konnte aufgegeben werden.“
Über die Unterrichtsmethoden schreibt Franz Böge:
„Der ganze Unterricht an Präparandeum und Seminar wurzelte trotz Revolution und Reform wie eh und je in altpreußischer Tradition. Wir besuchten eine richtige alte Lernschule, die uns zwar eine Menge ‚allgemeiner Bildung‘ einpaukte, uns aber wenig ‚Denken, Diskutieren, freies Reden’ beibrachte. Nur ‚Unterrichten‘, das lernten wir aus dem Effeff! Jede Stunde war schriftlich vorbereitet, jeder Stundenablauf in der Seminarschule wurde beaufsichtigt, und bei den ‚Probelektionen‘ kritisierte die ganze Klasse samt dem zuständigen Fachlehrer.“
Außerhalb des Unterrichts trieb der Seminarist viel Sport und stand „in der ersten Fußballmannschaft des Sportclub Ratzeburg zwischen den Torpfosten und kämpfte mit einer Elf, die aus Bürgern; Reichswehrsoldaten und Seminaristen bestand, auf vielen Plätzen zwischen Kiel, Lübeck, Segeberg und Mölln, obgleich das Debut als Keeper der 2. Mannschaft mit einer Niederlage von 2:16 nicht ruhmreich ausgefallen war. Zuschauer rieten mir, am Torpfosten eine Strichliste der kassierten Einschüsse zu führen, um mein Gedächtnis zu stützen!“
Geschwommen wurde in Ratzeburg bei dem legendären Bademeister „Vadder Gluth“, „so ausgiebig, dass der weißbärtige Veteran von 70/71 jedesmal ‚die Herren von das Seminar raus mit die Beine aus das Wasser‘ jagen musste.“
„Sonntags ging es auf heimatliche Exkursionen, an Wochentagsabenden zu den mannigfachen Vorträgen im Bürgerverein, zu Konzerten, zu Theateraufführungen, als aktiver Tenorsänger zu den Übungen der Liedertafel, als Turner in die Halle des M.T.V. Und später als Hospitanten, als zukünftige Religionslehrer, auf die Empore beim Kindergottesdienst (offen gesagt, zu 50% aus Interesse, zum andern Teil, weil es in der Inflationszeit auf der eigenen Bude zu kalt war, in der Kirche aber schön warm!)“
Das Zeichnen, das dem Seminaristen Franz Böge schon seit der Kindheit gelegen hatte, wurde während seiner Ausbildung weiter gefördert und auch zur Unterhaltung eingesetzt:
„Einige Kameraden wurden von mir damals schon in Vers und Karikaturen ‚auf den Arm genommen‘, noch sehr primitiv und kindlich, aber es war der Anfang meiner Pegasusritte, deren –zigtausend Reime und vielen Bilder in geselligen Kreisen vielen Freunden Spaß bereitet haben.“
Zahlreiche Beispiele dieser Zeit sind in einer Mappe mit Karikaturen seiner Lehrer und Mitschülererhalten. In einem Heft sind Spottgedichte erhalten und eine Sammlung von Federzeichnungen mit Ratzeburger Motiven, die der Seminarist 1922 für seine Mutter angefertigt hat. Die im Nachlass vorhandene „Bier-Zeitung“ (1921) und die „Bergfest-Zeitung“ von 1922 sind offensichtlich maßgeblich von Franz Böge mitgestaltet worden.
Nach der bestandenen Lehrerprüfung gab es zunächst keine Aussicht auf eine entsprechende Anstellung an einer Schule. Letztendlich wurde Franz Böge aber doch Lehrer und unterrichtete bis 1972 an verschiedenen Hamburger Schulen.
Archivale 02/2016 - Literatur zu Ansverus im Stadtarchiv Ratzeburg
In diesem Jahr wird in Ratzeburg mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen an das Martyrium des Heiligen Ansverus vor 950 Jahren erinnert. Für Ratzeburg hat dieser Lokalheilige eine besondere Bedeutung. Seine Verehrung hat zahlreiche Darstellungen in unseren Kirchen hervorgebracht und seit einigen Jahrzehnten zieht die jährliche Ansverus-Wallfahrt zahlreiche Pilger in unsere Stadt.
1966 wurde das Ansverus-Jahr mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm gefeiert, dessen Höhepunkt zweifellos die Wiedereinweihung des nach der Restaurierung fertiggestellten Domes war.
Zum Leben des Ansverus gibt es, mit Ausnahme der Nachricht von seinem Tod, keine verlässlichen Daten. Der zeitgenössische Chronist Adam von Bremen erwähnt das Martyrium des Ansverus in seiner Kirchengeschichte. Alles weitere, was wir über Ansverus wissen bzw. zu wissen glauben beruht auf der legendenhaften Überlieferung späterer Jahrhunderte.
Zahlreiche Forscher haben sich in der Vergangenheit mit Ansverus und der mit ihm verbundenen Überlieferung beschäftigt. Eine Auswahl dieser Literatur finden Sie in der folgenden Liste zusammengestellt.
Literatur
Becker, U. J. H.: Der hl. Ansverus , 1841.
Bernhöft, Hans: Der Triumph des Ansveruskultes über die Marienverehrung im Ratzeburger Dom. In: Lauenburgische Heimat Heft 3 (7. Jg.) Juli 1931, S. 98f.
Burger, Paul: Ansverus 1066-1966. Ratzeburg 1966.
Castagne, Fritz: Der Mönch Ansverus und die Heidenmission in Holstein und Lauenburg. Hannover 1966 (Volk und Welt. Die politisch-philosophische Information)
Hach, Theodor: Das sogenannte Ansveruskreuz. 1887 In: Zeitschrift für S.-H. Geschichte Band 17, S. 323-362.
Harten, Heinz: Ansverus † 1066, In: Lauenburgische Heimat Neue Folge Heft 52
(März 1966) S. 17-25.
Harten, Heinz: Ansverus † 1066, Zusammenstellung von Artikeln aus der Lauenburgische Heimat (01.01.1967)
Hellwig, Louis: Die Ansveruslegende. In: Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg, 2.Bd. Heft 2 (1888), S. 75-105.
Hellwig, Louis: Das Missale Receburgense. In: Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg, 2.Bd. Heft 3, S. 92-99.
Kobbe, Peter von: Geschichte und Landesbeschreibung des Herzogtums Lauenburg. Altona 1836.
Masch, G.M.C.: Geschichte des Bistums Ratzeburg. Lübeck 1835.
Meinhold, Peter: Ansver und die Anfänge des Christentums in unserer Heimat. In: Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte II. Reihe (Beiträge und Mitteilungen), 22. Band (1966), S. 16-32.
Moritzen, Johannes: Ansver, der Märtyrer von Ratzeburg. In: Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte II. Reihe (Beiträge und Mitteilungen), 22. Band (1966), S. 33-51.
Notz, Ferdinand von: Ansverus, der Apostel und Märtyrer Lauenburgs in Geschichte, Sage, Stein und Bild. Ratzeburg 1929.
Steffen, Uwe: Die Ratzeburger Heiligen. In: Lauenburgische Heimat Neue Folge Heft 158 (August 2001) S. 2-45.
Vollmar, H.: Über den ersten Apostel Lauenburgs (Answerus). In: In: Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg, 1.Bd. Heft 3 (1886), S. 271-288.
Archivale 03/2016 - »Königlich dänische Versicherungs-Acte«
Vor 200 Jahren, am 27. Juli 1816, wurde die „Königlich dänische Versicherungs-Acte“ sowie das „Allerhöchste Patent betr. die Besitznahme des Herzogtums Lauenburg , die Verwaltung der Geschäfte und die Einsendung des Bestallungen und Privilegien“ vom 6. Dezember 1815 im Herzogtum Lauenburg offiziell bekannt gemacht.
Nach den unruhigen Zeiten der Herrschaft Napoleons wurden die Verhältnisse in Europa auf dem Wiener Kongress neu geordnet. Das Herzogtum Lauenburg, das im 18. Jahrhundert in Personalunion mit dem Kurfürstentum (später Königreich) Hannover und dem Königreich Großbritannien verbunden gewesen war, kam im Zuge eines Tauschverfahrens zum Königreich Dänemark.
Zwischen dem Herzogtum Lauenburg und dem Königreich Dänemark bestand in der Folge für fast fünfzig Jahre eine Personalunion, also eine Verbindung über den gemeinsamen Herrscher, König Frederik VI.
Die Übergabe des Herzogtums Lauenburg an Dänemark wurde zunächst im Namen Georgs III., König von Großbritannien und Hannover, in einem Patent vom 16. Juli 1816 bekannt gegeben. Nicht an Dänemark übergeben wurden das Amt Neuhaus und die am südlichen Elbufer gelegenen Ortschaften und Ländereien. Die Abtretung des Herzogtums geschah unter der Bedingung, dass die Rechte und Privilegien, die der lauenburgischen Ritter- und Landschaft 1702 bestätigt worden waren, beibehalten würden.
Dies hatte der dänische König bereits in der „Versicherungs-Acte“ vom 6. Dezember 1815 zugesichert. Zusätzlich wurde ein Übergabebrief am 26. Juli 1816 und ein Patent des Königs am darauffolgenden Tag veröffentlicht. Der Übergabebrief regelte in 29 Artikeln die näheren Einzelheiten des Übergangs der Landesherrschaft.
Die bisherige „Schleswig-Holsteinische Kanzlei“ in Kopenhagen als zuständige Verwaltungsbehörde wurde am 3. August 1816 in „Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei“ umbenannt.
Zu seinem Antrittsbesuch reiste Frederik VI. ein Jahr später in das Herzogtum Lauenburg. In der Zeit vom 15. bis 18. August 1817 hielt sich der König mit seiner Familie in Ratzeburg auf. Während seines Besuchs besichtigte der König den Dom und die Grabgewölbe der Herzöge von Sachsen-Lauenburg. Die Naturschönheiten erlebte die königliche Familie bei einer Bootsfahrt auf dem Ratzeburger See.
Am Sonntag, d. 17. August 1817 nahm der König an einem Gottesdienst in der Petri-Kirche teil. Superintendent Block sprach in seiner Rede „über die Begründung eines glücklichen Verhältnisses zwischen Regenten und Untertanen durch das Christentum“. Nach dem Gottesdienst erfolgte eine Speisung von 40 ausgewählten armen Einwohnern. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Es waren dazu nur solche anerkannte Arme gewählt, deren verschämtes Gefühl durch ihre Zuziehung nicht verletzt werden konnte.“
Den Abschluss des königlichen Besuchs bildete ein festlicher Ball im Ratskeller, der von der Lauenburgischen Ritter- und Landschaft veranstaltet worden war. Alle bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt waren zu diesem Fest eingeladen.
Auch die Nachfolger Frederiks VI., Christian VIII. und Frederik VII., besuchten das Herzogtum Lauenburg. Die dänische Zeit endete für das Herzogtum Lauenburg mit dem deutsch-dänischen Krieg von 1864. Die ständische Vertretung des Herzogtums beschloss im Oktober 1864, den Anschluss an Preußen zu beantragen, der dann 1865 vollzogen wurde.
Archivale 04/2016 - "200. Jahrestag - Der dänische König wird Herzog von Lauenburg"
Auf den Tag genau vor 200 Jahren kamen hier in der St. Petri-Kirche zu Ratzeburg die Vertreter des Herzogtums Lauenburg zur Erbhuldigung an den dänischen König zusammen.
Nur die wenigsten werden heute noch mit dem Begriff der Erbhuldigung etwas anfangen können, geht er doch auf das mittelalterliche Lehnswesen zurück. Ursprünglich versprachen in einem ritualisierten Akt die Lehnsleute ihrem Lehnsherrn Gefolgschaft und Treue und erhielten dafür die Zusicherung von Schutz und Wahrung ihrer Rechte. Später, als sich die Landstände als Vertretungen der politisch berechtigten Landeseinwohner herausbildeten, entwickelten sich daraus „Landeshuldigungen“ oder „Erbhuldigungen“. Die Vertreter des Landes schworen dem neuen Landesherrn Treue und erhielten im Gegenzug die Bestätigung ihrer Privilegien, Rechte und Freiheiten. Die Teilnahme an einer solchen Zeremonie war verpflichtend und in der Regel verband man den feierlichen Akt mit einem Gottesdienst. So auch vor 200 Jahren in Ratzeburg, als hier die Vertreter der lauenburgischen Ritter- und Landschaft zusammenkamen. Diejenigen, die nicht persönlich anwesend sein konnten - die Vertreter der Städte Lauenburg und Mölln und einiger Adliger Güter - mussten diesen Huldigungs-Eid einige Tage später vor dem Regierungsrat Böhmer ablegen. Zum Eid verpflichtet waren – wie die Möllner Liste ausweist – die Senatoren, Achtmänner, Feuergräfen, Organisten, Küster, Schullehrer, Kirchenjuraten, Stadtsekretäre und sonstige städtische Bedienstete.
1816 lagen unruhige Zeiten hinter den rund 32.000 Einwohnern des Herzogtums Lauenburg. Die Besatzungszeiten und Kriege der napoleonischen Epoche hatten auch das Lauenburgische in Mitleidenschaft gezogen.
Das Herzogtum Lauenburg war im 18. Jahrhundert mit dem Kurfürstentum Hannover und damit gleichzeitig mit Großbritannien verbunden gewesen. Von 1803 bis 1813 war das Land meist von französischen Truppen besetzt, seit 1810 war es sogar zu einem Teil des Kaiserreichs Frankreich erklärt worden.
Auf dem Wiener Kongress wurde eine Nachkriegsordnung für das durch die napoleonische Politik in Unordnung geratene Europa gesucht. In Wien wurde auch über die Zukunft des Herzogtums Lauenburg verhandelt.
Ein kleines Land wie unser Herzogtum spielte dabei allerdings nur eine untergeordnete Rolle, nämlich als Tauschobjekt.
Das Herzogtum Lauenburg wurde durch einen Vertrag vom 29. Mai 1815 von Hannover (in der Person Georgs III. in Personalunion mit Großbritannien verbunden) an Preußen abgetreten. Das Amt Neuhaus, die südlich der Elbe gelegenen Dörfer der Marschvogtei und das Land Hadeln blieben bei Hannover, das zudem mit Ostfriesland abgefunden wurde.
Preußen trat in einem Vertrag vom 4. Juni 1815 das Herzogtum Lauenburg im Tausch gegen Schwedisch-Pommern (mit Wismar und Rügen) an Dänemark ab. Dänemark, einer der letzten Verbündeten Napoleons, hatte seinerseits Norwegen abtreten müssen, das in Personalunion mit Schweden vereinigt wurde, und als Äquivalent dafür Schwedisch-Pommern erhalten.
Der dänische König wurde in Personalunion Herzog von Lauenburg und war als solcher auch Mitglied des Deutschen Bundes.
Obwohl Preußen wie erwähnt wenige Tage im Besitz des Landes gewesen war, fand die Übergabe zwischen Dänemark und Hannover statt. In seiner Ankündigung der Übergabe teilt der Prinz-Regent von Großbritannien, Irland und Hannover mit, er habe „sich durch höheres Staatsinteresse bewogen gefunden, in die Höchstdemselben so schmerzhafte Abtretung des am rechten Elbufer liegenden Teils des Herzogthums Lauenburg […] zu willigen.“
Friedrich VI. von Dänemark nahm durch ein Patent vom 6. Dezember 1815 das Herzogtum Lauenburg in Besitz. Veröffentlicht wurde dieses Patent allerdings erst am 27. Juli 1816. Der dänische König erkannte den Landesrezess von 1702 an, die Grundlage der ständischen Verfassung des Herzogtums. Die Dänen änderten an dieser Verfassung nichts, ließen also die traditionellen Rechte unangetastet.
Die bisherige „Schleswig-Holsteinische Kanzlei“ in Kopenhagen als zuständige Verwaltungsbehörde wurde am 3. August 1816 in „Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei“ umbenannt.
Die Verbindung der Herzogtümer Schleswig und Holstein mit dem Königreich Dänemark bestand sehr viel länger als die des Herzogtums Lauenburg mit der dänischen Monarchie, sodass Lauenburg eine besondere Rolle im dänischen Gesamtstaat spielte.
Äußeres Zeichen der neuen Verhältnisse war unter anderem das neue Wappen des Herzogtums. Während der Zugehörigkeit zum welfischen Fürstenhaus hatten die Behörden das springende weiße Ross im roten Feld als Landeswappen geführt.
„Bei der Abtretung an den dänischen König wurde bestimmt, dass der neue Landesherr nur den Kopf des Rosses in sein Wappen aufnehmen solle: er habe ja nur den Hauptteil, den Kopf, nicht das Ganze erhalten.“ Allerdings erst 1841 wurde von Kopenhagen verbindlich gemacht, nur den Pferdekopf als Siegel und Wappen zu verwenden. (Harms S. 53)
Über die Reaktionen der Bevölkerung auf den Herrscherwechsel oder mögliche Erwartungen ist nichts bekannt, über die Haltung der Ritter- und Landschaft heißt es in einer neueren Darstellung:
„Die Ritter- und Landschaft verhielt sich ruhig und abwartend, vielleicht war ihr ein Landesherr, der im entfernten Kopenhagen saß, ganz recht, solange nur ihre Privilegien gewahrt wurden.“ (Busch, in Handbuch 2003, S. 301). Ohnehin waren die Lauenburger ja seit der Mitte des 17. Jahrhunderts daran gewöhnt, dass der Landesherr in weiter Entfernung zu seinen lauenburgischen Untertanen residierte.
Die dänische Herrschaft wurde von den Bewohnern des Herzogtums nicht als bedrückend empfunden. Anders als im Herzogtum Schleswig mit seiner gemischten Bevölkerung spielten nationale Gegensätze hier keine Rolle.
Die „dänische Zeit“ war, ausgenommen die Revolutionsjahre, eine ruhige Zeit für das Herzogtum. Die Gesetzgebung während der gesamten dänischen Zeit war „nicht umfänglicher […] als die Gesetzsammlung eines einzigen Jahres in anderen Ländern.“ (Harms S.53)
Der Historiker Hermann Harms hat dies sehr schön auf eine prägnante Formel gebracht: „Unter Dänemarks Zepter hatte alles gute Weile. Und das gefiel den Lauenburgern.“ (Harms S. 53)
Erfolgreich durchgeführt wurden in der dänischen Epoche einige bedeutende Verkehrsprojekte.
Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden die großen Chausseen im Herzogtum Lauenburg gebaut.
Die neuen Chausseen waren planmäßig angelegt und verliefen weitgehend schnurgerade. Die künstlichen Straßen wurden von Landvermessern ohne besondere Rücksicht auf bisherige Streckenführungen und Besitzverhältnisse trassiert. Der Grundriss des Straßennetzes, wie wir es heute kennen, geht auf die dänische Zeit zurück. Im Zuge dieser Straßenbaumaßnahmen wurde die alte Holzbrücke, die Ratzeburgs Stadtinsel mit dem Ostufer verband, durch einen Damm ersetzt, der zu Ehren des dänischen Königs 1854 den Namen „Königsdamm“ erhielt.
Im System modernen Transport- und Kommunikationswege spielten die Eisenbahnen eine herausragende Rolle als “Schrittmacher der Modernisierung”. 1846 wurde der Verkehr auf der Strecke Hamburg-Berlin aufgenommen, der ersten Eisenbahnlinie im Herzogtum Lauenburg. Fünf Jahre später folgte die Strecke von Lübeck über Ratzeburg und Mölln nach Büchen.
Die Infrastrukturprojekte änderten nichts daran, dass die dänische Zeit wirtschaftlich eine Epoche der Stagnation war:
“Das halbe Jahrhundert, in dem sich Lauenburg unter der dänischen Krone befand, war für Deutschland und Europa eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung. Für das kleine Herzogtum war es eher eine Periode der Ruhe und Konsolidierung. Für eine Industrialisierung fehlten ihm die notwendigen Ressourcen, als Markt war es zu klein, und seine primärwirtschaftliche Erzeugung war zu gering, um als Rohstofflieferant eine größere Rolle zu spielen. Das Herzogtum Lauenburg blieb in jener Zeit, was es schon vorher war: ein ländlich geprägtes Durchgangsland, das obendrein durch seine periphere Lage zu den deutschen und dänischen Kernräumen benachteiligt war.” (Regionalatlas 3.14)
Nach einer Erneuerung verlangte auch das Schulwesen im Lauenburgischen. Friedrich VI. hatte seine Kanzlei angewiesen, eine neue Landschulordnung für Lauenburg entwerfen zu lassen. Vor allem der schlechte Zustand der meisten Schulhäuser und die unzureichende Bezahlung der Lehrer führten zu erheblichen Mängeln in der Volksschulbildung im Lauenburgischen. Alle Verbesserungsvorschläge wurden jedoch von der Ritter- und Landschaft abgelehnt. Man war sich der Mängel wohl bewusst, lehnte aber alles ab, was die öffentlichen oder privaten Haushalte belasten könnte. So wurde eine neue Schulordnung erst in preußischer Zeit (1868) eingeführt.
Immerhin gelang, wesentlich initiiert durch den Superintendenten Catenhusen, eine Verbesserung der Lehrerausbildung durch die Gründung einer Präparandenanstalt hier in Ratzeburg, an der die dänische Krone sich finanziell beteiligte.
Noch weitreichender war die Gründung der Lauenburgischen Gelehrtenschule als Nachfolgerin der Domschule, die 1845 von König Christian VIII. genehmigt worden war. Die Baukosten für das neue Schulgebäude in Höhe 14.850 Talern wurden bis auf einen Zuschuss der Stadt in Höhe von 2.000 Talern von Kopenhagen allein getragen. Auch für die jährliche Unterhaltung der Schule zahlte die Regierung in Kopenhagen künftig ein Drittel der Kosten.
Ratzeburg erhielt außerdem neue Räumlichkeiten für die inzwischen viel zu beengt untergebrachte Stadtschule. Sie konnte 1829 in die „Dänische Kaserne“ in der Schrangenstraße einziehen, wodurch vorerst alle Platzprobleme gelöst waren. Auch hier engagierte sich die Regierung in Kopenhagen mit einem beträchtlichen Zuschuss.
Schon zu Beginn der dänischen Zeit war die „Demolierung“ der alten Festungsanlagen verfügt worden, die in den Jahren 1817 bis 1819 durchgeführt wurde und am westlichen Ende der Insel neue Entfaltungsmöglichkeiten für die Stadt und ihre Bürger schuf. Außerdem erhielt die Stadt 1843 ein neues Rathaus am Markt.
Die Verbindung zwischen dem Landesherrn und der lauenburgischen Bevölkerung fand bei den Königsbesuchen sichtbaren Ausdruck. Die dänischen Könige, Friedrich VI., Christian VIII. und Friedrich VII. kamen jeweils zu einem Antrittsbesuch in das Herzogtum Lauenburg. Insgesamt sind in der „dänischen Zeit“ sechs Königsbesuche belegt (1817, 1823, 1827, 1833, 1840 und 1854). Teilweise werden die Aufenthalte der Monarchen in den Quellen sehr ausführlich geschildert. Soweit wir diesen Beschreibungen glauben können, sind die Könige mit ihren Familien im Lauenburgischen begeistert aufgenommen worden. Das offizielle Programm wurde von Salutschüssen, festlicher Musik, Girlanden und Ehrenpforten, Huldigungsgedichten und Blumen streuenden Mädchen begleitet.
„Die Reise der Königlichen Familie durch das neu erworbene Herzogthum Lauenburg ist ein neuer Beweis der alten Wahrheit, daß Monarchen, die Herzen suchen, gewiß seyn können, sie zu finden. Die Dankbarkeit aller Lauenburger für den Königlichen Besuch, der ihnen als unzweideutiger Beweis galt, daß der König sein neues, obgleich kleines Ländchen, mit herzlicher Liebe umfaßt, die treuherzige Freude des gemeinen Mannes, das Herbeidrängen der Greise und Kinder um die erhabene Familie zu sehen, sind nicht mit Worten zu beschreiben und konnten das Herz keines Zuschauers ungerührt laßen“ , heißt es im offiziellen Bericht über die Reaktionen der Ratzeburger im Jahr 1817 (zitiert bei Kaack).
Einige der Gedichte haben sich in unseren städtischen Akten erhalten. Das Gedicht zum Empfang Christians VIII. (1840) preist zunächst die Schönheit Ratzeburgs:
„Auf blauen Fluten wiegt sich eine Insel,
Um sie im Kranze blühen Buchenwälder.
Und heute schmückt sie festlich noch der Sommer;
Da wo der Waldkreis endet, prangen Felder,
Und was Natur vergönnt im Deutschen Norden
Ist dieser Insel Liebliches geworden.“
Den König selbst feiert das Gedicht sieben Strophen später:
„Noch sah’n wir nie den neugekrönten Herrscher,
Noch zögert‘ der ersehnte Augenblick.
Wir horchten nur der immer gleichen Kunde
Von seinem Wirken für des Volkes Glück,
Und seine Anmuth, seiner Züge Milde,
Wir sah’n sie nur im liebumkränzten Bilde.“
(Veröffentlicht im „Lauenburgischen Anzeiger No. 70, 29. August 1840)
Und in der Nachbarstadt Mölln dichtete man:
„In der Freude Festgedränge,
Kindlich aus der Kinder Mund,
Thun Euch frohe Jubelklänge
Unsrer Herzen Jubel kund.
Landesvater!
Landesmutter!
Seid zum ersten Mal willkommen,
Seid in Liebe aufgenommen!“ (Stadtarchiv Mölln Nr. 992)
1816 besichtigte die königliche Familie in Ratzeburg den Dom und genoss bei einer Bootsfahrt die großartige Naturkulisse. Beim Festgottesdienst lauschen die hohen Gäste der „gehaltvollen Rede unsers würdigen und gelehrten Superintendenten Block über die Begründung eines glücklichen Verhältnisses zwischen Regenten und Untertanen durch das Christenthum.“
Das jetzt wiederhergestellte Antependium ist ein bis heute erhaltenes sichtbares Zeugnis des damaligen Besuchs. Aus dänischer Zeit stammt übrigens auch der „lauenburgische Talar“, den einige Pastorinnen und Pastoren auch heute noch tragen. Eine „Currende“ des Konsistoriums „betr. eine gleichförmige Amtskleidung der Prediger“ wurde am 16. Oktober 1834 herausgegeben.
(„Die große Verschiedenartigkeit der Amtskleidung der Prediger dieses Herzogthums, welche besonders bei solchen Amtshandlungen , wozu, wie bei Ordinationen und Introductionen, mehrere Prediger concurrieren, einen auffallenden Übelstand veranlaßt, macht es wünschenswerth, daß sich alle Prediger mit einer gleichförmigen Amtstracht, bestehend aus Simarre, Chorrock, ohne hängende Ärmel und Beffchen, versehen möchten.“)
Zeichen der Verbindung zum dänischen Königshaus besitzt auch die Schützengilde. 1818 wurde, wie es damals üblich war, für den Landesherrn ein Schuss abgegeben und der König wurde Schützenkönig. Er stiftete daraufhin eine goldene Medaille mit einer Kette. Sein Nachfolger Christian VIII. schenkte der Gilde eine silberne Krönungsmedaille und Friedrich VII. schließlich stiftete anlässlich seines Besuchs eine prachtvoll bestickte grüne Fahne mit seinem Wahlspruch „Die Liebe des Volkes ist meine Stärke“.
Schwierig wurde das Verhältnis der Lauenburger zu ihrem König in den Jahren nach 1848.
Die nationalen Gegensätze führten im Jahre 1848 zusammen mit den ganz Europa ergreifenden revolutionären Ereignissen zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark.
Das sogenannte “eiderdänische” Programm zielte auf einen demokratischen dänischen Staat unter Einbeziehung des Herzogtums Schleswig, in dessen nördlichen Teil sehr viele Angehörige der dänischen Volksgruppe lebten. Die schleswig-holsteinischen Forderungen strebten dagegen ein einheitliches Schleswig-Holstein in einem vereinigten demokratischen Deutschland an. Beide Seiten forderten also das ganze Herzogtum Schleswig. Es würde zu weit führen, die komplizierten staatsrechtlichen und politischen Zusammenhänge hier darzustellen. Im heutigen Rahmen soll es genügen festzustellen, dass die Deutschen Schleswig-Holsteins und die Lauenburger in diesen Kriegs- und Revolutionsjahren getrennte Wege gingen. Die Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei in Kopenhagen hatte die Verwaltung des Herzogtums Lauenburg deutschen Beamten überlassen. Versuche, das Land zu „danisieren“, hatte es nicht gegeben. Die Zufriedenheit und Loyalität der Lauenburger zeigte sich in der besonderen Rolle des Herzogtums im Revolutionsjahr 1848. Zwar begeisterten sich auch hier viele für die demokratischen Ziele der Revolution und es entstand 1849 eine eigene Verfassung für das Herzogtum Lauenburg, aber in den Kampf der Schleswig-Holsteiner gegen ihren Landesherrn, den dänischen König, zogen die Lauenburger nicht. Sie erklärten sich neutral und zogen sich so den Spott und die Verachtung der Schleswiger und Holsteiner zu.
Die Schleswig-Holsteiner kämpften schließlich allein. Nach der verlorenen Schlacht von Idstedt und weiteren Niederlagen mussten sie aufgeben. 1852 konnte der dänische König wieder die volle Regierungsgewalt übernehmen. Das 2. Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 setzte einen vorläufigen Schlusspunkt unter die schleswig-holsteinische Erhebung. Eine wirkliche Lösung war nicht gefunden worden. Die “schleswig-holsteinische Frage” bot schon 1864 erneut Anlass zu einem Krieg.
Auch das Herzogtum Lauenburg kehrte nach den Jahren der Revolution und des Krieges unter die Obhut der dänischen Krone zurück. Die eigene Verfassung von 1849 wurde aufgehoben, eine neue Verfassung galt von 1853 bis 1876.
Bemerkenswert ist sicher der Wortlaut des Patents vom 8. Januar 1851, mit dem die landesherrliche Autorität wiederhergestellt wurde. Es heißt darin: „Inmitten der Erschütterungen und der Aufregung der Gemüther, welche die verflossenen Jahre bezeichnet, hat in Unserm Herzogthum Lauenburg die öffentliche Ordnung keine gewaltsame Störung erlitten, die Gesinnungen der Ergebenheit und Treue für den Landesherrn sind nicht verläugnet worden. Dem Sinne der Lauenburgischen Einwohner für Gesetzlichkeit und Recht geben Wir gerne dieses Zeugniß.“
Im letzten Jahrzehnt der dänischen Herrschaft bekam das vertrauensvolle Verhältnis zur dänischen Krone allerdings Risse. Grund dafür waren Versuche der dänischen Gesetzgebung, eine neue Gesamtstaatsverfassung durchzusetzen, die mit den lauenburgischen Rechten nicht vereinbar war.
Der dänische König Friedrich VII. starb am 15. November 1863, neuer König wurde Christian IX.
Als in Dänemark wurde eine Verfassung angenommen wurde, die die Absprachen des Londoner Protokolls von 1851 /52 ignorierte, indem sie „eine gemeinsame Behandlung der Angelegenheit von Königreich und Schleswig in einem dänisch-schleswigschen Reichsrat vorsah“, reagierte der Deutsche Bund darauf mit einer militärischen Exekution.
Die militärischen Ereignisse des deutsch-dänischen Krieges von 1864 haben das Herzogtum Lauenburg kaum berührt. Preußische und österreichische Truppen sind durch Lauenburg und Holstein nach Norden gezogen und besetzten Schleswig.
Im Herzogtum Lauenburg erwartete man offenbar, dass die Verbindung zu Dänemark weiter bestehen bleibe. Noch am 15. Juni gab die Ritter- und Landschaft eine Erklärung ab, dass man den dänischen König als rechtmäßigen Landesherrn anerkenne, aber am 3. August 1864 traf in Ratzeburg die Nachricht ein, dass zwei Tage zuvor Friedenspräliminarien zwischen Österreich und Preußen einerseits und Dänemark andererseits abgeschlossen worden seien: Die drei Herzogtümer seien an die beiden Siegermächte abgetreten worden. Der Friedensvertrag bestätigte dies.
Die Ritter- und Landschaft beschlossen darauf am 21. Oktober 1864 mit den Stimmen aller Gutsbesitzer sowie sechs der städtischen und bäuerlichen Abgeordneten für eine einen Anschluss an Preußen, der am 26. September 1865 wiederum mit einer Erbhuldigung vollzogen wurden.
Fünf Jahrzehnte war das Herzogtum Lauenburg mit Dänemark verbunden gewesen.
Sehen wir diese Zeit unter dem Aspekt der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung, so war es sicher eine Zeit der Stagnation, in der vieles versäumt wurde, was in preußischer Zeit eilig nachgeholt werden musste.
Vielen Zeitgenossen ist diese Epoche aber vielleicht gerade aus diesem Grund nach den Erschütterungen der napoleonischen Ära als eine Zeit des Friedens und der Ruhe erschienen, an die man sich gerne erinnerte.
Literatur (Auswahl):
Busch, Michael: Das Herzogtum Lauenburg unter der Herrschaft der Könige von Dänemark 1815-1865. In: Herzogtum Lauenburg. Das Land und seine Geschichte, hrsg. Von Eckardt Opitz, Neumünster 2003, S. 298-330.
Harms, Hermann: Das Kreis-Herzogtum-Lauenburg Buch. Neumünster 1987 (Schriftenreihe der Stiftung Herzogtum Lauenburg, Bd. 12).
Jaschke, Dieter (Hrsg.): Regionalatlas Kreis Herzogtum Lauenburg der Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur. Mölln 1998.
Kaack, Hans-Georg: Impressionen aus der Biedermeierzeit 1815-1848. Ratzeburg 1992 (Schriftenreihe des Heimatbund und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg Band 27).
Kaack, Hans-Georg: Ratzeburg. Geschichte einer Inselstadt. Neumünster 1987.
Püst, Heinrich: Der Widerhall der deutschen Revolution von 1848 im Lande Herzogtum Lauenburg. Ratzeburg 1960 (Schriftenreihe des Heimatbund und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg Band 6).
Scharff, Alexander: Die Bedeutung des Jahres 1865 für das Herzogtum Lauenburg im Zusammenhang der deutschen Geschichte. In: Lauenburgische Heimat, Neue Folge, Heft 52 (März 1966) S. 3-16.
Archivale 05/2016 - Die Polizeiordnung der Stadt Ratzeburg von 1582
Mit Unterstützung der Fielmann-Stiftung konnte im Jahr 2012 auf einer Auktion der vorliegende Band für das Stadtarchiv Ratzeburg erworben werden.
Auf dem Deckel sind die Buchstaben H und D sowie die Jahreszahl 1609 eingeprägt. Der Band enthält neben einer Abschrift der Ratzeburger Polizeiordnung von 1582 eine Ratzeburger Gerichts- und Prozessordnung und die Hofgerichtsordnung des Herzogtums Lauenburg.
Am Schluss des Buches befindet sich ein Ratzeburger Acker-Register von 1592.
Der stadtgeschichtlich interessanteste Teil ist sicher die Polizeiordnung von 1582. Sie wurde von Herzog Franz II. von Sachsen-Lauenburg erlassen. Der Begriff „Polizei“ ist dabei in einer sehr viel umfassenderen Bedeutung als heute zu verstehen. Aus dem griechischen „politeia“ abgeleitet war damit ursprünglich die gesamte innere Ordnung eines (Stadt-) Staates gemeint. In der Präambel ist diese umfassende Zielsetzung formuliert. Die Ordnung solle „zur Erhaltung christlicher Religion und guter Polizei Unserer Stadt Ratzeburg zu Nutz, Gedeihen und Wohlfahrt“ dienen.
Franz II., der von 1581 bis 1619 regierte, gilt als einer der bedeutendsten Fürsten des Herzogtum Sachsen-Lauenburg, unter dessen Herrschaft das Land „einen ersten wirklichen Höhepunkt an Macht und Ansehen“ erlangte, wie Hans-Georg Kaack in seiner Stadtchronik schreibt.
In seiner Regierungszeit legte er die Grundlagen für eine in die Zukunft gerichtete Entwicklung des Landes, in dem er Verwaltung und Rechtswesen ordnete. Es gelang ihm, „eine funktionierende Regierung, ein die geistliche Verwaltung erledigendes Konsistorium und ein die Rechtsprechung unabhängig vornehmendes Hofgericht einzurichten. Damit wird der Weg zum modernen Staat beschritten.“ (Kaack, Ratzeburg, S. 87)
In der Union der Ritter- und Landschaft (1585), mit der die Rechte der Stände geregelt werden, wurde die verfassungsmäßige Basis gelegt. Die ebenfalls aus dem Jahr 1585 stammende Kirchenordnung hat bis in unsere Gegenwart Gültigkeit besessen. Für die Ordnung der inneren Verwaltung war die Einrichtung einer Kanzlei mit ausgebildeten Beamten (Kanzleiordnung von 1605) ein wichtiger Schritt.
Während die Kirchenordnung, die ja für alle Gemeinden des Landes Gültigkeit hatte, schon kurz nach ihrem Erlass in einer gedruckten Fassung veröffentlicht wurde, hat die Polizeiordnung nur handschriftlich zum Gebrauch der Behörden vorgelegen.
Verfasser der Ratzeburger Polizeiordnung war der Kammersekretär Friedrich Äpinus, der in Wittenberg und Rostock Jura studiert hatte und seit den 1570er Jahren in Diensten von Herzog Franz II. stand.
Die Polizeiordnung bildete den rechtlichen Rahmen für das gesamte städtische Leben. Stadtverfassung, Stadtverwaltung und weitere Bereiche des öffentlichen Lebens werden in den Statuten geordnet.
Die einzelnen Statuten geben uns Auskunft über die Ratsverfassung, die zivile, freiwillige und die Kriminalgerichtsbarkeit, das Bürgerrecht, die bürgerlichen Ämter und die Bediensteten der Stadt. Allgemeine Sicherheit und Ordnung werden ebenso geregelt wie Handel und Gewerbe.
Als der „Verein für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg“ die Polizeiordnung für Ratzeburg und Lauenburg 1890 drucken ließ, urteilte der Herausgeber Dr. Carl Günther in seiner Einleitung:
Die Ordnungen „geben ein bis ins Einzelne genaues Bild des städtischen Lebens, wie es sich fast durch drei Jahrhunderte in seinen rechtlichen Grundlagen unverändert erhalten hat, während natürlich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sich allmählich änderten und die hier gezogenen engen Grenzen ganz unmerklich mehr und mehr überschritten.“ Die Polizeiordnung, die den größten Teil unserer Quelle ausmacht, ist bis zur Einführung der preußischen Städteordnung im Jahre 1872 in Kraft gewesen.
Archivale 06/2016 - "Schleswig-Holstein-Lauenburg?"
Die Anfänge des parlamentarischen Lebens in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg liegen 2016 70 Jahre zurück. Die Abgeordneten dieses Landtages, der erstmalig am 20. Februar 1946 im Kieler Stadttheater zusammentrat, waren von der britischen Besatzungsmacht ernannt worden. Vier Monate später, am 12. Juni 1946, stimmten die Abgeordneten der „Vorläufigen Verfassung des Landes Schleswig-Holstein“ zu, mit der sich das Land Schleswig-Holstein konstituierte.
Einschränkend ist allerdings zu bemerken, dass diese Vorläufige Verfassung nie formale Rechtskraft erlangt hat, da die Besatzungsmacht ihr die Zustimmung verweigerte. Nach Ansicht der Briten konnte vor der Auflösung des Preußischen Staates, zu dem Schleswig-Holstein gehörte, kein „Land“ Schleswig-Holstein entstehen. Diese Auflösung Preußens erfolgte erst durch das Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947.
Auch für den Kreis Herzogtum Lauenburg ist dieses Jubiläum sicher ein Anlass zum Rückblick. Dabei sollten wir gleichzeitig an ein weiteres Jubiläum erinnern. Doppelt so lange, nämlich 140 Jahre, ist es nämlich her, dass das Herzogtum Lauenburg als „Kreis Herzogtum Lauenburg“ Teil der damals preußischen Provinz Schleswig-Holstein wurde.
Im „Offiziellen Wochenblatt für das Herzogthum Lauenburg“ Nr. 17 vom 26. Juni 1876 wurde das „Gesetz betreffend die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg mit der Preußischen Monarchie“ veröffentlicht, das zum 1. Juli 1876 in Kraft trat.
Damit fand der Prozess, der nach dem Krieg 1864 gegen Dänemark begonnen hatte, seinen Abschluss. Das Herzogtum Lauenburg war jetzt nicht mehr nur in Personalunion mit Preußen verbunden, sondern durch eine sogenannte Realunion.
Das Herzogtum Lauenburg wurde mit der Preußischen Monarchie „für immer vereinigt“. Das Gesetz sah vor, dass das Herzogtum „in Bezug auf die staatliche Verwaltung vorläufig der Provinz Schleswig-Holstein zugeteilt“ wurde und einen besonderen landrätlichen Kreis bilden sollte, der den Namen „Kreis Herzogtum Lauenburg“ erhielt.
Die nach dem Krieg von 1864 neugeschaffene preußische Provinz wurde von drei Herzogtümern gebildet: Schleswig, Holstein und Lauenburg. Es wäre also durchaus plausibel gewesen, dass auch alle drei Herzogtümer im Namen der Provinz auftauchten.
Als das Gesetz über die Einverleibung des Herzogtums Lauenburg im Preußischen Abgeordnetenhaus zur ersten Beratung vorgelegt wurde, begründete Bismarck, damals auch Minister für Lauenburg, die Wahl des Kreisnamens - mit der darin enthaltenen Bezeichnung „Herzogtum“ - damit, dass man Rücksicht auf die frühere politische Selbständigkeit des Landes nehme und auf die Wünsche der Stände des Landes, denen man den Namen „Schleswig-Holstein-Lauenburg“ nicht habe zugestehen können.
Im Preußischen Abgeordnetenhaus stieß die Bezeichnung nicht nur auf Zustimmung. Einige Abgeordnete befürchteten, dieses Zugeständnis könne den in Lauenburg noch vorhandenen Partikularismus stärken. Schließlich wurde das Gesetz aber mit wenigen Änderungen angenommen.
Nicht nur im Namen fand eine Besonderheit Ausdruck. Auch nach der Eingliederung des Landes in die Provinz Schleswig-Holstein behielt der Kreis Herzogtum Lauenburg zahlreiche Sonderrechte. Er behielt einen eigenen Landeskommunalverband, bildete einen eigenen Reichstagswahlkreis und erhielt einen Sitz im preußischen Abgeordnetenhaus. Der befürchtete Partikularismus zeigte sich in der Zukunft nicht.
Die weitere Entwicklung resümiert Eckart Opitz in seinem Handbuch zur Geschichte des Herzogtums Lauenburg so:
„Die Integration in die Provinz Schleswig-Holstein vollzog sich schneller, als angesichts der historischen Vorbehalte gegenüber dem Nachbarn im Westen zu vermuten war. So wie die Schleswig-Holsteiner fanden auch die Lauenburger ihre neue Identität mehr im Deutschen Reich als in der Zugehörigkeit zu Preußen. Darüber hinaus wuchsen die drei Elbherzogtümer so schnell zu einer Einheit zusammen, dass jenes Bewusstsein für die eigenständige historische Entwicklung, das bei den Verhandlungen von 1864 bis 1876 noch eine große Rolle gespielt hatte, schon nach wenigen Jahrzehnten verloren ging, auch und gerade bei den Lauenburgern selbst.“ (S. 348).
Eine weitere Besonderheit war im Übrigen das Landeswappen, über das Traugott Freiherr von Heintze in seinem Buch über das „Lauenburgisches Sonderrecht“ (Ratzeburg 1909, S. 186) schreibt:
„Das lauenburgische Wappen steht im Wappen der Provinz Schleswig-Holstein als staatlicher Verwaltungsbezirk gleichberechtigt neben den Wappen von Schleswig und Holstein. Es ist das einzige Kreiswappen, das im mittleren preußischen Staatswappen einen Platz gefunden hat.“
Noch in den 1920er Jahren zierte das dreigeteilte Landeswappen das „Handbuch für die Provinz Schleswig-Holstein“. Später taucht das lauenburgische Wappen im Landeswappen dann nicht mehr auf.
Literatur:
Jürgen de Vries: Bismarck und das Herzogtum Lauenburg. Die Eingliederung Lauenburgs in Preußen 1865-1876, Neumünster 1989.
Eckardt Opitz (Hg.): Herzogtum Lauenburg. Das Land und seine Geschichte. Ein Handbuch, Neumünster 2003.
Archivalen 2015
Archivale 01/2015 - Otto von Bismarck
Reichskanzler Otto von Bismarck wäre in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden. Grund genug, um in dieser Archivale auf den zweiten Ehrenbürger der Stadt Ratzeburg zurückzublicken.
In seiner Zeit als Minister für Lauenburg, in der Otto von Bismarck mit Augenmaß und politischem Geschick die Integration des Herzogtums in das Königreich Preußen betrieb, entwickelte sich eine Reihe privater Beziehungen Bismarcks zum Herzogtum Lauenburg. Da gab es zunächst private Kontakte zu lauenburgischen Gutsbesitzern. Wichtiger noch aber war die 1871 erfolgte Verleihung des Dotationsbesitzes im Amt Schwarzenbek und die Aufnahme dieses Besitzes in die landtagsfähigen Güter. Friedrichruh wurde nach der Entlassung Bismarcks dessen Altersruhesitz.
Die allgemeine Anerkennung Otto von Bismarcks in der Region wurde auch dadurch unterstrichen, dass ihm die Stadt Ratzeburg anlässlich seines 75. Geburtstages am 1. April 1890 „in Anbetracht seiner Verdienste um das Wohl der Stadt und ihrer Bewohner“ die Ehrenbürgerschaft verliehen. Im darauf folgenden Jahr wurde Bismarck als Abgeordneter der Großgrundbesitzer in den lauenburgischen Kreistag gewählt und besuchte am 30. November 1891 die Inselstadt erstmalig als Kreistagsabgeordneter.
„Die Nachricht von dem Besuche des Altreichskanzlers hatte in unserer Stadt, welche die huldvolle Gesinnung ihres großen Ehrenbürgers zu wiederholten Male erfahren, Freude und Jubel hervorgerufen und überall rüstete man sich, den Herzog von Lauenburg ehrenvoll zu empfangen.“ (zeitgenössischer Zeitungsbericht)
Bismarck traf mit einem Extrazug ein, gekleidet in der Uniform seines Kürassierregiments. Im Triumphzug wurde der Besucher durch die Stadt geleitet. Folgt man den Zeitungsberichten, waren Tausende gekommen, um dem Gast zuzujubeln und ein „Heil dem Fürsten Bismarck“ auszurufen. Zur Begrüßung durch Bürgermeister Hornbostel hatten auf dem Marktplatz die Angehörigen des Lehrerseminars, der Kriegerverein und die Schülerinnen und Schüler der städtischen Schulen sowie der Gelehrtenschule Aufstellung genommen. Der Seminarchor sang das Deutschlandlied und Bismarck äußerte sich, „daß er jetzt, seitdem er nicht mehr in Berlin, sondern in Friedrichsruhe wohne, ganz als Lauenburger fühle und an den Angelegenheiten des Kreises und seiner Bewohner regen Anteil nehme.“
Es gibt eine ganze Reihe von Anekdoten über die Begegnungen Bismarck mit den Menschen „aus dem einfachen Volk“. Eine solche Anekdote fehlt auch für Ratzeburg nicht. Ein 10-jähriges blondes Mädchen habe sich an Bismarck geklammert und dabei ausgerufen: „Nu hev ik di, Bismarck, un lat di nich wedder los!“
Der Stuhl, auf dem Bismarck gesessen hat, ist bis heute im Sitzungssaal des Alten Kreishauses zu sehen.
Archivale 02/2015 - Dramatische Rettung der Ratzeburger Brücken
Die Ereignisse jähren sich in diesem Jahr zum 70sten Male. Karl Saalfeld, anlässlich der 900-Jahrfeier 1962 zum Ehrenbürger Ratzeburgs gewählt, hat der Stadt lange Jahre als Bürgermeister und als Bürgervorsteher gedient. In seinen Erinnerungen hat er 1973 unter anderem die Vorgänge in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges geschildert. Hans-Georg Kaack, ehemals Kreisarchivar, zitiert in seinem Buch „Ratzeburg – Geschichte einer Inselstadt“ (Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1987) aus Saalfelds Erinnerungen (S. 385/386):
„Man glaubte, die Bevölkerung bis zur letzten Minute zum Widerstand aufrufen zu müssen, jede Stadt sollte eine Festung, jedes Dorf ein Widerstandsnest sein. So wurde Ratzeburg in Verteidigungszustand versetzt. .... In Ratzeburg selbst wurden Panzersperren in St. Georgsberg, auf dem Königsdamm und an den Hauptverkehrsstraßen gebaut, man glaubte damit den Vormarsch der feindlichen Panzer verhindern oder doch wenigstens verzögern zu können.
Die Brücken an der Demolierung und auf dem Königsdamm erhielten Sprengladungen. .... Ratzeburg scheint dem Untergang geweiht zu sein. Da gelingt es in letzter Minute, die Sprengung der Brücken zu verhindern. Ein Zeuge und Hauptbeteiligter, Direktor Franz Bender, gibt folgende Schilderung:
Sonnabend, 28.4.45, Soldaten graben die Kanalbrücke am Königsdamm auf. Der Führer der Pioniereinheit Feldwebel G. verweigert jede Auskunft, gibt aber später Vorbereitung zur Sprengung zu, erklärt, Befehl zu haben, beim Herannahen des ersten Panzers die Sprengung auszulösen. Trotz Hinweis auf die Unsinnigkeit und die Gefahren, die der mit Flüchtlingen und Verwundeten überbelegten Stadt drohen, lehnt er ab, die Sprengung zu unterlassen. Auch Angebote auf eine Zivilstellung und Zahlung einer großen Geldsumme stimmen ihn nicht um. Er beharrt auf seinem Befehl, der nur von seinem Vorgesetzten zurückgenommen werden kann. Zivile und militärische Dienststellen versuchen vergeblich, den Feldwebel zu überreden, von der Sprengung abzusehen.
Montag, 30.4.45: Nachmittags wird Brücke erneut aufgegraben. Erste Hoffnung schnell zerschlagen.- Gonschewski erklärt, neuen Befehl zu haben, Sprengladung zu verstärken. – Nach Erkundigung abends Sprengladung auf 300 kg Stabminen verstärkt. Wachposten verrät mir Lage von drei Abzugszündern und erklärt mir Funktion des Zünders. - Weitere Rücksprachen mit Landrat von Heintze, Major Hennecke und Ortsgruppenleiter Luze. - Feldwebel Gonschewski bleibt nach wie vor bei Ablehnung. –
Geschützfeuer deutlich zu hören. SS-Formationen – scheinbar junge Russen – gut ausgerüstet, alle mit Sturmgewehren oder Maschinenpistolen, ziehen durch die Stadt und bauen Stellungen in St. Georgsberg im Wald Lübecker Straße. Ich will selbst die mir bekannten Zündungen entfernen. – Beim Besuch der Gefahrenstelle werde ich spätabends von einer Streife der Waffen-SS angehalten. Trotz Ausweis und Hinweis, daß ich die bewachte Stelle betreten habe zwecks Verhütung von Störungen in der Wasserversorgung. – Sehr mißtrauisch. – Nachts nochmals Beratung mit Major Hennecke und Landrat von Heintze, zu der auch der hier im Lazarett liegende Oberleutnant d.R. G. Jankowsky (zur Zeit Leiter des städtischen Fremdenverkehrsamtes) hinzugezogen wurde. Major Hennecke will versuchen, erneut Verbindung mit Vorgesetzten von Gonschewski aufzunehmen. Befehlsstelle soll in Berkenthin stationiert sein. – ‘‘
An dieser Stelle sollen uns einige alte Fotos zurück führen in die Zeit am Ende des entsetzlichen Krieges und uns zeigen, unter welch grausamer Mühsal Menschen aus dem Osten unseres Vaterlandes sich im Winter 1944/45 auf den Weg nach Westen gemacht haben – und wie sich Ratzeburg zu Beginn des Frühjahrs 1945 zeigte mit Trecks und immer wieder Trecks!
Die schwarz-weiß-Aufnahmen zeigen im Gegensatz zu den schönen Farbbildern der alten Brücken (die beiden von der Königsdammbrücke hat übrigens Dr. Friedemann Roeßler aufgenommen.) den traurigen Ernst der damaligen Zeit deutlich.
Aber die Brücken sind die Zeugen in unserem Rückblick, also lassen wir Herrn Bender fortfahren:
"Dienstag, 1. Mai 1945: - Engländer haben Elbe überschritten. Major Hennecke kann Dienststelle des G. in Berkenthin nicht mehr erreichen. Erneut Besprechung mit G. Auch auf Hinweis, daß sein Vorgesetzter nicht mehr auffindbar, ändert er nicht seine Einstellung. Ich habe ihm Zivilkleidung vor Einmarsch der Engländer und rückdatierte Einstellung als Meister bei den Stadtwerken angeboten – nach kurzer Überlegungszeit lehnt G. erneut ab. – Ich mache nachmittags Major Hennecke den Vorschlag, G. in Haft zu nehmen und mir das andere zu überlassen. – Nach gemeinsamer Beratung steht der Plan. – Ich hole abends G. und seinen Vertreter, einen Unteroffizier, unter dem Vorwand, sein Vorgesetzter sei bei Landrat v. Heintze, zum Kreishaus. Im Zimmer des Landrats befinden sich der Landrat v. Heintze und Major Brennecke. Major Brennecke übergibt Gonschewski den schriftlichen Befehl, die Minen sofort ausbauen zu lassen. Nach kurzem Zögern lehnt G. erneut ab. Auf Klingelzeichen vom Landrat treten zwei Soldaten mit Stahlhelmen und Maschinenpistolen ein und postieren sich neben G. und den Unteroffizier. G. erklärt: Ich muß der Gewalt weichen. – Major Hennecke fordert mich auf, das Weitere – wie besprochen – zu veranlassen. In Begleitung der Wache gehen wir zum Königsdamm, wo ich mir die Zünder aushändigen lasse und sofort in den Kanal werfe.
Mittwoch, 2.5.45: - Bei Tagesanbruch sind fast alle Minen ausgebaut und in der Garage der Stadtwerke gelagert. Die Gefahr ist beseitigt. – Vormittags erhalte ich von Kiel telefonisch das Stichwort, nach dem befehlsgemäß die Zerstörung der Werksanlagen durchgeführt werden soll. Ich rufe daraufhin Oberpräsident Vöge, Kiel, persönlich an und mache ihm davon Mitteilung, gleichzeitig von der ungeheuren Gefahr für die Bevölkerung, da Ratzeburg mit Flüchtlingen und Verwundeten vollgestopft ist. Obwohl Vöge scheinbar Verständnis hat für die Lage, gibt er ausweichende Antworten und sagt mir zum Schluß, daß ich selbst die Verantwortung für mein Tun tragen muß. Ich nehme die Kiste mit der Bombe und werfe sie in den See. – Am späten Nachmittag sind die Engländer in Ratzeburg.“
Soweit der Bericht. Dazu eine Anmerkung:
2. Die Stadtwerke waren damals noch in der Brauerstraße am Domsee zu Hause.
Die Archivale wurde zusammengestellt von Hans-Joachim Höhne.
Archivalen 2014
Archivale 01/2014 - 20 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Sopot und Ratzeburg
Vor 20 Jahren besiegelten die Städte Sopot und Ratzeburg in einem feierlichen Akt ihre Städtepartnerschaft, eine partnerschaftliche Verbindung, die bis heute besteht, auch wenn sie sich im Zuge der EU-Osterweiterung in vielen Aspekten über die Jahre verändert hat. Maßgeblich getragen wird die Städtepartnerschaft durch die Kontakte zwischen Schülern beider Städte. Die Lauenburgische Gelehrtenschule unterhält seit 2000 enge Kontakte nach Sopot und auch im Jubiläumsjahr ist wieder eine Schülergruppe aus Sopot zu Besuch in der Inselstadt.
Bei ihrer ersten Exkursion ins Rathaus wurden sie gebeten, einmal in den Akten des Stadtarchivs der Geschichte dieser Städtepartnerschaft nachzuspüren und für eine digitale "Archivale" aufzubereiten. Nachfolgend präsentieren sie ihr Ergebnis als "Archivale des Monats Mai 2014".
Die Anfänge
Die Idee der Städtepartnerschaft zwischen Ratzeburg und Sopot entstand aus den im Vorwege schon seit längerer Zeit existierenden Kontakten in Bereichen wie Verwaltung, Kultur und Sportereignissen. Der Magistrat beschloss am 15.12.1999, diese Kontakte zu intensivieren und zu einer Städtepartnerschaft auszubauen. Dazu reisten Delegationen aus Ratzeburg und Sopot jeweils in die andere Stadt, um Gespräche mit den Bürgermeistern zu führen. Ergebnis war der Beschluss einer städtepartnerschaftlichen Zusammenarbeit, festgehalten in einer Urkunde, die im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung am 07.02.1994 ausgetauscht wurde.
Text: Jana, Jesse, Patryk
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Die ersten Schritte der Städtepartnerschaft
Bereits im Sommer 1994 gab es erste gemeinsame Aktionen, wie die Durchführung einer Jugendfreizeit in Sopot und einer Kunstaktion an der Grund- und Hauptschule St. Georgsberg, angeleitet vom Künstler Josef Golec.
1995 übergab die Kulturamtsleiterin der Stadt Sopot, Halina Biernacki, bei einem Besuch in Ratzeburg als Geste der Freundschaft ein gläsernes Wappen der polnischen Partnerstadt, das im "Europafenster" des Rathauses seinen Platz finden sollte.
Im gleichen Jahr wurde um Unterstützung für die Opfer einer tragischen Brandkatastrophe gebeten, die sich während eines Konzertes in einer Werfthalle in Danzig ereignete und auch in Sopot für tiefe Erschütterung sorgte. 30 Jugendliche der Stadt entkamen nur knapp und schwerverletzt den Flammen. Dieses traurige Ereignis stieß auf große Anteilnahme in der Ratzeburger Bevölkerung, zahlreiche Spendenaufrufe und Aktionen wurden initiiert. Insgesamt kamen so 15.600 DM (260 Mill. Zloty) zusammen.
In den Folgejahren wurde der Kontakt zwischen Ratzeburg und Sopot weiter gefestigt. Es kam zu zahlreichen Begegnungen auf den verschiedensten Ebenen, so auch im Rahmen der großen Begegnungswoche "Polen zu Gast in Ratzeburg", die auf Betreiben des Rotary-Clubs im Jahr 1997 organisiert wurde.
Ein Bauprojekt in Sopot erregte in der Nachfolgezeit großes Interesse im städtepartnerschaftlichen Austausch, der Ausbau der Sopoter Seebrücke, eine der größten Attraktionen der Stadt. Stadtpräsident Jacek Karnowski bat in diesem Zusammenhang um ein Unterstützungsschreiben seitens der Stadt Ratzeburg, um Finanzmittel bei der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit einwerben zu können. Bürgermeister Bernd Zukowski entsprach diesem Ansinnen gern und sicherte überdies auch Unterstützung in Fachfragen zu.
"Sehr geehrter Herr Prezydent,
mit Freude und großem Interesse hat Ratzeburg von den Plänen der Partnerstadt Sopot Kenntnis genommen, die Generalüberholung der berühmten Mole in Angriff zu nehmen. Sehr gerne wollen wir den Antrag Sopots unterstützen, um eine finanzielle Förderung durch die Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit sicherzustellen."
(Zitat aus dem Unterstützungsschreiben von Bürgermeister Bernd Zukowski)
Text: Christian, Daria, Polnyk, Agata, Annika
Aus der Städtepartnerschaft erwächst eine Schulpartnerschaft
Im Jahr 2000 wurde auf Betreiben von Ewa Grzywacz vom II Liceum Ogólnokształcące in Sopot im. Bolesława Chrobrego und Holger Martens von der Lauenburgischen Gelehrtenschule eine Schulpartnerschaft ins Leben gerufen, die seit 2010 auf polnischer Seite mit dem Liceum der Zespol Szkol Nr. 1 fortgesetzt wird und bis heute besteht. Im Rahmen einer jährlich stattfindenden Projektarbeit findet ein Besuch und Gegenbesuch statt. Diese sind bei den Schülern beider Länder sehr beliebt und es konnten sich zahlreiche Freundschaften entwickeln.
Schüleraustausch 2002
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Schüleraustausch 2003
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Schüleraustausch 2004
Ratzeburger besuchten polnische Partnerstadt Sopot (2009)
Schüler aus Sopot zu Besuch in Ratzeburg (2009)
Lauenburgische Gelehrtenschule festigt die Kontaktemit der polnischen Partnerstadt Sopot (2010)
Schüleraustausch zwischen Sopot und Ratzeburg (2012)
Fotoimpressionen des Schüleraustauschs 2014
Zwischen 2001 und 2004 wurden von der Robert-Bosch-Stiftung Jugendwettbewerbe unter dem Titel "Neue Wege in Europa" organisiert, an denen sich Sopoter und Ratzeburger Austauschschüler dreimal beteiligten und für ihre Projektbeiträge jeweils ausgezeichnet wurden.
Die Jugendbegegnungen zwischen Sopot und Ratzeburg werden seit Beginn vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk unterstützt.
Text: Janek, Niklas, Zuzia, Gosia, Lena, Marcin
Archivale 02/2014 - 40 Jahre Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR)
In diesem Jahr feiert der Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR) sein 40-jähriges Bestehen.
Ein 9-köpfiges Preisgericht unter Vorsitz von Prof. G. Nissen hatte am 19. Juni 1970 im Rahmen eines Wettbewrbes acht eingereichte Architektenentwürfe begutachtet und entschied sich für den Vorschlag des Architektenbüros H. Mensinga und D. Rogalla aus Hamburg. Der Siegerentwurf wurde mit 17.000 DM dotiert. Die Lübecker Nachrichten berichtete unter der Überschrift "Seniorenwohnsitz Ratzeburg - eine Alten-Superstadt" in großer Aufmachung über das Vorhaben
Im Herbst 1972 begann der Bau des Seniorenwohnsitzes, die Grundsteinlegung erfolgte am 29. November. Mit einer Investitionssumme von 75 Mio. Mark war es damals das größte Bauvorhaben im Kreis Herzogtum Lauenburg und gleichzeitig eines der größten Projekte seiner Art in Norddeutschland.
Im Laufe des Jahres 1973 schritt das Projekt rasch voran und am 26. Oktober 1973 wehte über dem Bau eine sechs Meter hohe Richtkrone.
Das größte Bauprojekt in der jüngeren Geschichte der Stadt konnte 1974 abgeschlossen werden. Im Mai wurde der Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR) bezugsfertig. Werbeaktionen in der Presse und im Fernsehen hatten ein großes Interesse zur Folge. Im Juni war fast die Hälfte der 505 Appartements bereits vergeben. Der volle Betrieb der Anlage konnte im Herbst 1974 aufgenommen werden.
Das Bewegungsbad und das Park-Restaurant mit seinen 250 Plätzen standen künftig allen Bewohnern der Stadt zur Verfügung.
20 Jahre später beging der Seniorenwohnsitz mit einer großen Jubiläumsfeier sein 20-jähriges Bestehen. Im Jubiläumsjahr wurde an einem neuen Altenpflegehaus auf dem Gelände gebaut, das zum Januar 1995 bezugsfertig war. Schon im Dezember konnte die neue Einrichtung bei einem „Tag der offenen Tür“ besichtigt werden. Geschäftsführer Michael Stark lobte das Haus als „das beste und modernste in Schleswig-Holstein“.
Das Haus ist im Laufe seines inzwischen 40-jährigen Bestehens laufend den gewachsenen Ansprüchen und Bedürfnissen seiner Bewohner angepasst worden. Mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen wird das Jubiläum 2014 begangen.
Archivale 03/2014 - "Ribe - Ratzeburg"
Der Anstoß zu den Kontakten zwischen Ribe und Ratzeburg kam von Eberhard Fischer, der mit Dr. Harring Cornils und mir als Dozent an der Ev. Heimvolkshochschule Domhof- Ratzeburg tätig war, einer Erwachsenenbildungs – Einrichtung, die seit 1951 für etwa 30 Jahre in dem Anbau nördlich des Domes arbeitete. Fischer war von 1966 – 1970 Stadtvertreter und Senator im Magistrat. In den Lehrgängen der HVH hatten wir immer wieder auch skandinavische Teilnehmer; schließlich kam der Gedanke der Heimvolkshochschule aus Skandinavien!
Seit 1960 gab es ja schon eine Verbrüderung (jumelage) mit Châtillon/Seine in Frankreich, die 1969 auf die belgischen Städte Esneux/Ourthe und Walcourt erweitert wurde. Der gedankliche Ansatz von Eberhard Fischer war: „Die Städte-Partnerschaften nach Westen sind natürlich nach Ende des furchtbaren Krieges sinnvoll. Ratzeburg ist in seiner Lage andererseits Teil der Brücke nach dem Norden. Ist es da nicht ebenso sinnvoll, eine Hand nach dem Norden auszustrecken?“ Über Kursus-Teilnehmer fand er Kontakt zu Arne Laut, Deutsch-Lehrer am Lehrerseminar in Ribe. Arne war von der Idee begeistert. Zu ersten Sondierungsgesprächen kam Borgmester Carl Johan Pedersen mit einer kleinen byrad-Gruppe im Mai 1969 nach Ratzeburg. Der Anfang war gemacht!
Mit der Kommunalwahl 1970 zog ich in Stadtvertretung und Magistrat ein, gewissermaßen in Fischers „Nachfolge“, wenn auch als Mitglied einer anderen politischen Partei (er CDU, ich SPD). Auf seine Frage, ob ich nicht die Bemühungen um Kontakte nach Ribe fortsetzen wolle, gab es nur eine Antwort: „Ja! Selbstverständlich ja!“ Der Magistrat wurde informiert und gab sein Einverständnis. Fischer erkundigte sich bei Arne Laut nach der Möglichkeit eines Informations-Besuches, und nach Rücksprache mit Carl Johan Pedersen erhielten wir eine Einladung für den Herbst 1971. Auf diesen Besuch bezieht sich das obige Dankschreiben. Aber vor unserem Besuch gab es einen denkwürdigen Zwischenfall. Es war ein Freitag, wir näherten uns in E. Fischers Wagen der Grenze in Krusaa (eine Autobahn gab es ja noch nicht), und wir kramten schon mal unsere Pässe hervor – das heißt, ich kramte, der Kollege wurde blass: Er hatte seine Papiere zu Hause auf dem Domhof liegen gelassen, auf dem WC! Das hatte er vor der Abfahrt nochmal aufgesucht, dabei war die Brieftasche aus der Gesäßtasche gerutscht, und nun lag sie eben da. 1971 wusste kein Mensch etwas vom Schengener Abkommen. Die Einreise ins Königreich Dänemark wurde verweigert, das Büro in Harrislee, zuständig für das Ausstellen eines Ersatz-Dokuments, war zum Wochenende geschlossen! Nach kurzer Katastrophen-Konferenz fiel die Entscheidung: Fischer fährt zurück, um seine Papiere zu holen, Höhne sieht zu, wie er nach Ribe kommt. Gut bis Tondern, dahin gab es eine Busverbindung. Von dort nach Ribe gab (und gibt) es eine Bahnverbindung – aber zu spät. Es half nichts: kurz darauf stand ich an der Straße Richtung Norden, mit kleinem Koffer, im Anzug, den Daumen Richtung Norden. Und ich hatte Glück: Nach kurzer Zeit hielt ein Wagen mit zwei freundlichen älteren Männern, die nach Ribe wollten! Tangevej 117? "Ja, det kenner vi." Und so begrüßte mich Arne Laut am frühen Abend: „Nun wird’s aber Zeit! Wir sind ins ‚Dagmar‘ eingeladen, um Carl Johans Geburtstag zu feiern. Und wo ist überhaupt Fischer?“ Fischer erhielt bei seiner Ankunft gegen Mitternacht nur noch einige, natürlich gewohnt leckere smørrebrød.
Unser Besuch war ein Erfolg. Am Sonnabend zeigte uns ein byradsmedlem seine Stadt, wir guckten uns den Museumsewer „Johanne Dan“ an und saßen bei einem Øl im „Sælhunden“ gegenüber zusammen. Bei der Gelegenheit wurden die weiteren Schritte in der Partnerschaft zwischen beiden Städten besprochen. Es herrschte Einmütigkeit darin, dass Kontakte zwischen Bürgern, vor allem jedoch Begegnungen junger Menschen, wichtiger sind als die Treffen offizieller Delegationen: „Lieber 22 Jugendliche auf dem Fußballplatz als Amtsträger beim Festmahl.“ Das Bild zeigt die „Johanne Dan“ auf der Ribe Au, hinter dem Dannebrog den „Seehund“. Im Mittelalter befand sich hier ein wichtiger Hafen!
Zur weiteren Entwicklung zitiere ich aus dem kleinen Büchlein „Beiträge zur Geschichte Ratzeburgs 2. Teil“, erschienen 1973 bei Kaiser und Mietzner in Lübeck; mein Beitrag „Ratzeburgs Verbrüderungsarbeit“ gab einen „Einblick in die Geschichte 1957 – 1973“ und einen „Ausblick in die Zukunft“: „Erste Erfolge stellten sich 1972 ein: Im Mai fuhr die 1. Schüler-Fußballmannschaft des RSV zu einer Freundschaftsbegegnung nach Ribe; zum Gegenbesuch kamen die Jungen vom ‚Ribe Bold Klub‘ im September nach Ratzeburg. Die Unterbringung erfolgte selbstverständlich privat, und so ergaben sich erste Freundschaften. Diese Sportkontakte werden 1973 mit den Besuchen von jeweils zwei Mannschaften fortgesetzt und erweitert werden. Ratzeburgs Tischtennisspieler weilten zu einem Turnier in Ribe. Auch das soll zu einem festen Brauch führen. Mit zehn Studenten war Arne Laut im Oktober 1972 zu einem fünftägigen Studienaufenthalt in der ‚Schulstadt‘ Ratzeburg. In Hospitationen lernten die angehenden dänischen Deutschlehrer das Schulwesen der Bundesrepublik kennen. Der Schachverein hat inzwischen erste Kontakte aufgenommen mit dem Ziel, Riber Schachfreunde zu einem Turnier nach Ratzeburg einzuladen. - An den Schüler-Austauschprogrammen mit Châtillon oder den beiden belgischen Städten kann immer nur ein begrenzter Kreis teilhaben; die Sprachbarrieren wirken sich da aus. Deshalb soll der Versuch unternommen werden, recht bald einen Ferien-Austausch zwischen Ribe und Ratzeburg in die Wege zu leiten, um insbesondere auch den Hauptschülern Gelegenheit zum Kennenlernen eines anderen Landes zu geben. Sie lernen wie die Dänen Englisch, und außerdem spricht man in Ribe ‚Fernseh-Deutsch‘, denn dort empfängt man die deutschen Sender!“
Mai 1972: Im Dunkeln und bei strömendem Regen kamen wir am Dom in Ribe an. Uns empfing Aase Lindstrøm Nielsen, Deutschlehrerin an der Vittenbergskole, zusammen mit den Gastgebern der Fußballjungen und ihrer Begleiter. Die Aktiven wurden ihren Gegenspielern auf dem Platz zugeordnet, so dass z.B. der Mittelstürmer schon mal einen gegnerischen Innenverteidiger kennen lernen konnte – und natürlich umgekehrt. Dies war der Beginn vieler Sportbegegnungen zwischen RBG und RSV, bei denen das Ergebnis wohl eine Rolle spielte und wichtig genommen wurde, aber nur während des Kampfes auf dem Platz. Daneben konnten sich manche Bekanntschaften zu Freundschaften entwickeln. Sehr gern will ich dabei auf die inzwischen über 40-jährige familiäre Bindung von Aase und Simon Jermiin Nielsen zu meiner Frau und mir verweisen. Sie hatte von Anfang an eine wertvolle Aufgabe zu erfüllen: Die meisten Kontakte zwischen Vereinen u.a. wurden über unsere Telefone geknüpft und gepflegt. Sicher stimmen die Freunde im Duevænget mit mir darin überein, dass unser größter Erfolg dann erreicht wird, wenn wir in der Zeitung dort oder hier von Begegnungen lesen, die nicht über unsere Vermittlung zustande gekommen sind!
1975 fand das erste Turnier des RSV für Fußball-Jungmannen statt, zunächst zu Ostern, in der Folge immer über Pfingsten. Das war stets ein internationales Ereignis, und von Anfang an waren unsere Riber Freunde Jahr für Jahr dabei. Das Bild mit „alten Turnierhasen“ (Aufschrift auf der Rückseite) zeigt von rechts Simon Jermiin von RBG, Ernst-August Jobmann, Initiator und Hauptverantwortlicher für das Turnier und jahrzehntelang Vorsitzender des RSV, H.-J. Höhne, in den 70-ern Sportsenator Ratzeburgs, und schließlich Eddy Tegesjö vom IK Viljan in Strängnäs, Ratzeburgs späterer (und über Ribe hinzu gekommener) Partnerstadt in Schweden.
Etwa zur selben Zeit wie die Fußballer gab es die ersten Tischtennis-Begegnungen. Die Jahrzehnte überdauert hat die Freundschaft zwischen Poul Nielsen und Heinz-Werner Kersten, der übrigens, wie ich, seit langem Mitglied des venskabsbyforeningen (Freundschaftsstadtverein) in Ribe ist. Wir dürfen jedes Jahr unseren Mitgliedsbeitrag bezahlen; wählen lassen (z.B. als Vorsitzender) dürfen wir uns nicht! Na ja, muss ja auch nicht sein.
Aus den ersten Jahren der Verbindung ist noch von den Begegnungen zwischen Ribe Svømmeklub und der Schwimmabteilung des Ratzeburger Sportvereins zu berichten. Namen, die dafür stehen, sind Vibeke Karlby und unsere viel zu früh verstorbene Elke Siemers, die dann noch lange Geschäftsführerin des RSV war. Das „Frühlingsschwimmen“ war lange Zeit ein fester Termin im RSV-Kalender, ebenso wie auch das internationale Tischtennis-Turnier; in beiden Fällen waren die Riber Freunde unentbehrliche Gäste, Teilnehmer – und Sport-Konkurrenten! Die freundschaftliche Verbindung zwischen Vibeke und Henning Karlby mit Hubert Siemers dauert an.
Meine Eva und ich haben eine schöne Erinnerung an Karlbys „persille-bryllup“. Während eines Frühlingsschwimmens gab es einen gemütlichen Abend aller Trainer und „Offiziellen“ in der „Farchauer Mühle“. Das Gespräch gelangte über „Siberhochzeit“ zur „Petersilienhochzeit“, also der 12,5-Jahr-Feier der Ehe. „Wir haben im Oktober unsere ‚persille-bryllup‘“, sagten die Riber Freunde. Sie nannten auch das Datum, und ich wusste, dass wir an dem Wochenende sowieso in Ribe sein würden. Also dankte ich für die „Einladung“: „Wir kommen.“ Ha ha, hör ihn! – Am Tag vor dem Termin gingen wir einkaufen im Supermarkt „Quickly“ in Ribe. Da kam uns Henning entgegen mit einer Kiste – Mineralwasser! „Henning, hast Du morgen nur sodavand für mich?“ Man kann sich denken: Beinahe hätte er die Kiste fallen lassen! Noch etwas bleibt uns unvergesslich, das ist der Nussschnaps, von Henning selbst hergestellt, hmmm!
Zu einer kuriosen Wette kam es im Zusammenhang mit den Fußballkontakten. Einer der ersten Trainer und Betreuer in Ribe war Mogens Vinther, junger Rechtsgelehrter und bis jetzt Anwalt in seiner Heimatstadt. „Ribe – Ratzeburg, das ist doch keine Entfernung! Das erledigen mein Freund Niels Christian und ich locker an einem Tag mit dem Cykel (Fahrrad).“ E.-A. Jobmann und H.-J. Höhne boten eine Wette an: Zwei Kisten Bier für dies „unmögliche“ Vorhaben.
Der Zeitungsausschnitt beweist, dass die Burschen ihren Plan wahr machten! Sie setzten sich auf ein geliehenes Tandem, erledigten eine Trainingstour nach Kammerslusen und zurück (etwa 12 km) und radelten nach Ratzeburg – bei schlechtem Wetter und (nach eigenem Bekunden) ständigem Gegenwind sowie einigen Kilometern auf der Autobahn A 7, die es ja seit den Olympischen Spielen 1972 gab, die aber auf der Straßenkarte (des Juristen Mogens) noch nicht eingetragen war. Das wurde den beiden Polizeibeamten bewiesen, und die jungen Männer durften die nächste Abfahrt benutzen!
Mogens‘ Kommentar während des Verbrüderungsessens: „Sagt doch den Bürgermeistern, sie sollen keine Reden halten, sondern Tandem fahren!“ Und wenige Wochen später kam merkwürdige Post bei Jobmanns und Höhnes an. Auf einem ausgerissenen Pappstück war zu lesen: „Lieber Ernst-August / Hans, du bist zu einem denkwürdigen Mittagessen eingeladen. Der Name dieses Essens: Tandemessen. Du kannst deine Frau oder ein anderes Weib mitbringen. Der Eintrittspreis ist eine Kiste Bier.“ Wir fuhren mit unseren Frauen und trafen zu unserer Verwunderung in dem Haus unter dem Dom in Grydergade etwa 20 Personen an, die alle auf die unterschiedlichste Art mit dem Tandem zu tun hatten, bis hin zum Fanklub. Natürlich gab es genug zu trinken, aber auch gut zu essen, und einer der Gänge steht bei uns (Höhne) noch heute ab und zu auf der Speisekarte: Pellkartoffeln, marinierter dänischer Sild, den es ja nun auch hier zu kaufen gibt, Butter, Petersilie und gehackte Zwiebeln, dazu ein Bier und, wenn gewünscht, ein Aalborg Jubilæumsschnaps. Der Name des Mittagessens? Tandemessen. Vel bekomme!
Es gab weitere Annäherungen, die jedoch in den Anfängen stecken blieben. Dazu gehörten auf sportlichem Gebiet Handball, Turnen und Schach. Überhaupt kann man an dieser Stelle einmal feststellen, dass es, wie auf vielen Lebensgebieten, natürlich ebenso im Bereich der Städtepartnerschaften Höhen und Tiefen gibt. Mancher Kontakt, den man gern für Interessierte auf der einen Seite herstellen möchte, kommt ganz schlicht deshalb nicht zustande, weil sich sich auf der anderen Seite kein Partner findet. Manche glückliche Verbindung schläft nach geraumer Zeit ein, aus unterschiedlichen Gründen. Schuldzuweisungen sind jedenfalls meistens sinnlos. Wie heißt es bei Ehescheidungen? „Trennung in gegenseitigem Einvernehmen.“
1977 erlebte Ribe einen Höhepunkt seiner zahlreichen Kontakte zu europäischen Gemeinden: das venskabsbystævne (Freundschaftsstadttreffen) mit vielen Ereignissen auf sportlichem wie kulturellem Gebiet. Ratzeburg stellte eine große Delegation.
Vorbereitung wie Durchführung dieses Großereignisses lagen in den Händen von Richard Kværnø, dem Mann, dem alle mit Ribe befreundeten Städte in Norwegen, Schweden, England, Frankreichviel verdanken, und auch wir dürfen, wie Güstrow, einmal sagen: „Danke, Richard! Tusind tak!“ Richard war seit Gründung von venskabsbyforeningen lange Jahre der ungemein aktive Vorsitzende.
An unserem Beispiel zeigt sich, dass der Sport ein idealer Einstieg in freundschaftliche Verbindungen unter größeren Gemeinschaften sein kann.
Der nächste Abschnitt unserer Erinnerungen betrifft ein kulturelles Ereignis aus dem Jahre 1987; es beginnt mit einem Traum, in dessen Mittelpunkt St. Catharinæ steht, die Klosterkirche auf dem Foto.
Die Luftaufnahme entstand 1988 während eines Rundflugs vom Strand von Sønderho auf Fanø. Der Traum ist älter. Ich träumte ihn, als ich 1971 in den Klostergarten von St. Catharinæ trat und sofort dachte: ‚Hier einmal den Slömer spielen!‘ Den niederdeutschen Jedermann hatten wir Ende der 50-er Jahre in Ratzeburgs Klostergarten zum ersten Mal aufgeführt, und er hatte die Zuschauer und uns tief angerührt. Mein Traum erfüllte sich nahezu 30 Jahre später. Anfang 1987 sprachen mich Annegret Schröder (inzwischen leider verstorben) und Klaus-Jürgen Mohr an, die beiden Hauptdarsteller unseres Slömer. Im Gespräch mit anderen Darstellern war der Wunsch erwacht, das Stück (von dem wir alle sowieso den Text noch kannten!) wieder mal aufzunehmen. Unser Spielleiter Peter Brunckert, mein Vorgänger an der Heimvolkshochschule, lebte seit langem in Preetz, hatte aber zugesagt, einige Male zu Proben zu kommen, wenn ich die grundlegenden Vorarbeiten erledigen würde. M e i n T r a u m ! Ich erklärte mein Einverständnis unter einer Bedingung, die ich hier nicht nennen muss.
Und so spielten wir im Sommer 1987 den Slömer im Klostergarten von St. Catharinæ zu Ribe, eine Woche nach der Ratzeburger Aufführung. Den Ablauf der Handlung hatte ich szenenweise aufgeschrieben, Aase hatte ihn übersetzt. Musikalische Unterstützung erhielten wir von der „musica divina“ unter Susanne Himmelheber, die Beleuchtung von zwei jungen Männern aus Ribe, die Orgelmusik am Schluss von einer Schallplatte unseres Domorganisten Neithart Bethke!
Kulturelle Besuche gab es noch wechselweise zwischen Ribe Mandskor und Sängerchor Feierabend sowie Ribe RockKor in Ratzeburg und dem RSV-Spielmannszug in Ribe.
Ribe ist – wie Ratzeburg – eine Schulstadt. Damals gab es noch das inzwischen geschlossene Lehrerseminar, von dem hier schon die Rede war. Durch Aase Lindstrøm Nielsen konnte der freundschaftliche Kontakt zwischen der Vittenbergskole und der Grund- und Hauptschule St. Georgsberg hergestellt werden, an der ich seit 1970 Dienst tat. Die 10. Klassen aus Ribe hatten später Verbindung zur Ernst-Barlach-Realschule, das aber in einer Zeit, als die von Anfang an so gern praktizierte private Unterbringung weitgehend „out“ war. Wir erfreuten uns noch daran. Eine Ratzeburger Schülergruppe verbrachte einmal während einer Projektwoche fünf Tage an der Nordseeküste, in einer Welt, die den jungen Leuten natürlich neu war. Eine Riber Klasse kombinierte eine Klassenreise mit einem Kurzaufenthalt in Berlin (Die deutsche Teilung war ja für die Dänen von großem Interesse!) und kam dann für ein paar Tage zu uns. Dabei gab es gleich bei der Ankunft auf dem Bahnhof einen „Zwischenfall“: Ellen Heide, die Klassenlehrerin, berichtete aufgeregt, dass zwei der Jungen vor Büchen in den Speisewagen gegangen waren. Als sie hinter Büchen in ihren Waggon zurück wollten, war der nicht mehr da, denn das war ein Kurswagen Richtung Lübeck; sie befanden sich auf dem Weg nach Hamburg! Was tun? Die missliche Situation wurde per Telefon geklärt, und ein freundlicher Ratzeburger Kollege holte die Beiden am Hauptbahnhof in Hamburg ab.
Solch Versehen passierte selbstverständlich uns Lehrern nicht. Zum ersten Kollegiumstreffen sind unsere Freunde jedenfalls am 3. Oktober 1980 alle wohlbehalten bei uns angekommen; zwischen unserem Schulleiter Wolf Ulmer und mir steht übrigens Aase, rechts außen Ellen Heide. Bei Fachgesprächen, Volleyball-Vergleichen und „hyggeligen“ Abenden gab es in Ratzeburg wie in Ribe für alle immer wunderschöne Stunden.
In meinem Brief von 1971 wird auf den geplanten Besuch der Riber Sozialdemokraten in Ratzeburg hingewiesen. Er fand Anfang Juni des nächsten Jahres statt. Heute wissen wir um die Gelassenheit, mit der die skandinavischen Bürger mit der Einstellung zu parteipolitischen Unterschieden umgehen können; man denke nur an ihre Fähigkeit, mit Minderheits-Regierungen zu leben. Mein Eindruck ist, dass sich auf dem Gebiet auch in Deutschland einiges verändert hat (dabei denke ich gern auch an den lockerer gewordenen Umgang mit unseren nationalen Symbolen wie der Fahne). Für unseren SPD-Ortsverein waren Kontakte zu Gleichgesinnten selbstverständlich. Das betraf Ribe wie Esneux oder Châtillon. Bei Bürgermeister Carl Johan Pedersen, Mitglied der Venstre, einer sogen. „bürgerlichen“ Partei, gab es im Vorgespräch nicht den Hauch einer Ablehnung solcher Kontakte. Nach Besuch und Gegenbesuch von Gruppen gab es 1979 einen Höhepunkt: Socialdemokratiet feierte das 75-jährige Bestehen im Hotel „Munken“ (inzwischen verschwunden), und wir durften dabei sein, wie übrigens dann auch 25 Jahre später. Längere Kontakte bestanden noch zu Carsten Uno Pedersen, heute Gredstedtbro.
Beide Fotos zeigen ein Jubiläumsgespräch mit Staatsminister (Regierungschef in Kopenhagen) Anker Jørgensen. Links auf dem kleinen Bild Søren Tang, Ortsvereins- Vorsitzender, mit seiner Frau, in der Mitte ein führendes Parteimitglied aus Esbjerg. 2001 trafen wir Staatsminister Poul Nyrup Rasmussen Im Hotel „Sønderjylland“. Man sieht: Sozialdemokraten verkehren ab und zu in den höchsten dänischen Kreisen!
Mit einem weit über Dänemarks Grenzen hinaus bekannten Politiker verbinden sich einige besonders freundliche Erinnerungen. Er war Minister in verschiedenen Bereichen, auch unter Anker Jørgensen, und ein zutiefst überzeugter Europäer: Per Hækkerup.
„Ich bin glücklich, hier endlich zu sein.“ Der Satz, den Per ins Gästebuch der Stadt schrieb, hat natürlich eine Vorgeschichte. Einige Jahre zuvor blieb eine für Hækkerups Besuch im Rathaus vorbereitete Seite leer. Die konnte nicht zweckgemäß ergänzt werden, weil unser Freund seinen Besuch kurzfristig absagen musste, denn ausgerechnet an dem Freitag wurde im Folketing der Etat des Königreichs beraten, da durfte der Herr Minister nicht fehlen!
Von zwei Begegnungen muss noch berichtet werden, bei denen Per die zentrale Rolle spielte. Im Sommer 1976 tauschten wir für drei Wochen unsere Häuser mit Aase und Simon. Wir tauschten auch die Tageszeitungen; wir lasen also „Vestkysten“. Eines Tages fand sich ein Bericht: Per und Grete Hækkerup unternahmen eine Cykeltur (Fahrradtour) über Tønder nach Esbjerg. Dazu gab es ein Foto der beiden am Kaminfeuer im Hotel „Tønderhus“.
Sollten sie wohl in Ribe Station machen? Rasch in die Stadt und Frage im Hotel „Dagmar“. Der Portier tat völlig ahnungslos: Davon wisse er „ingenting“ – gar nichts.
Gegen 6 Uhr nachmittags saßen wir mit einer lieben Freundin bei einem Glas Bier in „Weis‘ Stue“, dem wunderschönen alten Lokal mitten im Zentrum der Stadt am Dom gegenüber dem Hotel „Dagmar“. Wir saßen in dem Raum zur Rechten am Fenster mit Blick auf den Hoteleingang. Plötzlich erschienen zwei ältere Radfahrer, nur wenig beladen mit ein wenig Gepäck: Grete und Per Hækkerup! Ehrenwort: Das alles war reiner Zufall! Ich natürlich raus und mich vorgestellt. Per erinnerte sich. Er hatte in den 60-er Jahren einmal einen europa-politischen Vortrag zum Altscholaren-Treffen unserer HVH und Eröffnung des Wintersemesters der städtischen Volkshochschule gehalten, und die Zwangs-Absage eines SPD-Besuches lag nicht weit zurück. Wir plauderten, ich wünschte „god tur!“ und ging zurück zu meinem Bier. Es dauerte ein Weilchen, da öffnete sich leise die Tür: „Wenn wir uns schon hier treffen, sollen wir doch ein Glas zusammen trinken“, sprach der Herr Minister und setzte sich zu uns. Wir hatten eine anregende halbe Stunde. Per schimpfte schmunzelnd mit dem Frøken (Kellnerin), weil sie noch nicht wusste, dass der Doktor ihm verboten hatte, Whisky ohne Wasser zu trinken, und verabschiedete sich mit einer Frage: „Kennt ihr den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland? Ostdeutschland hat Karl Marx, Westdeutschland hat das Kapital.“ - Es tat mir wieder leid, dass sein Besuch und die vorbereitete Begegnung mit A. Paul Weber geplatzt war; ich bin sicher: Die Beiden hätten sich gut verstanden.
Ja, und schließlich war da die Sache mit der alten Fahne: Als Per 1978 in Ratzeburg war, führten Isfried Hunstock (CDU-Vorsitzender und engagierter Heimatforscher) und ich ihn nach dem Rathaus-Empfang zur Ratzeburger Schützengilde. Bei einem Kaffee im „Gildehaus“ holten wir in „großer Koalition“ die Fahne aus dem Schrank, die in voller Schönheit auf der nächsten Seite zu bewundern ist. Ihre Geschichte soll ein wenig ausführlich geschildert werden, und dabei mag helfen, was Hans-Georg Kaack, damals Kreis-Archivar, 1987 in seinem Buch „Ratzeburg – Geschichte einer Inselstadt“ (erschienen im Wachholtz-Verlag) auf S. 421 schrieb: „1815 Nach der Vertreibung der Franzosen wird Lauenburg ein Objekt hoher Politik. Im Verlaufe der vielen Gebietsänderungen durch den Wiener Kongreß erhält Preußen Rügen und Vorpommern von Schweden, Schweden gewinnt als Ausgleich Norwegen von Dänemark, und Dänemark muß sich mit Lauenburg begnügen. ... Die Bevölkerung wird nach ihrer Meinung über den Herrschaftswechsel nicht befragt.“ Man darf aber wohl den sicheren Eindruck haben, dass die 50 Jahre der dänischen Herrschaft den Menschen keinen Schaden zugefügt haben. Jedenfalls lesen wir bei Kaack auf S. 422: „1851 Am 8. Januar erläßt König Friedrich VII. von Dänemark ein Patent, worin es nach dem Zusammenbruch der schleswig-holsteinischen Erhebung heißt:
‚ ... Inmitten der Erschütterungen und der Aufregung der Gemüther, welche die verflossenen Jahre bezeichnet, hat in Unserem Herzogthum Lauenburg die öffentliche Ordnung keine gewaltsamen Störungen erlitten, die Gesinnungen der Ergebenheit und Treue für den Landesherrn sind nicht verläugnet worden. Dem Sinne der lauenburgischen Einwohner für Gesetzlichkeit und Recht geben wir gerne dieses Zeugniß.‘“
Bei einem Besuch in seinem Herzogtum 1855 schenkte Friedrich der Schützengilde von 1551 die schöne Fahne mit seinem schönen Wahlspruch: „FOLKETS KJÆRLIGHED – MIN STYRKE“ (Volkes Liebe – meine Stärke). Seit längerem kann sie leider nicht mehr beim jährlichen Schützenfest gezeigt werden, denn der Zahn der Zeit ist nicht spurlos an ihr vorüber gegangen.
Das erzählten wir Per Hækkerup 1978. Auf meine bescheidene Frage, ob nicht die Königin vielleicht ....., reagierte er sofort: „Du, das ist möglich. Mein Freund ist Minister; in seinen Bereich gehören Dinge des königlichen Hofes, und in dessen Etat gibt es einen Posten für solche Ausgaben. Schreib mir alles genau auf, dann wollen wir sehen, ob die Königin nicht eine neue Fahne geben kann.“ Toll! Aber: Natürlich geht so etwas nicht hinter dem Rücken des Schützenoberst. Ich benachrichtigte also den Gilde-Vorsitzenden. Bevor ich die Sache in die Wege leiten konnte, teilte der mir mit, er habe umgehend Kontakt mit dem zuständigen Generalkonsulat aufgenommen und bereits offiziell die Antwort erhalten: Es ist kein Geld für das Vorhaben da. Farvel, lille drøm! Nicht jeder Traum geht in Erfüllung.
Die beiden Bilder zeigen links die „dänische“ Seite mit dem Jahr der Schenkung (1855) unten, rechts die Rückseite mit Ratzeburgs Stadtwappen, alles natürlich kunstvoll gestickt.
Meine 45 Jahre mit Ratzeburg und Ribe
von Ruth Christensen, Ribe, am 13. August 2014
"In Hans Höhnes interessantem Bericht „Ribe - Ratzeburg: Die ersten Jahre unserer Freundschaft“ lese ich etwas sehr Überraschendes: „Zu ersten Sondierungsgesprächen kam borgmester Carl Johan Pedersen (Ribe) mit einer kleinen byrad-Gruppe im Mai 1969 nach Ratzeburg. Der Anfang war gemacht.“
Für mich besonders interessant, weil ich im Frühling 1969 Teilnehmerin des 37. Grundlehrgangs der Evangelischen Heimvolkshochschule Domhof in Ratzeburg war.. Und ich hatte zu der Zeit noch keinen Kontakt mit Ribe.
Ich bin auf der Insel Ärö geboren. Nach dem Abitur 1968 wünschte ich wie viele andere von meinem Jahrgang, ein Jahr im Ausland zu verbringen. Viele meiner Freundinnen wählten einen Au-Pair-Job. Ich war aber nicht besonders häuslich, und zum Glück zeigte sich eine ganz andere Möglichkeit. Von einem Bekannten (Knud Pedersen) hörte ich von einer internationalen Hochschule in Ratzeburg. Da musste ich hin!
Der Entschluss, den Sommerlehrgang vom 1. April bis 15. Juni mitzumachen, wurde eine entscheidende Wahl für mein Leben und für meinen späteren Beruf.
Ich habe in meinen alten Papieren aus jener Zeit gesucht und unter anderen den Wochenplan der Heimvolkshochschule gefunden: Lebens- und Bibelkunde mit Dr. Harring Cornils, Grundlagen der Politik mit Eberhard Fischer und viele andere schwere Themen waren mir echte Herausforderungen. Deutsche Literatur und Deutsch für uns Ausländer mit Dozent Höhne waren aber für mich viel interessantere und vor allem lustigere Stunden.
Das Leben hinter den dicken Mauern am Domhof war schön. Freundschaften entstanden, und eine meiner besten Freundinnen ist heute immer noch Petra Rechenberg, mit der ich das Zimmer teilte.
Ich könnte viel mehr von den lehrreichen und erlebnisreichen Monaten in Ratzeburg erzählen. In guter Erinnerung habe ich immer noch die beiden Studienreisen: mit Eberhard Fischer nach Berlin und mit Hans Höhne nach Praha.
Ganz unabhängig von den ersten Initiativen zwischen Ratzeburg und Ribe, begann ich im August 1969 mein Studium am Lehrerseminar in Ribe, natürlich mit Deutsch als Wahlfach und Arne Laut als Deutschlehrer.
In den Jahren danach habe ich viele Male Ratzeburg besucht: zuerst Altscholaren-Treffen in der HVH, dann Besuch mit einer Riber Klasse, viele private Reisen und schließlich schöne Besuche mit dem Partnerstadt-Verein.
Ribe wurde meine Stadt, und hier wohne ich noch. Nach 36 Jahren als Deutschlehrerin in der dänischen Volksschule (die letzten 20 Jahre an der Vittenbergschule) habe ich mich zurück gezogen und genieße nun ein aktives Leben als Rentnerin.
Seit 2008 bin ich Vorstands-Mitglied im Partnerstadt-Verein (venskabsbyforeningen) in Ribe. Das ist eine sehr interessante Tätigkeit, und ich freue mich immer besonders, wenn wir uns mit den Freunden aus Ratzeburg treffen. Und ich reise noch immer gern nach Ratzeburg, der schönen Stadt meiner Jugend. Für mich hat sich ein Ring geschlossen.
Zuletzt danke ich Hans Höhne für die vorausschauenden Pläne, die er 1971 für die Zusammenarbeit zwischen Ratzeburg und Ribe entwickelt hat, und für unseren guten Kontakt durch so viele Jahre. Ich freue mich immer auf ein Wiedersehen."
Von den ersten Verbindungen der Schwimmer und den Folgen berichtet Hubert Siemers:
"Im Jahre 1975 hatte die Schwimmabteilung unter Elkes (Huberts verstorbene Frau) die Idee eines Trainingslagers für die Schwimmer des Ratzeburger Sportvereins im Ausland. Es bot sich Ribe an, da wir wussten, dass Ribe ein Freibad mit reichlich Platz hatte.
Im Herbst 1975 nahm Elke Kontakt mit der Kommune Ribe auf. Zur Unterkunft wurden wir an die Jugendherberge verwiesen. Im Freibad wurden uns täglich von 9,30 – 11,30 Uhr zwei Bahnen zugesagt. Die Bezahlung war zu unserer Überraschung sehr gering – mit der Begründung: „Es handelt sich um ein Kinder- und Jugendtraining“. Alles passte, und für die ersten beiden Wochen der Sommerferien 1976 wurde alles klar gemacht.
Wir reisten mit dem RSV-Bus und Privat-Pkws, 20 Jungen und Mädchen und 5 Betreuer. Dieses Trainingslager hatte keinen offiziellen Charakter, brachte aber viele nette Kontakte unter den Schwimmerinnen und Schwimmern. Auch die Betreuer, Fam. Klenz, Fam. Siemers und Gerda Hein knüpften Kontakte, Elke und ich mit Poul Nielsen und Sonja. Poul war ein Schwimmmeister allererster Klasse, insbesondere mit tollem Umgang mit den Kindern.
Es wurde ein prima Trainingslager mit einer Ausnahme: Ein dänischer Badegast beschwerte sich über die erneute „Besatzung durch die Deutschen“ wegen der Abtrennung von zwei Schwimmbahnen. Diese Angelegenheit wurde im Einvernehmen mit Richard Kværnø bereinigt.
Durch dieses Trainingslager entstanden Freundschaften, die bis zum heutigen Tage gehalten haben. Bei uns z.B. mit Wibeke und Henning Karlby. Wibeke war ab Ende 1976 Leiterin des Ribe Svømmeklubs, Henning Organisator.
Viele nachfolgende Schwimmveranstaltungen wurden besucht. Das „Frühlingsschwimmen“ in Ratzeburg ohne Ribes Schwimmer war undenkbar. Die Schwimmer wurden in Ratzeburg und Umgebung bei den Schwimmeltern untergebracht, ebenso erfolgte die Unterbringung für uns in Ribe.
Für uns war und ist die Verbindung zu den Dänen in Ribe eine wahre Bereicherung. Lebensform und Kultur der Dänen haben uns sehr viel gegeben – bis heute."
Und an dieser Stelle darf der Autor einen für ihn erfreulichen Beitrag leisten. Es war wohl 1977, dem Jahr unseres Haustausches, als meine Frau und ich den Gl. Aavej entlang gingen. Von einem Grundstück, etwa 20 m vor uns, betraten zwei Mädchen den Fußweg und gingen wie wir Richtung Idræts Alle´. Plötzlich drehte sich eine um, stieß die andere an: „Das ist mein Mathe-Lehrer!“ Das war die Schwimmerin Marlies Kömme, die ihre neue Freundin besuchte. Solches sind die besonderen „Erfolgserlebnisse“ der Verbrüderungsarbeit, die doch überhaupt keine Arbeit ist!
1981 feierten wir im Oktober unsere Silberhochzeit. Einige Tage zuvor geschah Seltsames: Der Postzusteller brachte eine Streifbandzeitung! Das ist die Annoncen-Zeitung ähnlich dem MARKT bei uns.
Und merkwürdig: In der folgenden Woche kam die nächste. Allmählich dämmerte es: Die Freunde in Ribe hatten das Porto gesammelt und für uns ein Abo des (kostenfreien) Blattes bestellt. In der darauf folgenden Ausgabe konnten sie lesen: „Liebe Freunde! Das war eine prima Idee! Es danken Eva und Hans in Ratzeburg.“ Das Abo lief über ½ Jahr, den Preis für die Anzeige durfte ich beim nächsten Ribe-Besuch bezahlen.
Man wird verstehen, dass mir dieser Glückwunsch besondere Freude bereitet hat. Jens Christensen war der Nachfolger von Carl Johan Pedersen, die Post überbrachte Richard Kværnø, der mit Aase und Simon Jermiin Nielsen mein Gast im DLRG-Haus war.
Die Stadt Ratzeburg beauftragte mich, den inoffiziellen Teil der Veranstaltung abzuwickeln, weil ich den Kontakt zu Vereinen usw. am besten vermitteln konnte. In unserer Stadt fand ich sage und schreibe 17 (siebzehn!) Ansprechpartner. Es gab also überhaupt kein Problem, einen Bus zu füllen, dazu kamen etliche Privat-Pkw. Besonders erfreulich war die Teilnahme der Volkstanz-Gruppe der Siedlerjugend und ihr Auftritt beim Festessen in Ribelund.
Schließen will ich mit einem Plakat aus dem Jahre 1949 (also 40 Jahre vorher), das mir Heinz Lorenzen, Chef der Tourist-Information, am Beginn unserer Freundschaft schenkte. Danke an alle, die mir geholfen haben, u.a. an die Ratzeburger Stadtverwaltung - und „mange tak“ an alle Freunde in Ribe für wundervolle Stunden dort oder hier! Vi ses, i Ribe eller i Ratzeburg!
Hans-Joachim Höhne, Ratzeburg, am 26. August 2014
Archivalen 2013
Archivale 01/2013 - Die Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung in Ratzeburg
Die Fotos, die uns von Rainer Voth zur Verfügung gestellt wurden, zeigen das Richtfest für die Häuser der Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung in der Treptower Straße.
Der Bau der Siedlung wurde maßgeblich durch das Hilfswerk der Fürstin Ann Mari von Bismarck (1907-1999) unterstützt. Die Fürstin stammte aus Schweden und begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg damit, Hilfe für die zahlreichen Flüchtlinge zu organisieren, die in unseren Kreis gekommen waren. Während es zunächst um Lebensmittel und Bekleidung ging, hat die Fürstin Bismarck später vor allem in den USA und den skandinavischen Ländern Spenden eingeworben, um in Deutschland den Siedlungsbau für besonders bedürftige Familien fördern zu können. Das Hilfswerk war seit 1951 an das DRK angegliedert.
Solche Siedlungen entstanden in mehreren Gemeinden des Kreises Herzogtum Lauenburg. Die erste Siedlung, die mit Mitteln errichtet werden konnte, die die Fürstin eingeworben hatte, entstand 1952 in Klempau. Insgesamt wurden in acht Orten bis 1966 182 Kleinsiedlungen errichtet. Neben den Spendengeldern aus Amerika, Schweden und Finnland wurden die Bauprojekte durch Landes- und Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz finanziert.
Die letzte große Hilfsaktion wurde durch das Hilfswerk nach der Flutkatastrophe im Februar 1962 organisiert. 1966 stellte das Hilfswerk sein soziales Engagement ein.
Das Richtfest in der Treptower Straße fand am 6. September 1954 statt. Aus Anlass des Richtfestes wurde Ann Mari von Bismarck das neugeschaffene Ehrenzeichen in Gold vom DRK-Präsidenten Dr. Weitz verliehen.
Das Hilfswerk legte besonderes Gewicht auf eine enge Verbindung zwischen Spendern und Empfängern: „Im Gegensatz zur Anonymität größerer Organisationen wussten die Spender dadurch sehr genau, bei wem ihre Spende angekommen war und lernten aufgrund der Dankesbriefe eventuell sogar die Lebenssituation der Hilfsbedürftigen kennen.“ (Oberländer S. 151)
So trugen auch die Häuser in Ratzeburg Namen, die von den Spendern ausgesucht wurden oder
„Namen […], die erkennen lassen, woher die Spenden geflossen sind, die sozusagen die Initialzündung zu den Siedlungsbauten gaben". (Bericht über das Richtfest in der "Lauenburgischen Zeitung" vom 7. September 1954)
Die Benennung der Treptower Straße durch die Stadtvertretung erfolgte am 12. Oktober 1954.
Literatur: Christiane Oberländer „Das Flüchtlingshilfswerk der Ann Mari Fürstin von Bismarck (1945-1966), in: Terra et Mars. Aspekte der Landes- und Militärgeschichte, Festschrift für Eckardt Opitz zum 65. Geburtstag, Hrsg. von Michael Busch, Neumünster 2003, S. 135-156.
Archivale 02/2013 - Zur Geschichte der Ratzeburger Genossenschaftsmolkerei
Direkt an der Seestraße entsteht derzeit das Wohnprojekt "Alte Meierei". Dies ist Anlass, einen Rückblick auf die Geschichte der Ratzeburger Genossenschaftsmeierei zu werfen, die diesem Projekt den Namen gegeben hat.
Die Molkerei-Genossenschaft wurde im Februar 1889 gegründet und schon im Oktober des gleichen Jahres konnte die Meierei ihren Betrieb aufnehmen. Dies ist in den Berichten der "Lauenburgischen Zeitung" zu entnehmen, die unten nachzulesen sind.
1927 wurden die Gebäude erweitert und umgebaut. Die Fotoserie dieser Baumaßnahme wurde dem Stadtarchiv von einem privaten Fotoalbum zur Verfügung gestellt.
Umfangreiche Baumaßnahmen wurden auch Mitte der 1950er Jahre vorgenommen. Am 19. November 1955 feierte die Meierei nach 7-monatiger Bauzeit ihr Richtfest für den ersten Bauabschnitt, der die neuen Betriebsräume umfasste.
Im zweiten Bauabschnitt wurden die Kontorräume und das Laboratorium erstellt sowie die Fassade modernisiert.
Im Februar 1964 feierte die Molkerei-Genossenschaft mit dem Festball bei Wittlers ihr 75-jähriges Bestehen. In seinem Grußwort betonte Walther Dohrn, der Direktor der Kreissparkasse: "Wir Städter sollten nicht nur mehr Milch trinken, sondern auch bereit sein, der Landwirtschaft dafür den gebührenden Preis zu bezahlen."
Ende Oktober 2004 stellte die Ratzeburger Molkerei-Genossenschaft ihre Produktion ein und wurde zum 30. November liquidiert. Die Preiseinbrüche auf dem Milchmarkt hatten zu diesem Ende geführt.
Aus der "Lauenburgischer Zeitung" Nr. 17 vom 7. Februar 1889
"Ratzeburger Genossenschafts-Molkerei". Die am Montag [4. Februar 1889] behufs Gründung einer 'Molkerei-Genossenschaft zu Ratzeburg' einberufene Versammlung war von Landwirten aus Ratzeburg und Umgebung gut besucht. Nachdem das im Entwurf vorliegende Statut einer eingehenden Diskussion unterzogen und mit unwesentlichen Änderungen angenommen war, konstituierte sich auf Grund desselben die Genossenschaft mit 25 Mitgliedern, welche 279 Kühe zeichneten.
Die Zahl der Genossenschaftler dürfte aber noch größer werden, da Anmeldungen zum Beitritt bis zum Montag, 18. ds. Mts. nachmittags beim Maurermeister Bartels - Ratzeburg erfolgen können und wohl mancher kleiner Landwirte den ihm durch den Beitritt zur Molkerei-Genossenschaft gebotenen Vorteil noch rechtzeitig erkennt. An diesem Tag nachmittags 3 Uhr findet dann eine Versammlung der Genossenschaftler statt, in welcher an Stelle der jetzigen geschäftsführenden Kommission der Vorstand gewählt werden soll. Man hofft, den Betrieb der Molkerei bereits am 1.7. ds. Jhs. eröffnen zu können."
Aus der "Lauenburgischen Landeszeitung" Nr. 122 vom 15. Oktober 1889
"Die Ratzeburger Genossenschaft-Molkerei eröffnet
mit dem 16. d. M. den Betrieb."
"Die Ratzeburger Molkerei-Genossenschaft. Einem geehrten Publikum Ratzeburgs hierdurch die ergebene Mitteilung, daß mit der Betriebs-Eröffnung der Molkerei der Verkauf der Molkereiprodukte am Mittwoch, d. 16. d. Mts. beginnt. Vom genannten Tage ab werden die Verkaufswagen der Genossenschaft, welche sämtliche Molkereiprodukte mit sich führen, an jedem Vormittage in den Straßen der Stadt fahren und außerdem im Laden der Molkerei ein Verkauf von Milch, Butter und Käse stattfinden. Die Tagespreise sind an den Verkaufswagen angeschlagen.
Bestellungen für bestimmte Zeiten des Tages werden im Laden oder Comptoir der Molkerei-Genossenschaft, woselbst auch evtl. Beschwerden über unpünktliche Lieferung etc. anzubringen sind. Indem die Genossenschaft für beste Produkte bei den niedrigsten Tagespreisen sorgen wird, bittet sie um rege Unterstützung des Unternehmens.
Ratzeburg, 15. Oktober 1889
Der Vorstand"
Aus der "Lauenburgischen Landeszeitung" Nr. 62 vom 29. Mai 1890
"Die hiesige Genossenschafts-Molkerei hat heute mit dem Milchausschank in ihren Räumlichkeiten begonnen, womit manchem Morgen-Spaziergänger eine besondere Annehmlichkeit geboten sein dürfte. Der Garten der Molkerei, welcher jetzt auch einen Anlegerplatz für das Dampfschiff 'Auguste' erhalten hat, steht im ersten Grün und findet bereits fleißige Besucher."
Archivale 03/2013 - Ein »Stolperstein« für Aenne Raaz
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden viele Menschen, insbesondere Juden, deportiert, ermordet, vertrieben oder in den Suizid getrieben. Auch hier, im Kreis Herzogtum Lauenburg, erlitten viele Juden ein solches Schicksal.
Eine davon war Aenne Raaz ( geborene Borchardt ). Sie lebte mit ihrem Mann Ewald Raaz in Ratzeburg, in der Lübecker Straße 19.
Als sie erfuhr, dass sie deportiert werden sollte, nahm sie sich, mittels Gift, das Leben. Sie starb am 18. Februar 1945.
Bevor Aenne Raaz nach Ratzeburg kam, lebten sie und ihr Ehemann in Berlin. Im Jahr 1936 zogen sie, in der Hoffnung auf mehr Schutz vor dem Regime, nach Ratzeburg.
Über das Schicksal von Aenne Raaz war, im Gegensatz zum Schicksal anderer jüdischer Familien, z.B. den Rosenbergs, lange sehr wenig bekannt.
Das änderte sich, als die Klasse 10d der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) Ratzeburg gemeinsam mit dem Stadtarchivar Christian Lopau im Winter 2012 begann, das Schicksal der Jüdin zu erforschen. Die Schüler recherchierten selbstständig und führten auch Gespräche mit der Enkelin von Aenne Raaz. Das Projekt fand seinen Abschluss am 18. Februar 2013, dem Todestag von Aenne Raaz, mit einer Gedenkfeier in der Aula der LG.
Die Schüler präsentierten die Situation der Juden im Kreis und gingen dann näher auf das Schicksal von Aenne Raaz ein. Am Ende der Gedenkfeier konnte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung Kerzen für Aenne Raaz anzünden. Begleitet wurde die Veranstaltung vom Chor der LG.
Die Gedenkfeier in der Lauenburgisshen Gelehrtenschule
(Foto: MARKT-Zeitung)
Im Zusammenhang mit diesem Projekt wurde ein Stolperstein hergestellt. Dieser soll im Sommer 2013 vor dem Haus von Aenne Raaz verlegt werden.
Solche Steine sollen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Erfunden wurden sie von dem Künstler Günter Demnig, der auch bei der Verlegung dieses Stolpersteins dabei sein wird.
Diese Archivale wurde textlich erarbeitet von Annika Sauer, Schülerin der Lauenburgischen Gelehrtenschule, im Rahmen ihres Praktikums
im Stadtarchiv Ratzeburg
Archivale 04/2013 - Der Weg zur Demokratie
Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland im Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die vier Besatzungsmächte – Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich - entwickelten jeweils eigene Vorstellungen und Pläne, wie das politische Leben in ihren Besatzungszonen gestaltet werden sollte.
Der britischen Besatzungsmacht lag daran, die kommunale Selbstverwaltung möglichst schnell wiederherzustellen, um die Demokratie in Deutschland „von unten nach oben“ wieder aufzubauen. Die ersten Stadt-, Gemeinde- und Kreisvertretungen wurden von den Besatzungsbehörden ernannt.
Mit der Verordnung Nr. 12 für das britische Kontrollgebiet wurde die Bildung politischer Parteien auf lokaler Ebene ermöglicht.
Die britischen Behörden förderten auch den Aufbau neuer, vor allem bürgerlicher Parteien, um die politische Verantwortung möglichst bald an die Deutschen zurückgeben zu können. Trotzdem hatten es die neuen bürgerlichen Parteien anfangs schwer, da sie anders als beispielsweise die SPD nicht an Traditionen aus der Zeit vor der NS-Diktatur anknüpfen konnten. Außerdem fanden sich oft nur wenige Bürger, die unbelastet aus der NS-Zeit hervorgegangene Personen, die überhaupt Politik ausüben durften.
Der Termin für die erste Kommunalwahl wurde auf den 15. September 1946 festgesetzt. Der Kreistag wurde am 13. Oktober 1946 gewählt. Es galten sehr genaue Vorschriften zur Vorbereitung und zum Ablauf der Wahl. So mussten die Wahllokale bis zum 12. August 1945 bekannt gegeben werden. Die Wahlvorstände wurden genau überprüft. Auch die Kandidaten wurden auf „braune Tätigkeiten“ untersucht, ehe sie zur Wahl zugelassen wurden.
Auszug aus der Sitzung der Gemeindevertreter vom 02. Mai 1946
Aus den Wahlen gingen im Kreis Herzogtum Lauenburg die CDU und die SPD als stärkste Kräfte hervor. Bei der Kreistagswahl erhielten CDU und SPD jeweils 22 Sitze, die KPD errang einen Sitz. Die KPD verschwand im Laufe der Zeit aus dem politischen Leben in der Region.
In Ratzeburg trat die neugewählte Stadtvertretung am 25. September 1946 erstmalig zusammen. Die CDU hatte 16 der 21 Mandate errungen, die SPD stellte 5 Vertreter.
Dieser Text wurde erarbeitet von Annika Sauer, Schülerin der Lauenburgischen Gelehrtenschule, im Rahmen ihres Praktikums im Stadtarchiv Ratzeburg. Die Bilder wurden zur Verfügung gestellt vom Kreismuseum Herzogtum Lauenburg und Klaus-Jürgen Mohr.
Archivale 05/2013 - "Album Amicorum"
Durch eine großzügige Zuwendung der Fielmann AG befindet sich seit einigen Monaten im Sammlungsbestand des Stadtarchivs ein Stammbuch mit Eintragungen aus der Zeit von 1792 bis 1848, viele von ihnen aus Ratzeburg.
In der Form der Poesiealben sind uns die Stammbücher bis heute vertraut. Entstanden ist diese Form der Sammlung von Gedichten, Versen oder Sinnsprüchen bereits in der Reformationszeit. Damals war es Mode, Autographe (von einer bekannten Person mit eigener Hand geschriebenes Schriftstück) der Reformatoren zu sammeln.
Später wurden die Stammbücher (auch Freundschaftsalben oder „Album Amicorum“) besonders von Studenten genutzt, sich gegenseitig ihre Freundschaft zu bezeugen. Meist zu besonderen Anlässen tauschte man solche Freundschaftsbezeugungen aus
In der Zeit des Biedermeier (1815 bis 1848) erlebten die Stammbücher noch einmal eine Blüte. Der frühere Kreisarchivar und Museumsleiter Dr. Hans-Georg Kaack, der sich mit der Biedermeierzeit intensiv beschäftigt hat, schreibt über die Stammbucheintragungen dieser Epoche:
„In der Biedermeierzeit ist besonders der Fleiß ungezählter Dilettanten groß, die, unbeschwert von jedem literarischen Gewissen, den Gänsekiel ins Tintenfass tunken, um Erinnerungsbücher, Denkmäler der Freundschaft und Stammbücher mit hausgemachten Versen zu füllen.“ (Hans-Georg Kaack, Impressionen aus der Biedermeierzeit, 1992)
In der Form gebundener Büchlein oder als Sammlung loser Blätter in einem Kästchen – wie in unserem Fall – sind einige dieser Stammbücher erhalten geblieben.
Nicht nur auf die Worte kam es vielen Verfassern an, sie haben die Blätter mit Zeichnungen, Stickereien, geflochtenen Haaren oder den Noten zu einer Fuge ausgeschmückt.
Die Blatt mit der Fuge stammt übrigens von dem Möllner Komponisten und Organisten Johann Christoph Schmügel (1727 – 1798).
(eingespielt von Domorganist Christian Skobowsky auf der großen Rieger-Orgel)
Mein Freund!
Dieser Satz gehört im Tempel
Wo die Ehre Gottes wohnt
Bilde Dich durch dies Exempel,
So wird deine Müh belohnt.
Flieh den Tand der Operngänge,
(Da man nichts als Wollust lehrt)
Bleib entfernt vom Weltgepränge,
Werde ja nicht mit verkehrt!
Dein Genie werd immer größer
In der reinen Harmonie
Ja, ich hoff‘ es, werde größer!
Dieses ist mein Wunsch für Sie.
Mit einem alten, redlichen,
deutschen Herzen, wird
dieses unterschrieben
von
J.C. Schmügel 1792
Archivale 06/2013 - Das Ratzeburger Lehrerseminar
Das Landschulwesen im Herzogtum Lauenburg war, aller Reformversuche zum Trotz, bis in das 19. Jahrhundert hinein in einem beklagenswerten Zustand. Eine zentrale Frage bei der Verbesserung des Schulwesens war die Ausbildung der Lehrer. Bis zur Errichtung des Lauenburgischen „Schullehrer-Präparanden-Instituts“, das vor allem der Initiative des Superintendenten Carl Friedrich Wilhelm Catenhusen (*1792 in Ratzeburg +1853 in Ratzeburg) zu verdanken ist, gab es im Herzogtum Lauenburg kein eigenes Institut für die Vorbereitung der Lehranwärter. 1836 wurde die Ausbildung der Anwärter an die Stadtschule in Ratzeburg angegliedert.
Das Präparandeum wurde nach der Angliederung des Herzogtums an Preußen zu einem Lehrerseminar ausgebaut, dessen Eröffnung am 15. Oktober 1873 in Ratzeburg stattfand. Unter den 137 Lehrern im Herzogtum Lauenburg waren 1876 schon 101 ehemalige Präparanden, die in Ratzeburg ausgebildet worden waren.
Die Lehrerausbildung wurde weiter ausgebaut. Stadt, Kreis und preußischer Staat einigten sich auf die gemeinsame Finanzierung des Baus und der Unterhaltung eines Seminargebäudes. 1893 übernahm der preußische Staat die Trägerschaft des Lauenburgischen Lehrerseminars, das im Herbst 1895 in ein dreiklassiges Seminar umgewandelt wurde.
1894 bis 1896 wurde in den Gärten im südlichen Teil der Demolierung ein Neubau errichtet. L. Hellwig berichtet in seiner Stadtchronik: „Besondere Sorgfalt erforderte die Fundamentierung des Baus auf dem sumpfigen Terrain. Der letzte Stamm des Pfahlrostes, der 569., wurde am 14. Mai 1865 eingeschlagen.“
Das neue Seminargebäude wurde am 9. November 1896 eröffnet und bestand bis zum 20. März 1926. In Preußen wurden die Lehrerseminare in der Zeit der Weimarer Republik durch die neue eingerichteten Pädagogischen Akademien abgelöst.
Nachdem das Gebäude anschließend für kurze Zeit leer stand, wurde es von der Stadt für eigene Schulzwecke erworben, um das „gänzlich veraltete und unzweckmäßige Schulgebäude der Stadtschule am Bauhof“ zu ersetzen. Nach Abschluss der notwendigen Umbauten wurde das bisherige Seminargebäude Mitte Oktober 1927 als Stadtschule wieder eingeweiht. Mit dem enormen Anwachsen der Schülerzahlen nach dem Ende wurde eine Neuverteilung der in Ratzeburg vorhandenen Schulräume notwendig. Der damaligen Mittelschule, der späteren Ernst-Barlach-Realschule, wurde das ehemalige Seminargebäude zugewiesen.
Bis zum Auszug der Gemeinschaftsschule in den Neubau an der Heinrich-Scheele-Straße hat das Gebäude als Schule gedient.
Literatur: L. Hellwig: Chronik der Stadt Ratzeburg. Ratzeburg (2. Aufl.) 1929.
Christian Lopau: Wandlung im Bildungswesen, in: Zwischen Stillstand und Wandel. Der besondere Weg des Kreises Herzogtum Lauenburg in die Moderne. Hrsg. W. Boehart u.a., Schwarzenbek 2001.
Wilhelm Prillwitz: Beiträge zur Geschichte der Ratzeburger Stadtschule. Ratzeburg 1957.
Archivale 07/2013 - Tourismuswerbung vor hundert Jahren
Eisenbahnbau und Dampfschifffahrt ermöglichten es einer beträchtlichen Zahl von Menschen, ihre freie Zeit an den Wochenenden außerhalb der engen Metropolen in der landschaftlich reizvollen Umgebung zu verbringen.
Attraktive Werbung war auch vor hundert Jahren schon eine unabdingbare Voraussetzung, um Gäste nach Ratzeburg zu locken.
In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, begann man in Ratzeburg und Mölln, den Fremdenverkehr gezielt zu fördern. Es bildet sich In Ratzeburg eine aus privater Initiative entstandene “Fremdenkommission”, über die Louis Hellwig in seiner Stadtchronik Folgendes schreibt:
“Bemerkenswert aus jener Zeit ist die Herausgabe einer großen Stadtansicht und der ‘ersten Ansichtspostkarte’ von Ratzeburg. Dieser ‘Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs”, wie er sich später nannte, wurde abgelöst durch den ‘Gemeinnützigen Verein’, der am 22. März 1895 mit 59 Mitgliedern ins Leben trat.”
Die Ansichtskarten waren in dieser Zeit wichtige Werbeträger, ja man kann sagen, dass der Tourismus den eigentlichen Anlass für die Herstellung und Verbreitung der Ansichtskarten bildete. 1870 wurde die“Correspondenzkarte” durch Heinrich von Stephan, den Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes, eingeführt. Schon kurz danach wurden diese Karten auch mit Bildern bedruckt.
Die Blütezeit der Ansichtskarte fällt in die Zeit zwischen 1880 und den 1920er Jahren. Fast jedes Hotel, Restaurant oder Gasthaus brachte seine eigene Postkarte heraus.
Daneben priesen die Broschüren und Touristenführer die Stadt mit teils blumigen Texten an.
Der vom Gemeinnützigen Verein herausgegebene “Führer durch Ratzeburg und Umgegend” wirbt Ende des 19. Jahrhunderts:
“Einen unwiderstehlichen Reiz übt die landschaftliche Schönheit dieses waldumrauschten Inselstädtchens [...] jahraus, jahrein auf die Touristenwelt aus, und es bildet besonders in den Sommermonaten einen beliebten Ausflugsort der Grossstädter, die sich hier - und sei es nur auf einen Tag - an den Naturschönheiten erfreuen und liebliche Bilder der Erinnerung in das Alltagsleben mit hineinnehmen. Aber auch als Sommerfrische erfreut sich Ratzeburg eines zunehmenden Rufes. Es hat zwar keine Thermen oder mineralische Quellen [...] dafür aber reine köstliche Lebensluft, wonnigen Wald und tiefklares Wasser: es ist also ein Platz für Rekonvaleszenten und Gesunde, die fern von den gewöhnlichen Pflichten des Lebens sich für einige Wochen oder Monate köstlicher Ruhe hingeben und neue Kräfte und frische Lust zum ernsten Lebensberuf sammeln wollen.”
Auch Johannes Eckells „Führer durch Ratzeburg, Campow und Utecht, Mölln, Lauenburg in Wort und Bild“ (Mölln 1906) findet fast überschwängliche Worte für die Schönheiten der Stadt.
„Selbst der verwöhnteste Naturfreund wird überrascht und entzückt sein, wenn er zum ersten Male das reizende Inselstädtchen erblickt. Ist Ratzeburg doch nicht nur die Perle des an Wald und Seen so reichen Ländchens Lauenburg, es ist ein Juwel in Deutschlands Gauen, ein kleines zwar, aber – ‚oft ist’s das Kleinste, das am hellsten glänzt!‘“
Archivale 08/2013 - Das älteste Bürgerbuch der Stadt Ratzeburg
Eine Quelle, die besonders Familienforschern zahlreiche wertvolle Hinweise liefert, ist das älteste Bürgerbuch der Stadt Ratzeburg.
In diesem Folioband, der in Leder gebunden ist, sind über 170 Jahre lang die Neubürger der Stadt festgehalten worden.
Den Erwerb des Bürgerrechts regelt die „Polizeiordnung der Stadt Ratzeburg“ von Herzog Franz II. aus dem Jahr 1582.
Hans-Georg Kaack schreibt dazu in seiner Stadtchronik:
„Die Grundvoraussetzung für den Erwerb des Bürgerrechts besteht für den Neubürger Ratzeburgs darin, sich in seinem neuen Wohnort ständig niederzulassen. Diese Voraussetzung steht in Zusammenhang mit der Forderung des Hausbesitzes, die aber später abgemildert wird. Wer Handwerker werden will, muss seit der Frühzeit der Stadt das Bürgerrecht erwerben.“
Zu den Rechten des Bürgers zählen der „Schutz durch die Gesamtheit als Solidarverband der Bürger“ und die freie Ausübung von Handel und Gewerbe.
Die oberste Bürgerpflicht, im „Bürgereid“ an erster Stelle formuliert, ist der Gehorsam dem Rat gegenüber und die Befolgung seiner Anordnungen und Befehle.
Zu den Pflichten gehören daneben aber auch die Mitwirkung bei der Verteidigung der Stadt, der Wachtdienst, die Übernahme von Ämtern, die Beteiligung an öffentlichen Arbeiten und an der Bekämpfung von Bränden und die Entrichtung von Steuern und Abgaben.
Im Besitz des Bürgerrechtes ist nur ein Teil der Bewohner Ratzeburgs. Die meisten, wie etwa die Familienangehörigen, sind nur Einwohner, die zwar auch den Schutz der Gemeinschaft genießen, aber nicht die weitergehenden Rechte ausüben können.
Wer das Bürgerrecht erwerben wollte, musste ein „Bürgergeld“ zahlen, zwei Bürgen („Eschesmänner“) stellen und den Bürgereid ablegen.
Bei den Eintragungen im Bürgerbuch sind neben dem Datum der Aufnahme und dem Namen des Neubürgers stets auch die Namen der Bürgen genannt. Später werden auch der Herkunftsort und der Stand bzw. Beruf eingetragen.
Die ersten Eintragungen stammen aus dem Jahre 1601 ...
... die letzten Eintragungen datieren von 1771
Um diese Quelle möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen, hat Bruno Raute im „Lauenburgischen Heimatverlag“ (Ratzeburg 1933) das Buch „Die Neubürger der Stadt Ratzeburg 1601 bis 1871“ veröffentlicht.
Dazu hat Raute nicht nur das älteste Bürgerbuch ausgewertet, sondern auch eine „Generalrolle der Bürger“ aus dem Jahr 1796 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 1384) und das Ratzeburger Bürgerbuch für die Jahre 1816 bis 1871 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 779).
In seinen Erläuterungen zu der Quelle schreibt Raute: „Insgesamt verzeichnet das erste Ratzeburger Bürgerbuch in den 170 Jahren seiner Benutzung rd. 1400 Neubürger. Der Zugang war zu allen Zeiten verschieden, durchschnittlich gewannen jährlich 8-10 Personen das Bürgerrecht. Die Zahl ist sehr schwankend, sie steigt bis auf 23 im Jahre 1692 und sinkt mehrmals auf 1, in den Jahren 1687, 1690, 1691, 1700 und 1708 fehlen die Neubürger sogar ganz.“
Besondere Bemerkungen findet man selten, aber es gibt sie:
Anno 1642 den 7. Marthy Jochim Wulff aus Wittstock die Bürgerschafft gewonnen. Eschesleute sein gewesen Hanß Wolter und Clauß Holmes.
Anno 1648 den 5. Octobris ist dieser heimblich davon gegangen undt manchen redtlichen Menschen betrogen.“
Oder auch dieses:
„Anno 1675 den 6. December Vollraht Cluaßen, auß Greunow bürtig, seines Handtwerks ein Schuster, die Bürgerschaft gewonnen. Seine Esches Leute seindt gewesen Michel Otte undt Heinrich Springer.
Ao. 1696 den 18. May ist er beym Kegelspiel mit einer Boßel am Kopf geworffen, dovon er des andern Tages gestorben.“
Archivale 09/2013 - Dokumentation der Stadtsanierung
Im Rahmen einer Aktenabgabe durch den Fachbereich „Stadtplanung, Bauen und Liegenschaften“ erhielt das Stadtarchiv zwei Leitzordner mit Fotos und anderen Dokumenten zur Stadtsanierung in Ratzeburg.
Die Sanierung und Erneuerung des Gebäudebestandes auf der Insel war ab Mitte der 1960er Jahre ein Schwerpunkt der Stadtentwicklung Ratzeburgs.
Bürgermeister Friedhelm Schöber, seit 1962 im Amt, formulierte in einem Grundsatzreferat in der Aula der alten Lauenburgischen Gelehrtenschule am 4. März 1964 ein „Leitbild“ für die weitere Entwicklung der Stadt. Mit der Sanierung „sollte die Zonengrenzstadt Ratzeburg ihren Beitrag dazu leisten, die Funktion, die gesellschaftliche Aufgabe und die städtebauliche Form einer kleinen Stadt in besonders bevorzugter landschaftlicher Lage am Rande von großen Ballungsräumen, aber auch der derzeitigen Weltgrenze zwischen Ost und West zu bestimmen.“
Die exemplarische Bedeutung des Ratzeburger Sanierungsprojektes kam darin zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Stadterneuerung nach Abstimmung mit den Behörden des Kreises und des Landes durch einen Erlass des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung im November 1964 als Modellfall anerkannt wurde. Friedhelm Schöber konnte bundesweit renommierte Fachplaner für Städtebau, Verkehrsplanung, Landschaftsgestaltung und soziologische Problem-stellungen für die Vorbereitung der Maßnahmen gewinnen.
Wie dringend erforderlich eine Modernisierung der Gebäudesubstanz war, zeigen die Ergebnisse einer soziologischen Untersuchung aus dem Mai 1966, in der u.a. die haustechnische Ausstattung der betroffenen Haushalte dargestellt wurde. Damals hatten 64 % der im Sanierungsgebiet lebenden Bewohner keine Toilette in der Wohnung.
Neben der Gesamtsanierung des historischen Stadtkerns wurden aber noch weitergehendere Ziele formuliert. Dazu zählten u.a.
- Wirtschaftliche Umstrukturierung
- Neuordnung des Verkehrs
- Neuordnung der städtischen Funktionen als zentraler Ort
- Schaffung fahrverkehrsfreier Fußgängerbereiche in der Altstadt
- Verlegung der Bundesstraße und
- Einrichtung eines neuen Erholungsbereichs für den Tourismus
Planerische Grundlage für das weitere Vorgehen wurde der Bebauungsplan Nr. 1 aus dem Jahr 1967. Gleichzeitig war es notwendig Flächen für einen Ersatzwohnungsbau im Bereich des Exerzierplatzes / Mecklenburger Straße zu schaffen.
Die umfangreiche Dokumentation der damals getroffenen Maßnahmen belegt den Modellcharakter der Stadtsanierung in Ratzeburg.
Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl der Fotos, die jetzt an das Stadtarchiv abgegeben wurden.
Dokumentation der Stadtsanierung >>
Archivale 10/2013 - Denkmäler für die Gefallenen des Lauenburgischen Jägerbataillons Nr. 9
In fast jeder größeren Gemeinde in Deutschland findet man Denkmäler für die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege. Seltener sind Denkmäler für die Gefallenen des Krieges von 1870/71 oder der napoleonischen Kriege.
In vielen Orten wurden diese Kriegerdenkmäler im Ortsmittelpunkt aufgestellt, häufig entdeckt man sie auf den Kirchhöfen, seltener an markanten Punkten in der umgebenden Landschaft. Die Denkmäler finden heute nur noch wenig Beachtung, lediglich am Volkstrauertag werden dort Kränze niedergelegt und Gedenkfeiern abgehalten.
Vermutlich gehören diese Denkmäler für die meisten Menschen so selbstverständlich zum Ortsbild, dass man nach ihrer Geschichte nicht mehr fragt. Hinzu kommt, dass immer weniger Menschen leben, die zu den Soldaten, an die erinnert wird, noch persönliche oder familiäre Beziehungen haben.
Die Gestaltung, die Texte und die Symbolik der Denkmäler sowie die historischen Umstände ihrer Aufstellung stoßen selten auf Interesse - Denkanstöße geben sie kaum. Dabei sind sie durchaus geeignet, Auskunft darüber zu geben, welcher Sinn den beiden Weltkriegen und ihren Opfern von den Überlebenden beigelegt wurde. Sie lassen Aussagen über das nach den beiden Weltkriegen vorherrschende offizielle Geschichtsbild zu.
Besonders nach dem Ersten Weltkrieg ist in Ratzeburg eine ganze Reihe von Denkmälern bzw. Gedenktafeln errichtet worden, die an die Gefallenen des Krieges erinnern sollten. Die Vielzahl der Gedenkstätten erklärt sich daraus, dass neben der Stadt auch die Kirchengemeinden, die Traditionsverbände der Garnison sowie einzelne Schulen und Institutionen eigene Denkmäler bzw. Gedenktafeln aufstellen ließen.
Ratzeburg ist als Garnisonsstadt seit dem 17. Jahrhundert eng mit dem Militär verbunden gewesen. Von 1866 bis zu seiner Auflösung nach dem Ersten Weltkrieg ist das Lauenburgische Jägerbataillon Nr. 9, mit einer Unterbrechung von 1876 bis 1882, in Ratzeburg stationiert gewesen.
Speziell für die Gefallenen des Lauenburgischen Jägerbataillons gibt es zwei Denkmäler in Ratzeburg bzw. in der näheren Umgebung:
Das Denkmal im Hundebusch
Zum 25-jährigen Bestehen des Lauenburgischen Jäger-Bataillons (24. Juni 1891) wurde das Bataillons-Denkmal im Hundebusch errichtet. Besonders die Teilnahme an der Schlacht von Gravelotte (18. August 1871) spielte in der Geschichte des Bataillons eine besondere Rolle. Das Denkmal wurde daher zum 20. Jahrestag dieser Schlacht eingeweiht. Der Chronist des Bataillons beschreibt die Intention, die mit der Aufstellung verbunden war.
„Es sollte dieses Denkmal ein sichtbares Zeichen der über das Grab hinausdauernden Liebe und Dankbarkeit sein, errichtet an jener Stätte, wo die Saat gesäet, die auf Frankreichs Gefilden zur Ernte reifen sollte.
Dieses Denkmal war angeregt von dem damaligen Bataillonskommandeur Major von Bose, ebenso hatte dieser Mitkämpfer von Gravelotte den zeichnerischen Entwurf geliefert, während die Ausführung dem Bildhauer Pehle übertragen war, der zur Zeit dem Bataillon als Oberjäger angehörte.
Das Denkmal, welches also im eigentlichen Sinne ein Bataillonsdenkmal ist, besteht aus einer Steinpyramide, die von einem Bronzeadler gekrönt wird. In eine Seite ist eine Gedenktafel mit den Namen der während des deutsch-französischen Krieges gefallenen Bataillonskameraden eingelassen.“
Das Denkmal am Königsdamm
(Akte Stadtarchiv Nr. 4534: „Jägerdenkmal“)
Das Denkmal geht auf eine Initiative der Vereinigung der Offiziere des ehemaligen Lauenburgischen Jäger-Bataillons Nr. 9 und seiner Kriegsformationen zurück. Es ist den Gefallenen des Jäger-Bataillons Nr. 9, des Reserve-Jäger-Bataillons Nr. 9 und des Reserve-Jäger-Bataillons Nr. 18 gewidmet. Der Platz für die Aufstellung des Denkmals wurde von der Stadt unentgeltlich zur Verfügung gestellt, die Kosten für das Denkmal wurden durch Spenden aufgebracht.
Die Einweihung fand am 21. August 1921 im Rahmen eines Jägertages statt. 5000 ehemalige Angehörige der Ratzeburger Jäger waren zu diesem Treffen in ihre frühere Garnisonstadt gekommen. Neben zahlreichen Einwohnern der Stadt nahmen Angehörige der Reichswehr, der Krieger- sowie der Jägervereine an der Einweihungsfeier teil.Die Feier begann mit einem Festakt auf dem Marktplatz, bei dem der letzte Friedenskommandeur des Lauenburgischen Jägerbataillons die Ansprache hielt, der eine Feldpredigt des langjährigen Garnisonsgeistlichen Pastor Löwe folgte.
Die eigentliche Enthüllung des Denkmals beschreibt die Chronik der Stadt folgendermaßen:
“Als die Hülle des Denkmals fiel, spielte die Bataillonskapelle das Lied vom guten Kameraden, die Fahnen senkten sich, dumpf rollte eine Ehrensalve über See und Stadt und echote von den bewaldeten Höhen zurück. Und dann noch einmal Hörnerklang wie zu alten Zeiten: frühere Oberjäger des Bataillons bliesen in grünem Forstkleid ihren toten Kameraden, die fern der Heimat ruhen, ein letztes Halali an geweihter Stätte. Es war eine ergreifende, unvergessliche Stunde!”
Das Denkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Lauenburgischen Jägerbataillons Nr. 9 am östlichen Ende des Königsdamms trägt die Inschrift:
“Zum Gedächtnis der auf dem Felde der Ehre in den Kriegsjahren 1914-1918 gefallenen Helden des Lauenb. Jäger-Batl. 9, Res. Jäger-Batl. 9 und Res.-Jäger-Batl. 18 gewidmet von ehemaligen Offizieren, Oberjägern, Jägern und Freunden. Es fielen vom Lauenb. Jäger-Batl. 9: 34 Offiziere, 675 Oberjäger und Jäger, vom Res. Jäger-Batl. 9: 11 Offiziere, 441 Oberjäger und Jäger, vom Res.-Jäger-Batl. 18: 28 Offiziere, 1677 Oberjäger und Jäger.”
Das Denkmal sollte mit einem Gitter „gegen Bekritzelungen etc. durch unbefugte Kinder pp.“ geschützt werden. Der Magistrat lehnte diesen Antrag ab, „da der Stadt Mittel für die Anlage nicht zur Verfügung stehen, auch bei der misslichen Finanzlage keine Mittel dafür bereitgestellt werden können“.
Offenbar hat der Verein der Offiziere der ehemaligen Jäger-Bataillone daraufhin die Kosten für die Einfriedigung übernommen.
Archivale 11/2013 - Vor 60 Jahren: Die Ratzeburger Patenschaft für die Stadt Treptow an der Rega
Die Städte und Gemeinden des Kreises Herzogtum Lauenburg erhielten durch den Zustrom von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen während des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren einen enormen Bevölkerungszuwachs. Unter denen, die in Schleswig-Holstein Aufnahme fanden, waren die Pommern mit rund 30 % besonders stark vertreten.
Die Eingliederung dieser Menschen stellte in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine vorrangige Aufgabe für Politik und Verwaltung dar. In dieser Zeit entstanden nicht nur Zusammenschlüsse in Form von Heimatvereinen und Vertriebenenverbänden, sondern auch zahlreiche Patenschaften, die den Flüchtlingen und Vertriebenen ein „Gefühl der Geborgenheit“ und „eine neue Heimat“ geben sollten, „solange bis die Rückkehr in die alte Heimat erfolgen kann“.
Die Ratzeburger Stadtvertretung fasste am 21. August 1953 den einstimmigen Beschluss, auf Vorschlag des Bundes der Heimatvertriebenen - Vereinigte Landsmannschaften in Ratzeburg und Umgebung, die Patenschaft für die Stadt Treptow zu übernehmen. Beide Städte wiesen in ihrer Größe, ihren Merkmalen und in ihrer Bevölkerungsstruktur eine Reihe von Ähnlichkeiten auf.
Die Stadt Treptow an der Rega (früherer Kreis Greifenberg) wurde 1170 erstmalig erwähnt und 1277 durch die pommerschen Herzöge Barnim I. und Bogislaw IV. zur Stadt mit lübischem Recht erhoben.
Die Stadt, die an drei Seiten von der Rega umflossen wird, gehörte zeitweilig der Hanse an und war im 16. Jahrhundert Wirkungsstätte des Reformators Johannes Bugenhagen, der in Treptow Rektor der Stadtschule war. Neben dem Rathaus (1701) ist die Marienkirche das herausragende Bauwerk der Stadt, die 1939 fast 11.000 Einwohner zählte. In der heute polnischen Stadt Trzebiatow leben rund 17.000 Menschen.
Die offizielle Übernahme der Patenschaft erfolgte am 1. November 1953. Nach einem Gottesdienst und einem Totengedenken am „Kreuz des Deutschen Ostens“ auf dem Palmberg wurde die Patenschaftsurkunde in einer Feierstunde durch den Ratzeburger Bürgermeister Dr. Otto Hofer überreicht.
1954 wurde in Ratzeburg erstmals das Bundestreffen der Heimatvertriebenen aus dem Kreis Greifenberg veranstaltet, aus dem sich später die Treptower Tagung am Tag der Deutschen Heimat und an 1963 das Heimattreffen der Stadt Treptow entwickelte.
Zum zehnjährigen Bestehen der Patenschaft im Jahre 1963 tagten Vertreter der Stadt Treptow gemeinsam mit den Ratzeburger Stadtvertretern. Aus diesem Anlass wurde am damaligen Rathaus (am Markt) eine Gedenktafel enthüllt, die der Rektor Ewald Karsten entworfen hatte.
In den Reden, die 1963 gehalten wurden, wandten sich die Vertreter der Treptower noch vehement „gegen alle, die von ‚verzichten‘ reden und die damit der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Wiederherstellung der Grenzen von 1937 in unverantwortlicher Weise Schaden zufügten.“
Im Rückblick auf die ersten zehn Jahre der Patenschaft wurden auf zahlreiche Maßnahmen dieser Dekade hingewiesen, u.a. zahlreiche Heimattreffen der Treptower und des Kreises Greifenberg. An Stadteingang wiesen Ortschilder auf die Patenschaft hin und am 4. März jedes Jahres wurden auf dem Marktplatz die Flaggen der beiden Städte auf Halbmast gehisst, um an die Besetzung der pommerschen Stadt durch die Rote Armee zu erinnern.
Auch eine Straßenbenennung („Treptower Straße“) erinnert an die Verbindung beider Städte.
Bis 1995 haben die Heimattreffen der Treptower in Ratzeburg stattgefunden. Seither ruht die Patenschaft. Mit der polnischen Stadt Sopot verbindet Ratzeburg seit dem 4. Juni 1994 eine Städtepartnerschaft.
Die Akten über die Patenschaft, die Durchführung der Heimattreffen und weitere Vorgänge hierzu liegen heute im Stadtarchiv Ratzeburg (Bestand III).
Literatur: Günter Erdmann, Zehn Jahre Patenschaft Ratzeburg / Treptow a. d. Rega, in: Lauenburgische Heimat N. F. Heft 44 ( März 1964) S. 51-54.
Archivale 12/2013 - Flugzeuge auf dem Ratzeburger See
Der Winter von 1962 auf 1963 war ungewöhnlich hart. Zum ersten Mal seit sieben Jahren war die Elbe bei Lauenburg wieder zugefroren und die Bewohner der Stadt konnten sich zum Jahresbeginn zu Fuß auf den Weg nach Hohnstorf am gegenüberliegenden Ufer machen.
Auch an den Stränden von Nord- und Ostsee türmten sich mächtige Eisschollen.
Anfang Januar konnte zumindest teilweise die Eisfläche des Domsee zum Betreten freigegeben werden, nachdem die Wasserschutzpolizei durch Bohrungen an verschiedenen Stellen eine Eisstärke von mindestens 15 Zentimetern festgestellt hatte.
Am 11. Januar meldete die Presse eine Dicke der Eisschicht von mehr als 20 Zentimetern rund um die Inselstadt. Zimmerleute und Mitarbeiter der Stadt trieben mit einem 90 kg schweren Rammbär einer Zugramme zwölf Eisbrecherpfähle von je zehn Metern Länge vor der Seebadeanstalt in den Seegrund. Damit sollten die hölzernen Aufbauten des Sprungturms und die Laufstege vor dem Eisgang im Frühjahr geschützt werden.
Der Vorsitzende des Ratzeburger Luftsportvereins, Helmuth von Zaluskowski, kündigte für das Wochenende 12. / 13. Januar erste Starts von Segelfliegern auf dem Eis des Großen Ratzeburger Sees an. Die Seilwinde für die Start befand sich in der Nähe der Seebadeanstalt.
Auch an dem darauf folgenden Wochenende herrschten bei klarem Sonnenschein und günstigen Aufwinden ideale Bedingungen für die Segelflieger, die bei ihren 25 Starts auch Passagiere mitnahmen.
Wie die „Lübecker Nachrichten“ am 29. Januar meldeten starteten am letzten Januarwochenende dann sogar sechs Motorflugzeuge auf dem Ratzeburger See, u.a. eine Staffel viersitziger Sokol-Flugzeuge des „Lübecker Vereins für Luftfahrt“. Eine 300 Meter lange Start- und Landebahn war mit roten Fähnchen markiert.
Fotos dieses strengen Winters hat Herr Dr. Jens Hinzpeter dem Stadtarchiv zur Verfügung gestellt. Wir stellen Sie Ihnen zur Einstimmung auf die kalte Jahreszeit hier vor.
Archivalen 2012
Archivale 01/2012 - Zur Geschichte der Häuser Domhof 46 und 48 von Friedrich Hanke
Der Ratzeburger Dom ist nie umgebaut worden - weil das Geld fehlte. So blieb seine ursprüngliche Schönheit und Ausstrahlung erhalten.
Geldmangel hat in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dazu geführt, dass die nördliche Umgehung auf der Ratzeburger Insel nicht gebaut wurde. So blieben einige der alten Häuser auf dem Domhof erhalten.
Am südlichen Eingang zum Domhof, gegenüber der ehemaligen Domkaserne, steht eines der ältesten Gebäude Ratzeburgs. Es handelt sich um ein Doppelhaus, ein traufständiges eingeschossiges Einfamilienhaus mit Fachwerkaußenwänden, einem kleinen Teilkeller und einem Satteldach mit Krüppelwalm: Domhof 46.
Eine Legende zur Karte des Domhofes von C.F. von Persson (1714) weist dieses Haus zusammen mit der nördlichen Hälfte als "Kirchenhaus" aus.
Nach der großen Zerstörung Ratzeburgs durch die Dänen, setzte auch auf dem selbständigen Domhof eine rege Bautätigkeit ein. Datiert wird das Gebäude Nr. 44/46 auf das Jahr 1696. In den folgenden über 300 Jahren erfolgten mehrere Aus - und Umbauten, die an den besonderen Merkmalen der Bauepochen erkennbar sind.
Zum Grundstück gehört auch das Nebengebäude, Haus Nr. 48, mit dem "Heinrichstein", einem bedeutenden Kulturdenkmal aus weitgehend unbehauenem Granit mit schlichtem Kreuz und lateinischer Inschrift aus der Zeit um 1166, an der Ecke zur Kleinen Kreuzstraße. Datiert wird der Bau des Nebengebäudes auf die Zeit um 1815.
Die Häuser Nr.46 und Nr. 48 sowie der Heinrichstein stehen unter strengem Denkmalschutz.
Man muss in so einem Gebäude wohnen wollen: Keine rechtwinklige Ecke, schiefe Decken und sichtbares Fachwerk auch im Haus. Kleine alte Möbel, die schon viele Umzüge überstanden haben, machen das Wohnen gemütlich, moderne Kistenmöbel scheitern an den krummen Wänden.
Gebaut wurde das Gebäude Nr. 44/46 für Handwerker, Haus Nr.44 bewohnte ein Schornsteinfeger, Haus Nr. 46 ein Maurermeister. Der Verkauf des Hauses 1752 wurde von der Domkirche abgelehnt mit der Begründung: "Man muss einen Maurermeister zur Hand haben, der auf jeden Wink zu Dienste steht und es ist nützlich in gewissen Fällen einen Schornsteinfeger in der Nähe zu haben". („Müssen conventable Wohnungen haben, besonders der Maurermeister, der sich in der Stadt keiner Arbeiten zu erfreuen hat.")
Aus politischen Gründen war es anscheinend damals wichtig, dass niemand außer der mecklenburgischen Landesherrschaft und der Domkirche über die auf dem Domhof liegenden Gründe zu bestimmen hatte. Schon in ältester Zeit galt hier der von Wilhelm Prillwitz zitierte Grundsatz: „Lieber das Geld zinsbar leihen, als unbewegliche Güter zu verkaufen.“
Diese Äußerungen dokumentieren auch die geachtete Grenze zwischen der Stadt und dem selbstständigen Dombezirk. Nach heutigem Verständnis sollte man meinen, dass nach der Zerstörung Ratzeburgs 1693 auch für den Stadtbezirk jeder Maurermeister für den Wiederaufbau gebraucht wurde. Der "Domhofmaurermeister" musste sich seine Arbeit im weiteren Bistum suchen.
Immer wieder sind es Maurermeister, die das Haus bewohnen:
Hans Medler (gest. am 19.5.1704), Michael Gaubitz (gest. am 7.6. 1718), Gabriel Dierßen (gest. am 12.10.1751), Johann Heinrich Dierßen (geb.2.6.1712), die Ehefrau des Franz Schütze (Schütt, Schutz), geb. Aue(n)(geb.28.8.1763), Johann Nicolaus Goldhorn (geb. 6.4.1795), Johann August Willers (geb. 15.12.1751, gest. am 21.10.1814), Friedrich Conrad Willers (geb.31.7.1814, gest. 1863).
Eine wesentliche Erweiterung nach Südosten erfolgte in der Biedermeierzeit und wird um 1830 datiert. Möglicherweise erfolgte die Erweiterung, bevor der Maurermeister Friedrich Christ. Conrad Willers das Haus übernahm.
Damals wurde das Haus zu den 4 Fächern um 2 Fächer erweitert, die Fachwerkkonstruktion weist dafür typische Veränderungen auf:
Links außen "Halber Mann", rechts durchgehende Strebe, weiterhin die Haustür mit originellem Kastenschloss und Drückergarnitur (typische Teilung der Fächer und Aufteilung des Oberlichtes in dekorativ geschwungener Versprossung), die Dielentreppe und einige Zimmertüren. Zeitgleich mit der Haustür sind die beiden einflügeligen sechsteiligen kleinen Fenster mit zum Teil klassischen Eckwinkeln eingebaut worden. Das große vierflügelige Fenster in der Straßenfront weist ebenfalls in Gestalt und Ausführung auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei die Eckwinkel teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammen und wie in den Zeiten üblich wiederverwendet worden sind.
Laut eines Zeitungsartikels vom 14.9.1850 sollte das Haus unter der Hand verkauft werden. Gekauft hat es der Böter Peter Friedrich Heinrich Röper, dieser stirbt 1857.
Der Maurermeister Willers stirbt mit 55 Jahren an Schwindsucht 1863. Er ist als Eigentümer des Hauses dokumentiert.
Die Giebelfassade mit dem Krüppelwalm dokumentiert einen weiteren Umbau in der Gründerzeit. Die sichtbaren Zeugen dafür sind das rechte Fenster, die Bretterverkleidung der südlichen Front und der straßenseitige Zaun zwischen Haus Nr. 46 und 48 mit den geschwungenen Verzierungen sowie die wieder eingebauten Kachelöfen in Form und Verzierung. Die ebenfalls aus der Gründerzeit stammende Veranda ist erhalten und steht als einseitig offenes Gartenhaus auf dem Grundstück.
Der nächste Besitzer des Grundstückes war der Schuhmachermeister August Hacker. Dieser hat das Haus Nr. 48 als Werkstatt genutzt. Die Witwe Sophie Hacker bewohnte die Haushälfte mit ihren Söhnen. Diese suchten sich aber neue Arbeitsstellen in Hamburg als Elektrotechniker und Schumacher.
August Theodor Hacker starb 1927, 62 Jahre alt.
Am 23.1.1933 wurde der Rentner Martin Jennerjahn im Grundbuch eingetragen. Von dieser Familie übernimmt Frau Dr. Gabriele Kjer die Häuser und das Grundstück 1986 mit allen Möbeln und sonstigem Inhalt. Weder unter dem Kopfkissen noch in den Schränken wird der vermutete Sparstrumpf der Witwe Jennerjahn gefunden. Zur Sanierung werden die drei Kachelöfen abgebaut und siehe da, auf dem Kachelofen im Wohnzimmer unter einer losen Kachel finden die Ofenbauer die lang gesuchte Schatulle mit beträchtlichem Inhalt.
Von 1986 bis 1988 dauert die gründliche Sanierung der Haushälfte Nr.46. Unter ständiger Begleitung durch die Denkmalpflege wird das Haus saniert. Alle bautechnischen Details werden wieder verwendet, als da sind: Fenster, Türen, Treppe und Fußböden. Die einzige Veränderung ist die Dachgaube auf der Straßenseite. Nicht sicher einzuordnen ist der kleine Keller, möglicherweise handelt es sich um einen Keller der die Zerstörung von Ratzeburg 1693 überstanden hat und in den Neubau 1696 integriert worden ist. Der mächtige Birnbaum zwischen den Gebäuden ist 2008 abgestorben und musste aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt werden.
Kjers haben mit ihren Kindern das Haus nur kurz bewohnt, weil sie sich beruflich verändern mussten.
Ein ruhiger Sonntagnachmittag lenkte meinen Blick 1990 zufällig auf die Verkaufsanzeige in den Lübecker Nachrichten. Nach etwas komplizierten Verhandlungen wurden wir uns schließlich einig und wir kauften das Anwesen.
Zu sanieren war noch das Haus Nr. 48 am Heinrichstein. Eine letzte Möglichkeit, Gelder zur Sanierung zu bekommen, musste sofort genutzt und zügig mit der Arbeit begonnen werden, denn in den folgenden Jahren wurden alle öffentlichen Gelder für Sanierungen in den neuen Bundesländern dringender benötigt.
Die Denkmalpflegebehörde war jederzeit behilflich und dank nachbarschaftlicher Hilfe aus dem Dienstsitz Brunsmark ging die Sanierung gut voran. Wesentliche Vorgabe war die Erhaltung des Stallcharakters im Gebäude, lange war es als Stall und Werkstatt genutzt. Mit dem Kauf durch die Familie Jennerjahn war es zu Wohnzwecken isoliert worden.
Bei der Entkernung im Obergeschoss, fanden wir auf einem zur Wärmedämmung verwendeten Pappkarton das Datum 1. Juni 1933 deutlich sichtbar. Mit vielen Blauköpfen (kleine Nägel mit flachem Kopf) waren Persilkartons unter die Decke genagelt worden.
Über eine extra Luke auf der östlichen Rückseite erreichte man von außen den kleinen Boden für Futtervorräte und Stroh. Außerdem beherbergte dieser Teil des Hauses den ziemlich luftigen "Donnerbalken" für beide Häuser und einen Hühnerstall. Die Hühnerflöhe spürten schnell die animalische Wärme und überfielen freudig die Entkernungsmannschaft. Mehrere Jahre hatten sie auf diesen Moment gewartet.
Vor dem Zweiten Weltkrieg, während des Krieges und vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg beherbergte das Haus Familien mit mehreren Kindern. Am 1. September1954 eröffnete der in Ratzeburg bekannte Architekt Reinhard Hein sein erstes Büro in dem Gebäude.
Bei der Übernahme war eine äußerst primitive Ferienwohnung eingerichtet.
Nicht bekannt ist, warum im Erdgeschoss Eichenholz und im Obergeschoss Nadelholz für das Fachwerk verwendet worden ist. In einer Zwischenwand fand sich im Erdgeschoss ein Eichenbalken aus einer Zweitverwendung, der durch das Dendrochronologische Institut der Universität Hamburg auf das Jahr 1787 (Fälljahr im Walde) datiert wurde.
Alle roten S-förmigen Tondachpfannen wurden wieder verwendet. Einzelne Dachziegel hatten an den Zapfen Prägungen der Herstellerziegeleien ( SP - Sankt Petri, ME - Mecklenburg). Eine Firstpfanne war deutlich als Feierabendpfanne des Ziegelmeisters gekennzeichnet. Diese hängt zur Dekoration im Flur des kleinen Hauses. Die Außentüren auf der Rückseite sind mit originalen Schlössern und Beschlägen erhalten.
Ein besonderer Fund im Garten war eine etwa einen Meter hohe Rokoko- Schmuckurne aus Oberkirchener Sandstein mit den Initialen AF IV (Adolf Friedrich IV.). Etwas ungläubig folgte mir der damalige Museumsdirektor Dr. Hans-Georg Kaack. Er bestätigte dann aber, dass es sich bei den etwas verschlungenen Buchstaben um die Initialen von Fritz Reuters " Durchläuchting " handelt, der auch das Herrenhaus auf dem Domhof hat bauen lassen. Da sich auch der Fuß der Urne bei den Pflasterarbeiten im Garten fand, konnten beide Teile zusammengefügt werden und verschönern heute den Garten zwischen beiden Häusern. Gab es früher ein Eingangstor zum Domhof, auf dessen Pfosten die Urne gestanden haben könnte?
Der Eingang ins Haus war lange nur von der Rückseite möglich, daher trug es die Nummer Nr. 48. Heute befindet sich der Eingang auf der Seite zur Kleinen Kreuzstraße.
Haus Nr.46 bewohnen wir selbst. Haus Nr. 48 beherbergte zunächst Büro des Architekten Dr. Braun, dann mehrere Jahre eine Ferienwohnung und jetzt ist es eine Mietwohnung.
Das Wohnen auf dem Domhof ist etwas Besonderes. Fast selbstverständlich wird man von der Ausstrahlung des Domes angezogen. Der Flair der Jahrhunderte währenden speziellen Verwaltung, die der Domhof als mecklenburgische Enklave hatte, wird deutlich durch die im Straßenpflaster eingelassenen großen Grenzsteine mit dem Kreuz. Auch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 hat dies nicht restlos überwinden können. Nach der Vereinigung der Kirchenkreise, die für das Frühjahr 2012 vorgesehen ist, wird wohl die Sonderstellung des bis jetzt noch zur mecklenburgischen Landeskirche gehörenden Domes verloren gehen.
Literatur und Quellen:
Braun, Frank / Mai, Klaus: Modernisierungsgutachten der Häuser von 1986 und 1990
Finke, Manfred / Knüppel, Robert / Mai, Klaus: Historische Häuser in Lübeck. Lübeck 1989
Jennerjahn: Nachlassakten
Kaack, Hans-Georg: Ratzeburg - Geschichte einer Inselstadt. Neumünster 1987
Kiesow, Gottfried: Kulturgeschichte sehen lernen. 2001
Prillwitz, Wilhelm: Unveröffentlichte Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte (Stadtarchiv Ratzeburg)
Schmidt, Peter: Unveröffentlichte Aufzeichnungen
Archivalen 2011
Archivale 02/2011 - Die St.-Hubertus-Kirche in der Fischerstraße
Am Sonntag, dem 9. Januar 2011, feierte die katholische Kirchengemeinde mit einem Festgottesdienst, zu dem auch Erzbischof Dr. Werner Thissen nach Ratzeburg gekommen war, ein besonderes Jubiläum.
Hundert Jahre zuvor, am 6. Januar 1911, war die alte St.-Hubertus-Kirche, Vorgängerin des heutigen Kirchenbaus, in der Fischerstraße geweiht worden.
Nach der Reformation im Herzogtum Lauenburg gab es bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine katholische Gemeinde in Ratzeburg. Erst 1907 wurde die "Missionspfarrei" Ratzeburg neu gegründet. Schwerpunkt der seelsorgerlichen Arbeit war die Betreuung der katholischen Soldaten der Ratzeburger Garnison und der polnischen Saisonarbeiter auf den Gütern der Umgebung. Für die neu errichtete Kirche wählte man den Namen des Heiligen Hubertus, des Patrons der Jäger, weil viele Mitglieder der Gemeinde dem Lauenburgischen Jäger-Bataillon Nr. 9 angehörten. Mit dem Bau der neuen Kirche war im Frühjahr 1910 begonnen worden („Lauenburgische Zeitung“ vom 23. April 1910).
Zur Einweihung berichtete die „Lauenburgische Zeitung“ (Ausgabe vom 7. Januar 1911):
„Die Einweihung der neuen katholischen Kirche fand heute unter Anteilnahme der Spitzen der Behörden statt. Herr Pastor Windus zelebrierte unter Assistenz der Herren Pastor Kranz-Oldesloe und Zur-Schwerin ein feierliches Levitenamt, wozu der Lübecker Kirchenchor die liturgischen Gesänge vortrug. Die Kirchenlieder wurden von dem Musikkorps des Jägerbataillons begleitet, die Festpredigt hielt Herr Pastor Köster-Lübeck im Anschluss an das Evangelium von der Anbetung der heilig. drei Könige. Von nah und fern waren die Mitglieder der katholischen Gemeinde herbeigereist, sodass das Gotteshaus von Andächtigen überfüllt war. Möge das neue Gotteshaus dazu beitragen, den treuen Glauben an Gott, den Dreieinigen, unseren katholischen Mitbürgern zu bewahren und ihnen den Segen der christlichen Religion zu erhalten.“
Wenige Tage vorher war folgende Meldung in der Zeitung zu lesen (Ausgabe vom 29. Dezember 1910):
„Das katholische Pfarrhaus in der Fischerstraße, eines der ältesten Gebäude unserer Stadt, wird zur Zeit abgebrochen. Ursprünglich war es dänisches Eigentum, und zwar befand sich in dem Hause die dänische Hauptkasse. Die älteren Einwohner unseres Ortes erinnern sich noch sehr wohl des militärischen Doppelpostens, der zum Schutze der Kasse Tag und Nacht vor dem Hause patrouillierte Später befand sich in dem Gebäude die Höhere Töchterschule, bis es im Jahre 1907 in den Besitz der katholischen Gemeinde gelangte. – Die neue Kirche mit dem Pfarrhause liegt hinter dem alten Gebäude und wird sich nach Abbruch des Hauses als ein in das Landschaftsbild vorzüglich passendes Bauwerk präsentieren. Die Pläne und Zeichnungen dazu sind von Herrn Architekten Goergens entworfen, die Ausführung des Baues wurde Herrn Maurermeister Rautenberg übertragen. Auch die übrigen Arbeiten sind bis auf die Dekorationsmalerei von hiesigen Meistern besorgt worden […]“
1973 musste die St.-Hubertus-Kirche, die zahlreiche bauliche und räumliche Mängel aufwies, einem achteckigen Neubau mit Gemeindezentrum und Pfarrhaus weichen. Die neue Kirche, die den Namen St. Answer nach dem Ratzeburger Märtyrer Ansverus erhielt, wurde am 1. Dezember 1973 durch Bischof Dr. Wittler geweiht. Wir zeigen in diesem Monat Bilder des früheren Kirchenbaus.
Auch der Ratzeburger Maler Karl Pechascheck, dem eine Ausstellung gewidmet ist, die am 25. Februar 2011 im Ratssaal eröffnet wird, hat sich die alte katholische Kirche mehrfach als Motiv gewählt. Weitere Bilder Pechaschecks aus dem alten Ratzeburg stellen wir im kommenden Monat an dieser Stelle vor.
Die Pfarrei St. Answer und ihr Patron
Chronik von 1000 bis 2010 >>
Archivale 03/2011 - Karl Pechascheck - „Ein alter Ratzeburger malt Alt-Ratzeburg“
„Lächeln ist das Kleingeld des Glücks!“ – Diesen Ausspruch Heinz Rühmanns hat sich Karl Pechascheck zum Lebensmotto gewählt und es ist ihm in den Jahrzehnten seines Wirkens als Theatermann immer wieder gelungen, seinen Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Es dürfte kaum einen älteren Ratzeburger geben, dem Karl Pechascheck nicht bekannt ist. Wenn von Ratzeburger Originalen die Rede ist, dann darf sein Name mit Sicherheit nicht fehlen. Allerdings sind es weniger die Bilder, die wir Ihnen heute präsentieren, als vielmehr seine Puppenbühne, mit der er sich weit über die Grenzen der Stadt und des Kreises hinaus einen Namen gemacht hat.
Karl Pechascheck wurde am 5. März 1894 als Sohn des Tischlers Robert Heinrich Karl Pechascheck und seiner Frau Marie Dorothea Catharine, geb. Steffen in Ratzeburg geboren. Karl Pechascheck lernte zunächst das Malerhandwerk. Er fühlte sich aber schon in jungen Jahren zur Schauspielerei hingezogen und wirkte in vielen Rollen als Statist am Lübecker Stadttheater mit. Auch im Ersten Weltkrieg hat er im „Front-Theater“ selbst auf der Bühne gestanden.
Die Faszination für das Puppenspiel ergriff ihn im Jahr 1929 bei einem Gastspiel der berühmten „Hohnsteiner". Pechaschecks Debüt war „Dr. Faustens Höllenfahrt“, ein Stück, das einen festen Platz in seinem Repertoire erhielt. Mit zahlreichen anderen, meist selbst verfassten Stücken reiste der Puppenspieler in Deutschland herum. Im Zweiten Weltkrieg war Karl Pechascheck in der Truppenbetreuung eingesetzt.
Nach dem Krieg stellte die Landespolizei Schleswig-Holstein seinen Kasper in den Dienst der Verkehrserziehung. Hardy Krüger, Hans Häckermann und Siegfried Munz haben bei Pechascheck erste Theatererfahrungen gesammelt.
Karl Pechascheck hat sich darüber hinaus auch als Hobby-Stadthistoriker betätigt und Eindrücke, Geschichten sowie Gespräche mit Ratzeburger Persönlichkeiten auf Tonband aufgenommen. Das Archiv der Stadt Ratzeburg besitzt einen Fundus von 7 Bändern mit über 7 Stunden Aufnahmen, die auch in digtalisierter Form vorliegen. Darunter befinden sich regelrechte Schätze, wie einige vertonte Bühnenstücke, die zum Teil auch auf plattdeutsch gesprochen sind. Sie können diese Aufnahmen in Kürze in der Stadtbibliothek auf DVD ausleihen.
Karl Pechascheck beschreibt den Ratzeburger Marktplatz (Teil 1)
Karl Pechascheck beschreibt den Ratzeburger Marktplatz (Teil 2)
Erst in den späten Lebensjahren widmete sich der Puppenspieler seiner zweiten großen Leidenschaft, der Malerei. Anfang der 1960er begann der Autodidakt, der in seiner Jugend viel gezeichnet hatte, Bilder seiner Heimatstadt zu malen. Nur zum Teil entstanden die Gemälde in der freien Natur, vieles malte Pechascheck aus dem Gedächtnis zu Hause. Auch historische Stadtansichten nahm er sich zum Vorbild und malte sie nach.
Pechascheck hat auf diesen Bildern zahlreiche idyllische Winkel der Inselstadt festgehalten, die der Stadtsanierung der sechziger und siebziger Jahre zum Opfer fielen, um Platz für Neues zu schaffen.
Der überwiegende Teil der Bilder, die damals gezeigt wurden, war Eigentum der Kreissparkasse. Besonders der damalige Direktor der Kreissparkasse, Walter Dohrn, den Pechascheck als „Mäzen“ bezeichnete, hatte sich um den Ankauf der Bilder bemüht.
Pechascheck malte hauptsächlich in Öl. Den Wert seiner Bilder schätzte selbstkritisch mit einem Zitat von Joachim Ringelnatz so ein:
„Ich werde nicht enden zu sagen: Meine Bilder sind schlecht. Ich werde Gedanken tragen als Knecht. Ich werde sie niemals meistern. Und doch nicht ruhn. Soll mich der Wunsch begeistern, es besser zu tun.“
Es ist nicht so sehr der künstlerische Wert, der seine Bilder auszeichnet, sondern der liebevolle Blick auf „sein“ Ratzeburg. Seine Bilder halten die Erinnerung an ein Stück Heimat wach, dass es so nicht mehr gibt. Diejenigen, die diese Erinnerung teilen, werden sich glücklich schätzen, Karl Pechaschecks Bilder in dieser Ausstellung wiedersehen zu können. Wir sehen etliche Häuser in der Fischerstraße, die alte katholische Kirche oder das Haus des Glasers Krohn in der Kurzen Straße.
Weitere Bilder sind hier in einer Diashow zusammengestellt.
(bitte aufrufen)
Pechascheck, der zuletzt in der Rathausstraße wohnte, starb am 9. April 1978 kurz nach Vollendung seines 84. Geburtstages in seiner Heimatstadt. Viele zeigten sich von dem plötzlichen Tod des „Seniors der Puppenspieler“ überrascht, war ihm doch seine geistige und körperliche Vitalität bis zum Schluss erhalten geblieben.
Nach seinem Tode wurden einige seiner Freunde gebeten, den Verstorbenen in einigen kurzen Sätzen zu charakterisieren.
Adolf Tredup: „Er war ein künstelnder Mensch, dem es leider in der Jugend an der nötigen Ausbildung gefehlt hat. Als Puppenspieler war er ja weit über die Grenzen Ratzeburgs bekannt. Karl war ein netter Kerl, aber mit Vorsicht zu genießen. Er war etwas selbstherrlich und führte gern das Wort, ließ andere dann kaum zu Wort kommen. Ein herzensguter Kerl mit vielen guten und auch manchen schlechten Seiten. Das letzte Ratzeburger Original.“
Pastor Gleimann: "Karl war ein Liebhaber des Lebens. Er hat es verstanden, das Leben von der guten Seite zu nehmen und die schlechten Seiten zu überspielen. Er hat sich immer gerühmt, im Krieg keinen einzigen scharfen Schuss abgegeben zu haben. Karl war sehr kritisch anderen gegenüber, aber Kritik an der eigenen Person konnte er nicht vertragen. Im Krieg verstand er es, Leute humorvoll zu karikieren. Karl Pechascheck war ein liebenswürdiger Mensch, aber mit Kanten. Ein handwerklich geschickter Mann mit einem ausgeprägten Gedächtnis […] Von seinen Freunden wurde er auch ‚Kasperscheck’ gerufen."
H.E. Wohlfahrt: "Ein Mensch mit immer aktiven Ideen, er steckte förmlich voller Ideen. Karl war ein unbequemer Mensch. Obwohl er immer wieder seine Abschiedsvorstellung gab, war es nie die letzte, so sprühte er vor Vitalität und Ideen. Karl Pechascheck bestand nur aus positiver Kritik. Er war ein „Kauz“."
Die Kreissparkasse hat die Sammlung der Pechascheck-Bilder im vergangenen Jahr dem Archiv der Stadt Ratzeburg überlassen. Dieses großzügige Geschenk nimmt die Stadt Ratzeburg nun zum Anlass, die Bilder von Karl Pechscheck erstmalig seit mehr als 30 Jahren im Rahmen einer kleinen Ausstellung öffentlich zu präsentieren. "Pechaschecks Bilder sind insbesondere in stadtgeschichtlicher Hinsicht ein kleiner Schatz", freut sich Stadtarchivar Christian Lopau über diesen unerwarteten Zugang in sein Archiv. "Vor allem bilden sie auch eine hervorragende, historische Brücke zum Jahresthema unseres digitalen Stadtgedächtnisses den 'Ratzeburger Baugeschichten' ".
Die Ausstellung wird am 25. Februrar 2011, um 15:00 Uhr im Ratssaal der Stadt Ratzeburg mit einem Vortrag von Christian Lopau eröffnet und läuft bis zum 25. März 2011 während der allgemeinen Öffnungszeiten des Rathauses.
Archivale 04/2011 - Auf den Spuren der Ratzeburger Kleinbahn
Die alte Ratzeburger Kleinbahn ist ein prägendes Element im Ratzeburger Stadtbild und weit darüber hinaus. Auch wenn sie nur für rund 30 Jahre betrieben wurde, hat ihre einstige Streckenführung deutliche Spuren hinterlassen, wie der Kleinbahndamm zwischen Stadt - und Küchensee oder der tiefe Einschnitt am Krankenhausberg zeigen. Sie ist ein Sinnbild dafür, wie umfassend und nachhaltig das Industriezeitalter die Landschaft und Gesellschaft in kurzer Zeit verändern hat und gibt bis heute Zeugnis von dem damaligen Fortschritts- und Technikglauben eine Industriekultur, die mit viel Energie bewegen und schaffen wollte.
Die Ratzeburger Kleinbahn auf einen allgemeinen Bebauungsplan von 1911
Anlässlich der Tage der Industriekultur am Wasser, an denen sich vom 19.08. - 21.08.2011 81 Industriedenkmäler und Museen zur Industriegeschichte in der gesamten Metropolregion Hamburg der Öffentlichkeit in einer Zusammenschau präsentieren, soll auch die Ratzeburger Kleinbahn mit dem 500 Meter langen Damm und der denkmalgeschützen "Kamelbrücke" aus dem Jahre 1908 noch einmal in den Fokus genommen werden. Stadtarchivar Christian Lopau lädt dazu am 20.08.2011 um 10 Uhr zu einer Erkundungstour per Fahrrad und wird an 15 Stationen die alte Bahnstrecke erläutern. Diese Spurensuche soll in diesem Monat auch Gegenstand der Archivale des Monats sein und damit auch der breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, auf eigene Faust der geschichtlichen Strecke nachzuspüren. Dazu wurde der vorliegende Text auch als downloadfähiges PDF zusammengefasst und kann bei Bedarf als kleiner Stationenführer mitgenommen werden.
Auf den Spuren der Ratzeburger Kleinbahn (PDF) >>
Station 1: Der Ratzeburger Bahnhof („Ratzeburg – Land“)
Als 1851 die Lübeck-Büchener Eisenbahn eröffnet wurde, lag der Ratzeburger Bahnhof weit außerhalb der Stadt auf dem Gebiet der Domäne Neuvorwerk. Die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven war begrenzt, sodass beim Bau der Eisenbahnstrecken starke Steigungen und Krümmungen vermieden wurden. Ein Bahnhof, der näher an der Insel gelegen hätte, wäre mit einem zu hohen Investitionsaufwand verbunden gewesen. Auch beim Bau der „Kaiserbahn“ von Berlin über Hagenow-Land und Neumünster nach Kiel im Jahr 1897 erhielt Ratzeburg keinen näher an der Stadt gelegenen Bahnhof. Die Ratzeburger fürchteten die Konkurrenz der Möllner, die ihnen was die Verkehrsanbindung betraf, soviel begünstigter erschienen. Auch Schmilau als Verladebahnhof für landwirtschaftliche Produkte schien Ratzeburg den Rang abzulaufen. So blieb der Wunsch einer Eisenbahnverbindung zwischen dem Bahnhof und dem Stadtzentrum, der sich schließlich nur als örtlich finanzierte Kleinbahn erfüllen ließ. „Der amtliche Begriff Kleinbahn ist keinesfalls gleichbedeutend mit Schmalspurbahn. Die meisten Kleinbahnen waren durchaus normal in Spurweite und Profil, um somit den direkten Durchlauf von Güterwagen zu ermöglichen. ‚Klein’ im engeren Sinne waren nur die Anforderungen: Das 1892 geschaffene Kleinbahngesetz gestattete extreme Sparsamkeit bei der Trassierung und Betriebsführung.“ (Hagemann) Der Weg zur Kleinbahn war lang. Einen Fürsprecher fanden die Ratzeburger im damaligen Landrat, der 1895 in einem Schreiben an den Regierungspräsidenten hervorhob:„Das Interesse des Staates an dem Bau der Zweigbahn liegt zunächst darin, eine Stadt, deren Bevölkerung sich stets durch hervorragende Loyalität ausgezeichnet hat, vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren.“ Angesichts der hohen Investitionskosten und der damit verbundenen finanziellen Belastung der Stadt, erhob sich allerdings auch Opposition innerhalb Ratzeburg. So äußerten sich der Verein gewerbetreibender Bürger und der Verein der Vorstädter Bürger sehr kritisch zum Bahnprojekt.Auch die Sorge wegen einer „Verunstaltung“ Ratzeburgs durch die Kleinbahn wird in einigen ablehnenden Äußerungen deutlich. So schrieb der Landrat 1901, nachdem man die geplante Strecke mit Pfählen abgesteckt hatte:„Erst hierdurch wurde der Allgemeinheit klar, welche in schönheitlicher Beziehung geradezu verheerende Wirkung der längs des Lüneburger Dammes geplante Bahndamm ausüben würde, und es erhob sich ein so starker Sturm der Entrüstung, auch in dem Kreise alter Befürworter des Projekts, dass sich ohne Weiteres die Notwendigkeit einer anderen Linienführung ergab.“
Am Startkapital der Ratzeburger Kleinbahn AG war der Preußische Staat mit Aktion im Wert von 292.000 Mark beteiligt – das war die Hälfte des Kapitals von 590.000 Mark.
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Im Juni 1903 wurde die Strecke zwischen dem Bahnhof Ratzeburg-Land und dem Stadtbahnhof auf der Insel in Betrieb genommen. Die wirtschaftlichen Erwartungen erfüllte die Ratzeburger Kleinbahn nicht. Schon Ende der 1920er Jahre war die Personenbeförderung mit Omnibussen günstiger. 1933 wurde der Personenverkehr der Ratzeburger Kleinbahn eingestellt, ab 1934 ruhte auch der Güterverkehr. (Zimmermann, S. 83-87 zu den Betriebsergebnissen der Kleinbahn)
Station 2:
Die Züge verließen den Bahnhof in Richtung Norden. Nach einer langgezogenen Rechtskurve wurde die Linie durch einen tiefen Einschnitt geführt (nördlich der Lauenburgischen Gelehrtenschule).
Station 3:
Nach dem Verlassen des Einschnitts kreuzte die Strecke die Lübecker Straße. Es gab die Vorschrift, hier intensiv zu läuten und zu pfeifen. Außerdem mussten die Züge anfangs auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst werden. Auf einem Damm, der heute als Rad- und Wanderweg genutzt wird, ging die Fahrt in südöstlicher Richtung weiter, bis die Strecke am Abhang der Bahnhofallee entlang führte.
Station 4:
Ein Stück hinter der Einmündung der Möllner Straße in den Lüneburger Damm (B 208) befand sich der Haltepunkt St. Georgsberg. Wenig später querte die Strecke den Lüneburger Damm.
Station 5:
Um die Strecke am Südufer des Küchensees weiterführen zu können, musste eine Brücke über den Durchfluss zwischen den Seen (Gr. Ratzeburger See und Küchensee) geschlagen und ein eigener Bahndamm aufgeschüttet werden. So entstand der kleine Schwanenteich. Die Brücke wurde im Frühjahr 2009 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.
Station 6:
Direkt am Südufer des Küchensees, am heutigen Theaterplatz befand sich der Ratzeburger Stadtbahnhof. Der heutige „Seegarten“ wurde als repräsentatives Empfangsgebäudes errichtet. Die Wetterfahne des Gebäudes erinnert bis heute an die frühere Funktion.
Die früheren Nebengebäude direkt am Küchensee (Lokschuppen, Güterabfertigung und Wagenhalle) existieren heute nicht mehr. Die vom Stadtbahnhof zum Marktplatz führende Straße hieß bis 1933 Bahnhofstraße (heute: Schrangenstraße).
Station 7:
Schon bei der Eröffnung der Strecke bestand der Wunsch nach Verlängerung der Kleinbahnlinie in Richtung Osten, um im Idealfall eine Verbindung zu den benachbarten mecklenburgischen Städten zu erhalten. Die Strecke konnte 1908 eröffnet werden.
Für den Weiterbau war die aufwändige Anlage eines Dammes durch den hier 20 Meter tiefen Küchensee (mit einer Brücke als Durchlass für Boote) und Herstellung eines weiteren tiefen Einschnitts (unterhalb des heutigen DRK-Krankenhauses) notwendig. Das Material zur Aufschüttung des Damms wurde zu einem großen Teil aus dem neu angelegten Einschnitt gewonnen.
Dammschüttung durch den Küchensee (LZ 26. Juni 1906)
Foto: Kreismuseum
Der Bau der Verlängerung bis Klein Thurow, das damals noch lauenburgisch war, wurde durch diese Baumaßnahme 1,3 Mio. Mark teuer!
Station 8: Brücke unterhalb des Krankenhauses („Kamelbrücke“)
Am Ostufer des Küchensees trifft die Bahnstrecke auf eine schlanke Brücke, wegen ihrer Form Kamelbrücke genannt. Das 1908 in Betrieb genommene Bauwerk ist eine seltene Konstruktion aus der Frühzeit des Eisenbetons. Es diente als Fußgängerbrücke über der Trasse der Ratzeburger Kleinbahn, ist aber schon lange ohne Funktion. Sie misst 28,71 Meter.
Böschung und Sohle des Kleinbahneinschnitts zwischen der Krankenhausbrücke und der Brücke an der Seedorfer Straße waren in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an eine Firma verpachtet, die diese Fläche zum Anbau von Korbweiden nutzte. Da diese Nutzung nicht rentabel war, entschloss sich die Stadt zu einer Aufforstung.
Station 9:
Der Weg, den die Kleinbahnstrecke beschrieb, ist heute noch an der Bebauungsgrenze der Stadt Ratzeburg abzulesen. Vom Bahnhof Dermin sind heute keine Reste geblieben. Er hat sich etwa im Bereich der Stettiner Straße befunden.
Station 10: Zweigbahn zum Schaalseekanal
Vom Bahnhof Dermin zweigte eine Stichbahn zum Schaalseekanal ab, der 1926 fertig gestellt worden war. Als „Privatanschlussbahn“ der Lauenburgischen Landeskraftwerke AG (Laula) war die 2,8 Kilometer lange Strecke als Zubringer für die Schaalseeschifffahrt gedacht.
Sie „verlief auf einem knappen Kilometer etwa parallel zur Straße Dermin-Salem, dort allerdings im hundert Meter Abstand über den Acker, bevor sie straßenkreuzend der Trasse eines Feldwegs folgte. Der Endbahnhof lag parallel zum Schaalseekanal, nicht weit von der Ortschaft Schmilau entfernt.“
Station 11:
Nicht immer eindeutig auszumachen ist der Streckenverlauf im heute bebauten Teil der Vorstadt. Nachdem die Kleinbahn die Schweriner Straße gekreuzt hatte, führte sie im Verlauf des heutigen Tannenwegs zur Ziethener Straße bzw. auf den Ziethener Mühlenweg zu.
Lauenburgische Zeitung 3.11.1949
„Der Tannenweg, die 1943 nach der Hamburger Bombenkatastrophe auf dem ehemaligen Gelände der 1935 abgebrochenen, nach Mustin führenden Kleinbahn entstandene und damals scherzhaft Neu-Hamburg genannte Holz-Behelfsheimsiedlung, hat mittlerweile große ‚Geschwister’ und dadurch unmittelbar Tuchfühlung mit der Ziethener Straße bekommen.“
Station 12:
Im damals mecklenburgischen Ziethen gab es einen weiteren Haltepunkt. Das Bahnhofsgebäude ist bis heute erhalten geblieben.
Station 13:
Von Ziethen führte die Strecke in nordöstlicher Richtung bis ca. 800 Meter südlich von Wietingsbek. Ein Teil der Trasse ist heute überpflügt, ein Teil aber als landwirtschaftlicher Weg noch erkennbar. Südlich des Lankower Sees verläuft der heutige Reit- und Forstweg auf der Kleinbahntrasse.
Am Haltepunkt „Chausseehaus Mustin“ traf die Kleinbahnstrecke wieder auf die nach Schwerin führende Chaussee. Weiter verlief die Strecke bis zur Endstation in Klein Thurow direkt neben der Chaussee, der heutigen Bundesstraße 208, zum Teil links, zum Teil rechts der Straße.
In Mustin (Station 14) und in Groß Thurow gab es Bahnhöfe der Kleinbahn.
Ratzeburger Kleinbahnzug auf dem Weg nach Klein Thurow
Foto: Kreismuseum Ratzeburg
Endbahnhof in Groß Thurow
Foto: Kreismuseum
Das Bahnhofsgebäude in Klein Thurow ist heute noch unverkennbar.
Literatur:
Gert Hagemann: „Kleinbahn-Retrospektive am Beispiel Ratzeburgs“
Hamburger Blätter für alle Freunde der Eisenbahn
47. Jahrgang Heft 5-8 (2000)
Hansjörg Zimmermann: Die Ratzeburger Kleinbahn, in: Beiträge zur Geschichte Ratzeburgs 2. Teil, Lübeck 1973, S. 60-89.
Berichte in der Lauenburgischen Zeitung
„Vom Bahnbau. Der Bau unserer Stadtbahn hat begonnen. Das Fuchsholz wird fast in seiner ganzen Ausdehnung bereits von der Feldbahn, auf der die Erdmassen befördert werden, durchschnitten und an dem Lauf derselben kann man schon jetzt die Linienführung der späteren Bahn erkennen. Hier und dort finden sich im Gehölz tiefe Grubenlöcher, von den Bodenuntersuchungen herrührend. Beim Austritt aus dem Walde kreuzt die Bahn bei der Eggert’schen Baumschule die Lübecker Chaussee, um dann immer hart am Seeufer entlang laufend, zur Stadt zu führen. Auch hier, wo die Holzbestände bereits vor längerer Zeit gefällt sind, ist die Bahn ausgesteckt und Eisenbahn-Schienen und Schwellen liegen zum Bau bereit. Beim Chausseeübergang erheben sich bereits Lagerschuppen, Wellblechbaracken und Kantine, auch ist hier der Lagerplatz für allerlei Arbeitsgerät, das noch täglich mit der Eisenbahn eintrifft. Zwei kleine Arbeitslokomotiven und zahlreiche Kippwagen wurden in den letzten Tagen zur Arbeitsstelle geschafft, auf der bereits rund 100 Arbeiter beschäftigt werden. Die Erdarbeiten sind seitens der bauausführenden Firma Lenz dem Unternehmer Stenzel in Hamburg übertragen worden.
- Das Fischer H. Clasen’sche Haus mit Garten ging für 12,000 Mk. In den Besitz der Stadt über. Das Haus wird abgebrochen, um die Schrangenstraße in gerader Linie bis zum Bahnhofsgebäude der Stadtbahn verlängern zu können. Das Abbruchmaterial verbleibt dem Verkäufer.“ (8. April 1902)
„Vom Bahnbau. Der Bau unserer Stadtbahn hat in der letzten Zeit erhebliche Fortschritte gemacht. Mit den Erd- und Planierungsarbeiten ist man jetzt schon bis an den Lüneburger Damm unweit der Brücke gelangt, so dass die Strecke vom Bahnhof bis hierher so ziemlich fertiggestellt ist. Vor einigen Tagen wurde nun mit der Aufschüttung des Bahndammes, der durch den kleinen Ratzeburger See führt, begonnen. Das ist, wie sich jetzt schon herausgestellt hat, mit den größten Schwierigkeiten und immensem Arbeitsaufwand verbunden und wohl der schlimmste Punkt des ganzen Unternehmens. Unausgesetzt werden zur Ausfüllung des Seegrundes von zwei Arbeitszügen ungeheure Erdmassen, die aus dem Durchstich des Fuchsholzes genommen werden, ins Wasser geschafft. Infolge des eingetretenen Regens - dazu kommen noch einige stattgefundene Dammbrüche – werden die Arbeiten sehr erschwert und gehen nur langsam vonstatten. Um Unglücksfällen vorzubeugen, sind über den Lüneburger Damm, der ja jetzt von den Arbeitswagen auf dem Wege vom Fuchsholz nach dem See passiert werden muß, auch zwei Schlagbäume geschlagen werden [sic!]“ (24. Juli 1902)
„Eisenbahn Ratzeburg-Carlow. Die Firma Lenz und Comp. hat mit der Spezialvermessung der Bahnlinie vom hiesigen Stadtbahnhof nach Gr. Thurow und Carlow begonnen, was sicher die Weiterführung unserer Stadtbahn bedeutet.“ (14. Mai 1903)
„Von der Stadtbahn. Gutem Vernehmen nach findet die landespolizeiliche Abnahme der Ratzeburger Stadtbahn am 24. d. Mts. statt.“ (9. Juni 1903)
Veröffentlichung des Fahrplans der Ratzeburger Stadtbahn. „Danach verkehren täglich 24 (Sonntags 26) Züge zwischen der Stadt und dem Staatsbahnhofe, womit dem gegenwärtigen Verkehrbedürfnisse entsprochen sein dürfte.“ (27. Juni 1903)
„Die Eröffnung unserer Kleinbahn.
Anlässlich der Einweihung der Ratzeburger Kleinbahn würdigte der Landrat von Bülow die herausragenden Verdienste des Beigeordneten Spehr um das Zustandekommen der Bahn: „Der Herr Regierungs-Präsident habe denn auch einmal die Bahn in Anerkennung der Verdienste ihres Schöpfers „Spehrbahn“ genannt. Leider sei es nicht üblich, die Eisenbahnen nach den um ihre Entstehung verdienten Männern zu nennen und so schlage er vor, der neben dem Eisenbahndamm entlangführenden Strandpromenade den Namen Spehrsweg zu geben, um so den Namen des eifrigsten Förderers der Ratzeburger Kleinbahn zu ehren und dauernd zu erhalten.“ (30. Juni 1903)
Zeittafel
1894, 5. September Bittgesuch Ratzeburger Gewerbetreibender wegen einer Nebenbahn für Ratzeburg
1894, 12. Dezember Ablehnung des Gesuchs mit dem Hinweis, es komme nur eine privat betriebene Kleinbahn in Frage
1897, 13. Januar Kreisausschuss stimmt der kostenlosen Hergabe des benötigten Terrains zu
1899, 1. Mai Die Städtischen Kollegien nehmen das Angebot der Fa. Lenz an
1901, 23. Februar Klarstellung, dass die Linie nach Mecklenburg weitergeführt werden sollte
1901, 19: April / 10. Mai Vertrag der Stadt mit der Fa. Lenz & Co., Berlin
1901, 16. September Genehmigung der Weiterführung bis Thurow
1902, März Verhandlungen über die genaue Linienführung in der Stadt und Gründung der Kleinbahn AG
1902, 8. Dezember Verabschiedung des Gesellschaftsvertrages
1902, April Beginn des Bahnbaus
1903, 26. Juni Landespolizeiliche Abnahme der Bahn und Eröffnungsfeier
1903, August Kostenvoranschlag für die Verlängerung des Bahn nach Thurow
1906, März Baubeginn für die Verlängerung
1907, Mitte November Fertigstellung des Damms durch den Küchensee
1908, 12. Juni Landespolizeiliche Abnahme der verlängerten Strecke
1908, 30. Juni Einweihung der Verlängerung der Kleinbahnlinie bis Thurow
1926, 29. Juli Eröffnung der „Lauenburgischen Schaalseeschifffahrt“ mit einer Anbindung an die Ratzeburger Kleinbahn
1928/29 Einrichtung einer Omnibuslinie zwischen Bahnhof und Stadt
1930, 1. Oktober Beschluss des Aufsichtsrates, die Bahn stillzulegen
1933, 8. Oktober Ruhen des Personenverkehrs
1934, 1. Februar Genehmigung der Stilllegung
1934, 1. April Einstellung des Güterverkehrs
Archivalen 2010
Archivale 01/2010 - Die ersten Autos in Ratzeburg
Der Blick in die Vergangenheit unserer Stadt richtet sich in diesem Monat auf die Anfänge des Autoverkehrs in Ratzeburg. Einige Akten im Bestand des Stadtarchivs geben Auskunft über die Zeiten, in denen sich die Automobile noch an einer Hand abzählen ließen (Stadtarchiv Ratzeburg, Bestand II Akten Nr. 6183 – 6189).
Die Akte zur „Statistik über Kraftfahrzeuge und Einreichung der Nachweisungen über die vorhandenen Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugführer“ enthält eine Liste aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts (Nr. 6186).
Ganz oben auf der Liste, unter der Nr. 1, ist der Arzt Dr. Gerhard Hajen aufgeführt, der ein Auto der „Nürnberger Motorfahrzeugfabrik Union“ besaß. Wie aus den Akten hervorgeht, hatte er den 4-PS-starken Wagen Mitte November 1902 erworben. Der Unternehmer und Erfinder Ludwig Maurer hatte diesen zweisitzigen Wagen konstruiert, der speziell für Ärzte gedacht war und als „Doktorwagen“ beworben wurde.
Bis zum Ersten Weltkrieg blieb die Zahl der Kraftfahrzeuge in Ratzeburg sehr überschaubar. Neben den Ärzten Dr. Hajen und Dr. Busch hatten sich lediglich der Milchhändler Schmidt, der Bankvertreter Bohn und der Betreiber der Dampfwaschanstalt Marwitz einen Wagen zugelegt.
Kurios erscheinen uns heute die Rundverfügungen des Landrats, die in den Akten aus dieser Pionierzeit des Autofahrens zu finden. Einige ausgewählte Beispiele sollen das belegen.
"Ausschreitungen gegen Automobilfahrer" (1906)
"Schnelligkeitsgrenze für Kraftwagen" (1909)
Archivale 02/2010 - Bericht über das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück
Im Stadtarchiv Ratzeburg (Sammlung Nr. 18) wird ein maschinenschriftlicher Bericht vom 22. November 1945 aufbewahrt, in dem Gertrud Philip (1904-1985) schildert, was sie zusammen mit ihrer Schwester Anneliese (1902-1987) im Konzentrationslager Ravensbrück erlebt hat.
Beide lebten nach dem Tod ihres jüdischen Vaters seit 1939 in der Lübecker Straße. Im Mai 1944 wurden sie in Polizeihaft genommen. Über die viermonatige Polizeihaft, die weitere Vorgeschichte und die Gründe der Verhaftung erfährt man aus dem Text nichts.
Der Bericht beginnt mit der Einlieferung der beiden Schwestern in Ravensbrück am 15. September 1944. Beide Schwestern waren offenbar aus politischen Gründen inhaftiert worden und trugen im Lager zunächst den roten Winkel auf ihrer Kleidung, mit dem politische Häftlinge gekennzeichnet wurden.
Gertrud Philips Berichts aus dem Jahre 1945
Erst nach einigen Wochen wurden sie angewiesen, den „Judenstern“ zu tragen, da sie als „jüdische Mischlinge“ galten. Da beide Schwestern zunächst als Bürokräfte in der Kommandantur eingesetzt waren, wo in der Besoldungsabteilung die Gehälter sämtlicher Aufseherinnen in den deutschen KZs bearbeitet wurden, waren ihre Lebensbedingungen erträglicher als die der meisten Mithäftlinge. Während eines Evakuierungsmarsches nach Neustrelitz gelang den Schwestern die Flucht. Nach 12-tägigem Fußmarsch trafen sie in Ratzeburg ein.
Weitergehende Information zum Konzentrationslager Ravensbrück finden Sie auf Webseite der Gedenkstätte unter http://www.ravensbrueck.de/
Archivale 03/2010 - 50 Jahre Städtepartnerschaft mit Châtillon-sur-Seine
Die Stadt Ratzeburg feiert in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Châtillon-sur-Seine. Informationen über die Anfänge der Partnerschaft zwischen beiden Städten finden sich in einer Akte des Stadtarchivs (Bestand III, Nr. 1499).
Die Erfahrung der beiden Weltkriege ließ nach 1945 zahlreiche Initiativen für einen europäischen Zusammenschluss entstehen. Im September 1946 trafen sich Vertreter verschiedener europäischer Länder in Hertenstein am Vierwaldstätter See (Schweiz). Sie verabschiedeten das Hertensteiner Programm und gründeten im Dezember 1946 einen europäischen Dachverband, die „Union Europeénne des Fédéralistes“ (UEF), dem die ebenfalls im Dezember 1946 gegründete Europa-Union Deutschlands beitrat.
Die Europa-Union erklärte im Januar 1947 das „Hertensteiner Programm“ als verbindlich. Mehr und mehr wurde die Europa-Union zum Träger des Gedankens eines vereinten Europa. Ein Kreisverband Herzogtum Lauenburg der Europa-Union wurde am 5. März 1955 in Schwarzenbek gegründet.
Starke Impulse für den europäischen Gedanken gingen vom Rat der Gemeinden Europas (seit 1984 Rat der Gemeinden und Regionen Europas) aus, der 1951 von deutschen und französischen Bürgermeistern mit dem Ziel gegründet wurde, Annäherung und Verständigung der Völker Europas zu fördern. Der Rat entwickelte ein Partnerschaftskonzept, dem die Idee zugrunde lag, dass ein vereintes und friedliches Europa am besten von seiner Basis her aufgebaut werden kann.
Im März 1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Sie bildeten die Grundlage der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Im selben Jahr wurde Ratzeburg Mitglied in der Europa-Union und wandte sich mit dem Wunsch an die Union, ihr eine Stadt zu vermitteln, zu der sie Kontakt aufnehmen könnte.
Am 5. Dezember 1957 traf in Ratzeburg ein Schreiben des Generalsekretariats der Europa-Union ein mit der Mitteilung, dass Châtillon-sur-Seine bereit sei, eine Partnerschaft mit Ratzeburg einzugehen. Im März 1958 schrieb dann der Bürgermeister von Châtillon, Gaston Bernard, in seinem ersten Brief an Ratzeburgs Bürgermeister Dr. Otto Hofer: „Wir wollen zukünftig Beziehungen anknüpfen, die nicht nur die Behörden der Städte, sondern auch die Einwohner derselben in Verbindung setzen werden. Ich bin davon überzeugt, dass diese Beziehungen freundschaftlich und dauerhaft sein werden und dass die Stimmung einer weitgehenden und aufrichtigen Verständigung herrschen wird.“
Anfang Oktober 1959 reiste Dr. Hofer erstmalig nach Châtillon und kehrte mit der Überzeugung zurück, dass „die Bürger der Städte Châtillon und Ratzeburg auf breiter Grundlage in wahrem europäischen Geist zusammenarbeiten werden.“
Erstmaliger Besuch in Châtillon - Bürgermeister Dr. Otto Hofer (Mitte), Bürgermeister Gaston Bernard (Rechts)
Besiegelt wurde die Partnerschaft am 10. Juli 1960 in Châtillon mit einem feierlichen Verbrüderungszeremoniell, an dem auch Delegationen aus Esneux (Belgien) und Manziana (Italien) teilnahmen.
In seiner Festrede sagte Bürgermeister Hofer: „Die Opfer der letzten Kriege verpflichten uns, unsere ganze Kraft für eine glückliche Zukunft Europas einzusetzen. Eine glückliche Zukunft kann aber nur auf dem Frieden und der Einigkeit der europäischen Völker gegründet werden. Wenn ein geeintes Europa politisch wirksam werden soll, ist es zunächst erforderlich, dass die Menschen sich über die Grenzen hinweg verstehen lernen, dass ihre Herzen zueinander finden.“
Berichterstattung in Frankreich ... (bitte anklicken!)
Noch im September 1960 konnten die Ratzeburger einen Gegenbesuch aus Châtillon in ihrer Stadt willkommen heißen und schon im folgenden Jahr wurde der Schüleraustausch aufgenommen.
Châtillon hatte Verbindungen zu den belgischen Städten Esneux und Walcourt geknüpft und Anfang Juli 1966 fuhr eine Ratzeburger Delegation zum Verbrüderungstreffen der Städte Châtillon, Esneux und Walcourt nach Frankreich. Im folgenden Jahr waren die Ratzeburger bei den Feierlichkeiten in Walcourt dabei. So bildete sich allmählich der „Ring“ der Verbrüderungsstädte heraus.
Beim Verbrüderungstreffen in Ratzeburg vom 22. bis zum 25. August 1969 hatten Tausende von Ratzeburgern die Möglichkeit, die glanzvollen Veranstaltungen mitzuerleben. Am 23. August 1969 wurden dann die Urkunden ausgetauscht, „die den schon seit langem zwischen Ratzeburg und Châtillon-sur-Seine bestehenden europäischen Freundschaftspakt auch mit den belgischen Städten Esneux-sur-Ourthe und Walcourt besiegeln.“ Bei dieser Gelegenheit wurden auch die beiden belgischen Stadtwappen im Wappenfenster des Rathauses enthüllt.
Seit dieser Zeit finden im festen Turnus die jährlichen Treffen abwechselnd in den vier Verbrüderungsstädten statt. Darüber hinaus haben sich im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Kontakte zwischen Vertretern der Vereine und Verbände, zwischen Schulen und Privatpersonen ergeben.
Lübecker Nachrichten (26. August 1960)
Archivale 04/2010 - Das Protokollbuch der Feuergrefen (1672 – 1736 / 1833 – 1834 / 1842)
Bevor 1866 in Ratzeburg die Freiwillige Feuerwehr gegründet wurde, waren die Feuergrefen für den Brandschutz in der Stadt verantwortlich. Das Kollegium bestand aus den beiden jüngsten Ratsherren, den sogenannten Bauherren, und vier weiteren angesehenen Bürgern, die gemeinsam für die Aufsicht über Gebäude und Feuerstellen zuständig waren. Es handelte sich um eines der wichtigsten bürgerlichen Ämter in der Stadt.
Im Artikel 34 der Polizeiordnung des Herzogs Franz II. aus dem Jahr 1582 werden die Zusammensetzung und die Aufgaben näher bestimmt. Der folgende Artikel (Nr. 35) regelt in der „Feuerordnung“, welche Vorsichtsmaßnahmen durch die Bürger der Stadt zu treffen waren.
“Wenn wegen Feuersnot bei Tag oder Nacht ein Geschrei oder Glockenschlag würde, soll der Quartiermeister, welches Quartier die Wacht an der Langen Brücke hat, die Wacht für der langen Brücke nach Gelegenheit mit 2 oder 3 Personen stärken, die Brücke aufgezogen und verschlossen gehalten werden. Der Wasserführer aber, oder wer sonsten Pferde und Karren hält, sollen Wasser zuführen, und soll dem, so die erste Fuhre zum Feuer bringet, 4 ß, dem andern 2 ß und dem dritten 1 ß aus dem gemeinen Gute zu Dankgeld gegeben werden. Es sollen auch ein jeder Amt oder Gilde 1 lange Feuerleiter und 6 lederne Eimer zu halten schuldig sein, und sollen die Leitern an einem besonderen Ort verordnet, die Eimer aber aufs Rathaus gehänget werden. Es soll auch ein jeder Bürger bei seinem Hause eine lange und eine kurze Leiter, welcher er außerhalb des Hauses an der Wand hangen soll, und einen ledernen Eimer halten, und wann (...) Feuer auskommt, den Eimer bei das Feuer schicken. (...) Wann nun Feuer auskommt (...) sollen die, so es auskommt, schuldig sein, das Feuer unverzögerlich zu beschreien und Hilfe zu rufen (...) Alle Zimmer- und Mauerleute, Meister und Gesellen, item die Träger und alle, die um Tagelahn arbeiten, und ein jeder Bürger sollen bei Verlust der Stadtwohnung schuldig sein, sobald ein Feuer auskommt, demselben zuzulaufen und retten helfen. Und wenn einer von denselbigen durch das Feuer am Leibe beschädigt würde, soll ihm sein Schade von der Gemeine gebessert werden. (...) Bei Nachtzeit, wenn kein Mondschein und solche Not vorhanden, soll ein jeder Bürger eine Laterne mit Lichtern für der Tür hängen haben, damit man sich auf der Gasse umsehen könne.”
Feuerordnung 1582
Für Verstöße gegen die Feuerordnung wurden zum Teil empfindliche Geldbußen angedroht, die in die Kasse der Feuergrefen flossen. Daraus wurde ein jährliches Festmahl finanziert, das offenbar so hohe Kosten verursachte, dass die Polizeiordnung sie soweit beschränkte, „dass hinfürder zu einer Feuergrefenköste nicht mehr als eine Mahlzeit zu 4 Essen mit Käse und Butter gespeiset, dazu über 16 Personen nicht gebeten und 1 Tonne Bier soll ausgetrunken werden”.
Vierteljährlich waren die Gebäude und Feuerstätten zu kontrollieren und die übrigen Vorsichtsmaßnahmen zu überwachen. Jeder Bürger musste Ledereimer und Leitern vorweisen können und im Sommerhalbjahr musste eine Tonne mit Wasser vor dem Hause stehen. Auch die Sauberkeit von Straßen und Gassen wurde überprüft, „dass die Steinpflaster auf den Gassen von einem jeden in guter Besserung und mit wöchentlichem Abkehren sauber gehalten und der Unflat alle Woche von den Gassen weggebracht werde.“
Die Feuergrefen wirkten zudem auch im Bauwesen der Stadt mit: “Wenn ein Bürger ein neues Haus bauen will, müssen die Bauherren und Feuergrefen tätig werden, damit alles ordnungsmäßig geschieht.”
Von den Feuergrefen wurde erwartet, dass sie sich vorbildlich verhalten: “Der Feuergrefe muss der Bürgerschaft mit gutem Beispiel vorangehen, die Feiertage nicht entheiligen und arbeiten, sonst verfällt er doppelter Strafe(...) Jeder Feuergräfe muss seinen Kirchenstuhl am Sonntag einnehmen, wenn er nicht krank oder sonst verhindert ist, sonst zahlt er 4ß Strafe.”
Im Falle eines Brandes waren „alle Zimmer- und Mauerleute, Meister und Gesellen, item die Träger und alle, die um Tagelohn arbeiten, und ein jeder Bürger“ verpflichtet, bei der Bekämpfung des Feuers zu helfen.
Die Stadt war in vier Quartiere unterteilt. Jedem der Quartiere standen zwei Quartiermeister vor, die mit den Feuergrefen zusammenarbeiteten. In jedem Quartier gab es einige Rotten von je 10 Mann die von den Rottmeistern geleitet wurden und Wachtdienst und Löscharbeiten zu leisten hatten.
Wer dabei zu Schaden kam, erhielt eine Unterstützung durch die Stadt. Denjenigen, die zuerst mit einer Fuhre Wasser an der Brandstätte eintrafen, wurde eine Belohnung versprochen: „Wenn aber das Feuer gelöscht, soll man die Eimer auf dem Markt wieder zusammenbringen und ein jeder den seinen wieder zu sich nehmen.“
Als besondere Gefahren galten seinerzeit "Dreschen bei künstlichem Licht" oder "falsche Lagerung des eingebrachten Futters oder des Flachses". Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen lesen wir, dass bis ins 17. Jahrhundert mehrere schwere Stadtbrände Ratzeburg heimsuchten.
Das vorliegende Protokollbuch beginnt mit der Abschrift eines Schriftstücks, das man 1622 in der Feuergrefenlade gefunden hat. Darin sind in 13 Abschnitten grundsätzliche Bestimmungen festgehalten:
I Anzahl, Wahl, Bestätigung und Grundsätzliches zum Amt der Feuergrefen
II Die Zusammenkünfte der Feuergrefen
III Der Teerkessel
IV Die Feuergrefenlade
V Die Beisitzer
VI Strafen
VII Die Feuerordnung
VIII Die Einnahme der Strafen
IX Der Ungehorsam der Straffälligen
X Inventar der Feuergerätschaften
XI Klagen
XII Besichtigungen
XIII Das Verhalten der Feuergräfen
Auch der Wortlaut des Feuergrefen-Eides, der beim Amtsantritt geleistet werden musste, ist im Protokollbuch wiedergegeben. Es folgen die Namen der neuen Amtsinhaber, die Protokolle der regelmäßigen Brandschauen und die Ergebnisse der von den Feuergräfen vorgenommenen Taxationen von Gebäuden in der Stadt.
Als 1866 die Freiwillige Feuerwehr in Ratzeburg gegründet wurde, traten zunächst 55 Mitglieder in die Wehr ein. Die alten Gerätschaften zum Feuerlöschen waren in dieser Zeit selbstverständlich noch im Einsatz:
- drei große und zwei kleinere Spritzen mit den dazugehörigen Schläuchen und Apparaten
- drei große Wasserwagen, jeder mit zwei Fässern nebst Trichtern und Abzugsröhren
- 113 lederne und 46 blecherne Eimer
- 7 hölzerne Handspritzen
- 10 Feuerhaken
- 9 Feuerleitern und
- 3 große Wasserschleifen.
Archivale 05/2010 - Der Gemeinnützige Verein Ratzeburg (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 6604)
In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, begann man in Ratzeburg, den Fremdenverkehr gezielt zu fördern. Es bildet sich In Ratzeburg eine sogenannte “Fremdenkommission”, der Dr. Ludwig (Louis) Hellwig, Senator Johannes Spehr, Baukondukteur Graaf und der Kaufmann Moritz Stein angehörten .
Hellwig schreibt in seiner Stadtchronik über diese aus privater Initiative entstandene Kommission:
“Bemerkenswert aus jener Zeit ist die Herausgabe einer großen Stadtansicht und der ‘ersten Ansichtspostkarte’ von Ratzeburg. Dieser ‘Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs”, wie er sich später nannte, wurde abgelöst durch den ‘Gemeinnützigen Verein’, der am 22. März 1895 mit 59 Mitgliedern ins Leben trat.”
Nach dem Statut bestand der Zweck des neuen Vereins “insbesondere in der Begründung und Förderung solcher Einrichtungen, welche geeignet sind, den Geschäfts- und Fremdenverkehr in Ratzeburg zu beleben und das Gedeihen der hiesigen Gewerbe zu fördern.”.
Ein Rechenschaftsbericht des Vorstandes aus dem April 1898 spiegelt die Aktivitäten der ersten drei Vereinsjahre.
Der Verein wirkte durch
• Inserate in Familienzeitschriften, Tages- und Bäderzeitungen, Reklameartikel und Feuilletons über Ratzeburg in Reisehandbüchern und Touristenblättern,
• Aufstellung von Ruhebänken an verschiedenen Stellen, Erschließung und Instandhaltung von Aussichtspunkten, Aufstellung von Wegweisern,
sowie Pflege der Waldpromenaden und Anlagen,
• Herausgabe eines “Touristenführers für Ratzeburg und Umgegend”
• einen kostenlosen Wohnungsnachweis für Sommergäste und
• Erhaltung bestehender und Einrichtung neuer Verkehrsverbindungen sowie Bemühen um günstige Fahrpreise.
Auch Anfragen Auswärtiger, die beabsichtigten, sich in Ratzeburg niederzulassen, wurden vom Verein beantwortet.
Die Verbesserung des Service war ebenso Teil der Bestrebungen des Vereins: “Einer Anregung des ‘Verbandes Deutscher Touristenvereine’ folgend, richtete der Vorstand an die Herren Wirte von Ratzeburg und Umgegend ein Rundschreiben, in welchem verschiedene Verbesserungen der spezifischen Einrichtungen für den Fremdenverkehr empfohlen wurden. Es steht zu erwarten, daß etwa vorhandene Mängel [...] inzwischen beseitigt sind, damit unser Ort sich auch in dieser Beziehung eines guten Rufes in Touristenkreisen zu erfreuen hat.”
Der Verein finanzierte sich aus Mitgliedsbeiträgen sowie Unterstützungen der Stadt und der Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft.
Während des 1. Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren wurden die Bemühungen um eine Förderung des Fremdenverkehrs aus naheliegenden Gründen weitgehend eingestellt. Erst Mitte der 1920er Jahre wurden die Bemühungen um den Tourismus in Ratzeburg seitens des Vereins wieder verstärkt.
Inzwischen hatte die Stadt selbst begonnen, sich über die finanzielle Förderung hinaus für die Tourismusförderung zu engagieren. 1919 wurde zunächst beschlossen, daß je ein Mitglied des Magistrats und des Stadtverordneten-Kollegiums im “Gemeinnützigen Verein” vertreten sein sollte. Im Jahre 1920 trat dann ein entscheidender Wandel ein: Die Stadt machte die Tourismusförderung zu ihrer eigenen Sache, in dem eine neue “Verkehrskommission” eingerichtet wurde, in der die Aufgaben verschiedener anderer Kommissionen gebündelt wurden, um “die Behandlung aller der Fragen [...], die dazu dienen, den Geschäfts- und Fremdenverkehr in Ratzeburg zu heben und ein Gedeihen des hiesigen Gewerbes zu fördern”.
Der vom Gemeinnützigen Verein herausgegebene “Führer durch Ratzeburg und Umgegend” wirbt Ende des 19. Jahrhunderts:
“Einen unwiderstehlichen Reiz übt die landschaftliche Schönheit dieses waldumrauschten Inselstädtchens [...] jahraus, jahrein auf die Touristenwelt aus, und es bildet besonders in den Sommermonaten einen beliebten Ausflugsort der Grossstädter, die sich hier - und sei es nur auf einen Tag - an den Naturschönheiten erfreuen und liebliche Bilder der Erinnerung in das Alltagsleben mit hineinnehmen. Aber auch als Sommerfrische erfreut sich Ratzeburg eines zunehmenden Rufes. Es hat zwar keine Thermen oder mineralische Quellen [...] dafür aber reine köstliche Lebensluft, wonnigen Wald und tiefklares Wasser: es ist also ein Platz für Rekonvaleszenten und Gesunde, die fern von den gewöhnlichen Pflichten des Lebens sich für einige Wochen oder Monate köstlicher Ruhe hingeben und neue Kräfte und frische Lust zum ernsten Lebensberuf sammeln wollen.”
Frau Sophie Jessen Reinfeld i.H. (Poststempel Ratzeburg 29.3.1902)
…und Bekannte haben uns ihre Teilnahme gezeigt, unser Stübchen glich einem Blumengarten. Die kirchliche Feier war sehr erhebend u. bei schönstem Sonnenschein traten die Kinder vor den Altar. Gebe Gott, dass sich alle guten Wünsche an unserm Töchterchen erfüllen mögen.
Mit herzl. Gruß wünscht Ihnen ein „frohes Osterfest“ Familie Weinhard
Meinen besten Dank für Ihre Gratulation. Das hübsche Gedicht werde ich mir als Andenken an meinen Konfirmationstag aufbewahren. Herzl. Gruß Ihre F. Weinhard
Archivale 06/2010 - “Herrichtung des Richtplatzes oder Galgenberges“ (1732-1733) (Stadtarchiv Nr. 2240)
Die jährlichen Kämmereirechnungen der Stadt Ratzeburg führen unter dem städtischen Eigentum auch die „zum Criminalwesen gehörige[n] Sachen“ auf. So finden sich in der Kämmereirechnung des Jahres 1722 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 9):
„1. Die Justitz Seule auf dem Marckte
2. Ein Halß-Eisen am Rathhause
3. Ein Pfahl mit Halß-Eisen auffm Kirchhoffe
4. Das Gerichte vor dem Thore
5. 2 Bein- und eine Handschelle
6. 1 Hand- und Beinschelle“
Das unter 4. genannte „Gericht“ ist nichts anderes als der Galgen, der sich an der Seedorfer Straße befand. Zu seiner genauen Lage schreibt Louis Hellwig in seiner „Chronik der Stadt Ratzeburg“ (Ratzeburg, 2. Auflage 1929), der Galgen habe „bei der Cholerabaracke“ (S. 24) gelegen und erläutert in der Fußnote: „Jetzt Wohnhaus in der Seedorfer Straße Nr. 6. – Der Platz, auf welchem die neue Siedler-Kolonie entstanden ist, hieß bis in die neueste Zeit hinein der ‚Galgenberg’ [jetzt Gustav-Peters-Platz].“ Die in der Nähe liegende Gastwirtschaft an der Schmilauer Straße wurde noch lange als „Galgenkrug“ bezeichnet. Da der Galgen aus Holz gebaut worden war, musste er in gewissen Abständen erneuert werden. Aus den Jahren 1598 und 1634 erfahren wir von solchen Neubauten. Ein genauer Bericht liegt uns aus dem Jahr 1733 vor.
Der alte Galgen war durch „starcken Sturm und Alter umgefallen“, worauf man mit dem Zimmermeister Franz Bernhard Weitzell die Errichtung einer neuen Richtstätte für 10 Reichstaler vereinbarte.Das Protokoll vom 20. Januar 1733 beschreibt den Vorgang:
Actum [gehandelt] Ratzeburg den 20. Januarij 1733.
Nachdem der heutige Tag zur Errichtung einer
neuen Justitz auf der Stadt jurisdiction vor
dem langen Brügger Thor angesetzet, dessen
behuff sich das hiesige Zimmer-Amt bereits
auf den so genanten Galgen-Berg angefunden ge-
habt: So ist E.E. Rath und zwar aus dessen
Mitteln Hh. [Herren] Bürgermeister Frantz Clasen
Rathmänner Hieronymus Christian Grüne-
berg und Gabriel Westfahl nebst mir Endes-
benanten nachhero dahinaus gefahren,
und nachdem man daselbsten aus Mittel der
Achtmänner Michel Otten, Jürgen Hümpell,
Niclaus Dehn, Johann Hinrich Poberz, Peter
Hieronymus Pobertz, Jochim Schütten und Jochim
Wallrathen (nebst verschiedene Bürger und deren Frauen und Kinder)
vorgefunden, hat vorgedachter
H. Bürgermeister Frantz Clasen mit der
ihme von dem Stadt Zimmermeister Frantz
Bernhard Weitzell raesentierten Paar neu[e]
Handschue und neuen Zimmer Axt, nach
zuvor gehaltenen kurtzen Anrede, den
ersten Hieb daran gethan, welchem auch
Hh. Grüneberg und Westfahl folgeten, worauf die anwesende membra [Mitglieder] Senatus mit
denen Achtmänner in Peter Schlöpken
Schenke eine kleine Mittags Mahlzeit ein-
genommen. Der Rathmann Herr Vanselau ist nach Lü-
beck verreiset gewesen, und der Rath-
mann H. Bergmann Kranckheits we-
gen außen blieben, wie denn auch der
alleine fehlende Achtmann Johann Casp.
Völckers sich gewisser Geschäffte halber
entschuldigt hat
Actum Ratzeburg ut supra [wie oben] A.D. [Adam Dietrich] Jührs Secr. [Stadtsekretär]
Knapp hundert Jahre später fand die letzte Hinrichtung an diesem Ort statt, die der Forscher Peter Jürs in einem Aufsatz ausführlich schildert („In Sachen Gottfried Keller. Ein lauenburgischer Kriminalfall aus dem Biedermeier“, in: Lauenburgische Heimat Neue Folge Heft 169, 2005, S. 45-59.)
Der Brandstifter Gottfried Keller wurde am 5. Mai 1828 mit dem Beil in Ratzeburg hingerichtet. Peter Jürs schreibt abschließend: „Der 5. Mai 1828 ist ein bedeutender Tag in der lauenburgischen Rechtsgeschichte […] Die Hinrichtung Gottfried Kellers sollte nämlich die letzte Vollstreckung eines Todesurteils im Herzogtum bleiben. Der Richtplatz ist nie wieder gebraucht worden, der Scharfrichter hatte hier nie mehr zu tun.“
Archivale 07/2010 - Höhere Schulbildung für Mädchen
Die Möglichkeit für Mädchen, eine höhere Schulbildung zu erhalten, war lange Zeit stark eingeschränkt. Begüterte Bürger konnten ihre Töchter auf Privatschulen schicken. Der früheste Hinweis auf eine Töchterschule in unserer Region stammt aus einem Testament von 1352. Ein Lübecker Kaufmann ließ seine Tochter im Nonnenkonvent des Heiligen Geistes in Ratzeburg erziehen.
Dienten im Mittelalter die Nonnenklöster als Töchterpensionate, übernahmen später private Einrichtungen diese Funktion. Während für die Jungen die Domschule und später (ab 1845) die Lauenburgische Gelehrtenschule ein erweitertes Bildungsangebot bereithielten, konnten Mädchen lediglich auf den „Höheren Töchterschulen“ eine qualifiziertere Bildung erwerben.
Die 3-klassige „mittlere Töchterschule“ der Leiterin Johanna Gast befand sich in der Schrangenstraße 174 (heute Nr. 3), später in der Langenbrücker Straße 9. Daneben gab es die 4-klassige „Höhere Töchterschule“. Von 1903 bis 1926 leitete Emma Spiethoff die Privatmädchenschule, die in der Junkernstraße 7 untergebracht war. Die dort angestellten Lehrerinnen verfügten nicht über akademische Bildung. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterte sich die finanzielle Lage der Schule zusehends. Zudem erforderten die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse Verbesserungen der Mädchenbildung.
Höhere Töchterschule Ratzeburg
Klassenfoto 1910, Lehrerin Frl. Franck
Höhere Töchterschule
Klassenfoto 1910
Höhere Töchterschule Ratzeburg
Ausflug nach Timmendorf
oben links Fr. Stützen, rechts daneben Frau E. Spiethoff
Höhere Töchterschule Ratzeburg
Klassenfoto 1912
So entstanden 1919 erste Pläne für die Übernahme der von rund hundert Mädchen besuchten Schule durch die Stadt Ratzeburg. Die Stadtverordneten erklärten sich grundsätzlich bereit, „auch das über die Volksschule hinausgehende Mädchenschulwesen in die städtische Verwaltung zu übernehmen.“
Da die Stadt sich dann aber nicht dazu in der Lage sah, die Stadtschule weiter auszubauen, begann der Kreis mit den Vorbereitungen zur Einrichtung einer „Deutschen Oberschule“ im Anschluss an die Lauenburgische Gelehrtenschule. Gleichzeitig sollte die Spiethoff’sche Privatmädchenschule übernommen werden.
In einer Denkschrift des Direktors der LG, P.B. Schmidt, heißt es:
„Außerdem fordert die höhere Mädchenbildung, die im gesamten Lauenburger Lande als unzureichend anzusehen ist, heute eine nicht länger aufschiebbare Berücksichtigung.“
Der Kreistag stimmte den Plänen am 20. Dezember 1922 grundsätzlich zu. Die Stadt Ratzeburg überließ dem Kreis die Spiethoff’sche Schule in der Junkernstraße am 1. April 1922. Ab Ostern 1922 durfte die Schule keine neuen Schülerinnen mehr aufnehmen.
Nach einem Erlass des Provinzial-Schulkollegiums war die „Aufnahme von Mädchen […] in der Deutschen Oberschule grundsätzlich, im Gymnasium in besonderen Ausnahmefällen gestattet.“
Lauenburgische Gelehrtenschule
Abiturjahrgang 1929
Einzige Abiturientin: Stephanie Otte
Die Deutsche Oberschule wurde nach einem Kreistagsbeschluss nach nicht einmal fünf Jahren schon wieder stufenweise abgebaut. Die Schülerzahl war offenbar zu gering, um das Nebeneinander zweier voll ausgebauter höherer Schulen zu rechtfertigen. Der Abbau zog sich bis 1935 hin.
Inzwischen war an der Stadtschule seit Ostern 1931 eine „Gehobene Abteilung“ eingerichtet worden, die kontinuierlich ausgebaut und 1942 offiziell als Mittelschule anerkannt wurde.
Archivale 08/2010 - Das Römersche Legat (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 4448, 1834-1876)
Stiftungen spielen heute eine immer wichtigere Rolle. Das Wiedererstarken der Idee des Bürgerengagements und die Kürzung öffentlicher Mittel haben dazu beigetragen, dass Stiftungen eine zunehmende Bedeutung als Geldgeber für gemeinnützige Initiativen und Projekte einnehmen. Der Gedanke, das Gemeinwohl durch eine Stiftung zu fördern, ist jedoch keineswegs neu. Er hat eine lange Tradition, die in Deutschland weit in das Mittelalter zurückreicht. Stiftungen wurden für das Seelenheil der Stifter eingerichtet, aber auch zu mildtätigen Zwecken. So geht die Einrichtung zahlreicher Waisenhäuser, Hospitäler und Altenheime auf Stiftungen zurück. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Fuggerei in Augsburg.
In Ratzeburg wurden im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Stiftungen und Legate (= Vermächtnis) ins Leben gerufen, die verschiedene gemeinnützige Zwecke verfolgten. Eines dieser Legate ist das Römersche Legat.
Lambert Heinrich Römer, am 31. Januar 1749 in Teterow / Mecklenburg geboren, war Kaufmann – später Justizrat - und wurde 1790 Bürger der Stadt Ratzeburg. Im selben Jahr heiratete er Anne Sophie Nölting, die Tochter des Ratzeburger Kaufmanns Michael Heinrich Nölting. Römer übernahm verschiedene Ämter in der Stadt, wurde 1803 Achtmann, 1805 Ratsherr und 1809 Bürgermeister. Dieses Amt übte er bis zu seinem Tode am 29. Juni 1825 aus.
Knapp zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes errichtete seine Witwe ihr Testament, das nach ihrem Ableben am 21. Januar 1834 geöffnet wurde.
Protokoll über die Testamentseröffnung
am 21. Januar 1834
(bitte aufrufen)
Die Ehe der Römers war kinderlos geblieben und so setzte Anne Sophie Römer in § 2 zu „alleinigen Universal-Erben und zu gleichen Theilen ein: 1. die Stadtkirche zu Ratzeburg, und 2. die Stadt-Armen zu Ratzeburg“
Testament der Witwe Anne Sophie Römer, geb. Nölting
(bitte aufrufen)
Weiter bestimmte das Testament:
§ 3 Vor allen Dingen lege ich der Stadtkirche die Verpflichtung auf, gegen das aus meinem Vermögen erhaltende dasjenige Gewölbe auf dem vor dem Langenbrücker Thore belegenen Kirchhofe, in dem mein seeliger Mann beigesetzt worden, und in dem auch ich verlange beigesetzt zu werden, als ein Römer’sches alleiniges Begräbnis zu beständigen Zeiten in gutem Stand […] unverrückt zu erhalten.
Die Einnahmen aus der Erbschaft sollen zuerst für diesen Zweck verwendet werden. Die Gruftanlage auf dem Friedhof am Steindamm ist bis heute erhalten.
§ 4 Das Kapital soll als „unangreiflicher Fond“ erhalten und sicher belegt werden, nur die Zinsen und Erträge dürfen verwendet werden – auch für Stipendien „an die bedürfende studirende Jugend“.
Die Verteilung der Gelder an die Armen oblag dem Magistrat der Stadt.
§ 6 Die Armen sind „durch jährliche Beyhülfen […] zur Arbeitsamkeit und Förderung eigenen redlichen Erwerbes […] anzuhalten, zumahl auch Stipendiaten, nemlich bedürftige sich dem Studiren widmende Kinder gesammter Bewohner dieser Stadt, die Gaben haben, was zu lernen, und deren Eltern unvermögend sind, an dieser wohlthätigen Anstalt, nach meinem Willen Theil nehmen sollen […] Vorzüglich sollen bedacht werden alte Leute und Arme, die fleißig sind, und fort wollen, und nicht können“.
Im Stadtarchiv sind sowohl die jährlichen Rechungen über die Einnahmen und Ausgaben des Römerschen Legats erhalten geblieben, als auch die Gesuche von Studierenden um Unterstützung.
Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg zerstörte die Kapitalbasis vieler Stiftungen und Legate. Durch einen Beschluss der städtischen Kollegien vom 22. Juni 1928 wurden daher folgende Stiftungen zusammengelegt:
Die Wilhelminen-Stiftung und die Legate von Skobel, Bierwirth, Leuenroth, Haase und Beer wurden zur Stiftung Ratzeburger Wohltäter vereinigt.
Zu einem weiteren Zusammenschluss kam es neun Jahre später. Die Stiftung Ratzeburger Wohltäter wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1937 mit folgenden anderen zusammengeschlossen:
a) Rohrdanz’sches Legat
b) Spehr’sche Stiftungen
c) Rütz’sches Legat
d) Römer’sches Legat
e) Weber’sches Legat
f) Brömel-Stiftung
Die Zweckbestimmungen der früheren Einzelstiftungen sind zum größten Teil als Stiftungszwecke der neuen Stiftung übernommen worden. Die Vermögenswerte dienten u.a. der Unterstützung alter, hilfsbedürftiger Einwohner und der Gewährung von Studienstipendien.
Die Stiftung Ratzeburger Wohltäter existiert bis heute. Zweck der Stiftung ist nach der Satzung „die Unterstützung alter und Förderung junger hilfsbedürftiger Ratzeburger Einwohner“. Das Stiftungsvermögen wird nicht angetastet, verwendet werden lediglich die Zinserträge. Über die jeweiligen Fördermaßnahmen entscheidet der für Sozialangelegenheiten zuständige Ausschuss nach Abstimmung mit dem für Jugendarbeit zuständigen Ausschuss.
Archivale 09/2010 - "Goldachter – 50 Jahre Olympiasieg"
Der Goldachter auf dem Albaner See (Lauenburgisches Kreisblatt Nr. 36, 09.09.1960)
Bei den Olympischen Spielen in Rom 1960 wurde erstmals ein deutscher Ruderachter Olympiasieger. 50 Jahre nach dem legendären Sieg des Ratzeburg-Kieler Achters am 3. September 1960 auf dem Lago Albano hat Hans Lenk, selbst Mitglied der damals siegreichen Mannschaft, ein kleines Buch zum Jubliäum veröffentlicht.
Im Buchhandel erhältlich
Auch mit dem Archivale des Monats erinnern wir in diesem Monat an den Olympiasieg vor fünfzig Jahren. Die Akte III / 1371 („Ratzeburger Ruderclub (RRC): Empfänge, Gratulationsschreiben, 1960-1971“) enthält Dokumente jener Tage.
Entschließung der Stadtvertretung vom 24.08.1960
Berichterstattung im Lauenbirgischen Kreisblatt Nr.36
09. September 1960
Berichterstattung im Lauenbirgischen Kreisblatt Nr.37
16. September 1960
Telegramm von Karl Adam
an Bürgermeister Dr. Hofer
Danksagung des Ratzeburger Ruderclubs
Archivale 10/2010 - "Anlegung eines neuen Friedhofs" (Akte Nr. 5067)
Friedhöfe sind nicht nur Orte der Trauer, des Abschiednehmens und des Gedenkens an die Verstorbenen. In ihrer gesamten Anlage und in der Gestaltung der einzelnen Grabstätten spiegelt sich zugleich Kultur und Geschichte derjenigen, die hier ihre Toten begraben. Sie sollten daher nicht als “Endstationen” gesehen werden, die vom Leben unserer Stadt ausgeschlossen sind, sondern als Teil unserer Gemeinden und unseres Gemeinwesens.
In seinem Buch über historische Friedhöfe in Schleswig-Holstein hat Heiko K.L. Schulze ihre vielfältige Bedeutung treffend formuliert: “Friedhöfe sind mit ihren Strukturen, Grabdenkmälern und Bauwerken auch historische Quellen ersten Ranges. Sie geben Auskunft über den Umgang mit Tod und Trauer, sind Zeugnisse einer sich stetig wandelnden Sozial- und Kulturgeschichte und mit ihren prachtvollen Grabmalen Beleg für künstlerisches Schaffen.” [1] Die Gestaltung der Friedhöfe ist Ausdruck des individuellen Verhältnisses zu den verstorbenen Angehörigen und des Verständnisses von Tod und Abschied.
In der Stadt Ratzeburg gibt es heute sechs Friedhöfe, eine erstaunliche Zahl, die sich aus der jeweils eigenen Geschichte der einzelnen Kirchengemeinden erklären lässt. Die Friedhöfe werden beginnend im Westen mit dem St. Georgsberger Friedhof und dem Militärfriedhof vorgestellt. Es folgt der Domfriedhof auf der Insel, dann der Friedhof am Steindamm, der für die Gemeinde St. Petri angelegt wurde, der Friedhof an der Seedorfer Straße und schließlich der katholische Friedhof am Weg nach Salem.
Ursprünglich befand sich auch um die Kirche St. Petri herum ein Friedhof. Auch in der Kirche wurden Verstorbene beigesetzt. Die letzte Beisetzung in der alten Kirche war die des Superintendenten Alberti 1787. Im Juli 1787 wurde die alte St. Petri-Kirche abgerissen und anschließend mit dem Neubau nach dem Plan des Baumeisters Labes begonnen. Der Neubau konnte am 27. November 1791 eingeweiht werden.
Der Friedhof am Steindamm wurde am 14. Februar 1788 eingeweiht mit der Beerdigung der Witwe Harms, Hebamme aus Ratzeburg, die im Alter von “ungefähr 60 Jahren” verstorben war.[2] Als die beiden einander gegenüber liegenden Friedhöfe am Steindamm voll belegt waren, wurde 1860 der Friedhof an der Seedorfer Straße angelegt.
Plan zur Anlegung des neuen Friedhofs
(bitte aufrufen)
Die weitgehende Belegung des Friedhofs am Steindamm machte Ende der 1850er Jahre die Anlage eines neues Friedhofs erforderlich. In den Jahren 1858/59 wurden dazu erste Gespräche geführt und nach einem dafür geeigneten Platz gesucht.
Schreiben des Konsistorium vom 14.11.1859
(bitte aufrufen)
Das Konsistorium als oberste kirchliche Behörde des Herzogtums Lauenburg genehmigte am 14. November 1859, “daß auf dem neben der Chaussee nach Ziethen belegenen Kirchenacker ein neuer Kirchhof für die hiesige St. Petri-Gemeinde angelegt werde”.
Der Friedhof an der Seedorfer Straße konnte am 28. August 1860 eingeweiht werden. Anfang der 1890er Jahre wurde eine Erweiterung notwendig, wozu ein Teil des sich anschließenden (1.) Pfarrackers hinzu genommen wurde. Dieser Teil des Friedhofs wurde am 17. Januar 1893 geweiht. [3]
[1] Heiko K.L. Schulze: “...darauf man mit Andacht gehen kann” Historische Friedhöfe in Schleswig-Holstein. Heide 1999.
[2] Kirchenbuch St. Petri.
[3] Vgl. Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 5067 “Anlegung eines neuen Kirchhofes”.
Archivale 11/2010 - 30 Jahre städtischer Kindergarten am Domhof
Der städtische Kindergarten am Domhof feierte vor wenigen Wochen sein 30-jähriges Bestehen. Das Stadtarchiv nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, auf die Einweihung am 26. September 1980 zurückzublicken.
(Berichterstattung in den Lübecker Nachrichten - bitte aufrufen)
Die Stadtvertretung hatte am 14. Dezember 1977 den Neubau beschlossen, damit „eine zeitgemäße, den Richtlinien entsprechende Einrichtung geschaffen wird.“ Ende 1978 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden, und am 10. Juli 1979 erfolgte die Grundsteinlegung. Das Richtfest des vom Architekten Hans Werner Neumann gestalteten Hauses konnte am 7. September 1979 gefeiert werden.
Der bronzene Fischotter, der vor dem Kindergarten auf einem großen Findling sitzt, stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Hans-Werner Könecke.
Der Umzug in das damals für 1,2 Mio. DM neu errichtete Gebäude hatte schon am 18. August 1980 stattgefunden. An diesem Tag hatten sich Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen des Kindergartens noch einmal am früheren Domizil in der Marienstraße getroffen und waren dann mit Polizeibegleitung gemeinsam zum Domhof marschiert. Gleichzeitig übernahm Frau Gerda Westermann die Leitung des Kindergartens.
(Berichterstattung in den Lübecker Nachrichten - bitte aufrufen)
(Berichterstattung in den Lübecker Nachrichten - bitte aufrufen)
Das alte Gebäude in der Marienstraße wies übrigens eine lange Geschichte auf, die anlässlich der Grundsteinlegung in einer kurzen Chronik zusammengefasst wurde. Auch diesen geschichtlichen Überblick präsentieren wir hier.
Die Akte, die sich mit der Erbauung des Vorgängergebäudes beschäftigt, liegt im Stadtarchiv unter der Archiv-Nummer 5005.
Archivale 12/2010 - Max Schmidt - "Beschreibung und Chronik der Stadt Ratzeburg"
Im 19. Jahrhundert wuchs in vielen Regionen das Interesse an der Erforschung der eigenen Geschichte. Es entstanden zahlreiche Geschichtsvereine, die sich dieser Aufgabe widmeten. So wurde 1833 die „Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesellschaft für vaterländische Geschichte“ gegründet, die als „Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte“ bis heute existiert. 1883 kam es in Mölln zur Gründung des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg“, dessen Nachfolger der „Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg“ ist. Der Verein konnte vor zwei Jahren sein 125-jähriges Bestehen feiern.
Diese Vereine geben bis heute Vereinszeitschriften bzw. Jahresbände heraus, in denen die neuesten Forschungsergebnisse zur Lokal- und Regionalgeschichte publiziert werden. Im 19. Jahrhundert erschienen auch die ersten umfassenderen Darstellung zur lauenburgischen Geschichte. Zu nennen sind hier vor allem die Werke von Peter von Kobbe und Adolph Eduard Eberhard Ludwig von Duve.
In Ratzeburg übernahm es der Verleger Max Schmidt, „zur Belebung des Interesses für Heimathskunde und mehrfach geäußertem Wunsche entsprechend“ im Sommer 1882 eine „Beschreibung und Chronik der Stadt Ratzeburg“ zu veröffentlichen. Grundlage bildeten dafür Kobbes Geschichte des Herzogtums Lauenburg und die in den Archiven vorliegenden Quellen. Da diese älteste Chronik heute kaum noch erhältlich ist, soll sie als „Archivale des Monats“ jetzt zumindest digital wieder zugänglich gemacht werden.
Max Schmidts Arbeit hat noch vor dem Ersten Weltkrieg seine Fortsetzung gefunden. Louis Hellwigs 1910 erschienene Chronik der Stadt Ratzeburg verstand sich als „zweite, vollständig umgearbeitete Auflage der Schmidtschen Chronik“. Hellwig hatte sein Werk nur drei Tage vor seinem Tod fertig gestellt. 1928 ergänzte Bruno Raute Hellwigs Arbeit „bis auf die Gegenwart“ und fügte die Ratzeburger Polizeiordnung von 1582 als Anhang hinzu.
Zu den beiden Stadtjubiläen 1962 und 1987 gab die Stadt jeweils stadtgeschichtliche Publikationen heraus. 1962 stellten Kurt Langenheim und Wilhelm Prillwitz Beiträge zahlreicher Verfasser zur Stadtgeschichte zusammen.
Diese Arbeit hat mit dem zweiten Teil der „Beiträge zur Geschichte Ratzeburgs“ 1973 seine Fortsetzung gefunden.
Die jüngste umfassende Darstellung der Ratzeburger Stadtgeschichte hat der frühere Kreisarchivar Dr. Hans-Georg Kaack 1987 aus Anlass des 925-jährigen Jubiläums der Stadt geschrieben.
All diese Arbeiten bilden nach wie vor die Basis für weitere historische Forschungen.
Archivalen 2009
Archivale 01/2009 - Kämmereirechnung der Stadt Ratzeburg des Jahres 1710 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 1)
Die Kämmereirechnungen sind Jahresrechnungen, in denen sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Stadt Ratzeburg für das jeweilige Rechnungsjahr aufgezeichnet sind. Diese Rechnungen liegen als gebundene Bücher seit dem Jahr 1710 fast vollständig vor. Das vorliegende Exemplar ist also die älteste erhaltene dieser Rechnungen.
Die Kämmereirechnungen bieten nicht nur einen Einblick in die Entwicklung der städtischen Finanzen, sondern sind ebenso wichtige Quellen für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die Familienforschung und die Erforschung einzelner städtischer Gebäude. 1710, 17 Jahre nach der völligen Zerstörung Ratzeburgs durch die dänische Beschießung im Sommer 1693, befand sich die Stadt noch immer im Wiederaufbau. 1704 war das neue Rathaus am Markt fertig geworden, die Alte Wache wird um 1710 errichtet.
Die Rechnung des Jahres 1710 wurde von dem Ratsherrn und Kämmerer Joachim Christoph Clasen geführt. Die „Polizeiordnung der Stadt Ratzeburg“ aus dem Jahr 1582 schrieb vor, dass der Rat der Stadt aus zwei Bürgermeistern und sechs Ratsherren bestehen sollte. Zwei dieser Ratsherren fungierten als Kämmerer. Ihnen unterstand die gesamte Finanz- und Grundstücksverwaltung der Stadt. Joachim Christoph Clasen war 1653 in Ratzeburg geboren worden. Er wurde 1701 Bürger der Stadt und 1706 Ratsherr. Er war Amtmann, Brauer und Branntweinbrenner und wohnte am Markt. 1731 ist er in Ratzeburg gestorben.
Am Anfang jeder Jahresrechnung stehen jeweils die „Monita“ (Beanstandungen) zu der Vorjahresrechnung („Die Quitungen und Belege sind hinkünfftig ordentlich einzubinden, damit keines davon abhänden kommen könne.“). Es folgt eine Aufstellung des „Corpus bonorum“ der Stadt, also ein Güterverzeichnis („Specification derer, der Stadt Ratzeburg eigenthümlich zugehörigen Güther, daher sie Nutzen, oder Einkommen hat“). Hier sind die städtischen Immobilien aufgeführt, die Gebäude (u.a. Rathaus, Schule und Lange Brücke), Holzungen, Äcker und Wiesen. Es folgen die beweglichen Güter. Hier findet man das Inventar des Rathauses und der Schule, die Stadtsiegel und Stempel sowie Bau- und Feuergerätschaften. Schließlich sind auch „sich bewegende Güter“ verzeichnet – der Stadtbulle und zwei städtische Eber!
Insgesamt stehen in der Jahresrechnung den Ausgaben in Höhe von 9259 Mark (lübsch)14 Schillingen Einnahmen in Höhe von 11145 Mark (lübsch) 11 ¾ Schillingen gegenüber, es verblieb also ein Überschuss in Höhe von 1885 Mark und 13 ¾ Schillingen.
Die bedeutendste Einnahmequelle der Stadt war der Holzverkauf aus den städtischen Holzungen, die immerhin mit 4672 Mark zu Buche stehen. Die Einnahme aus dem Brückengeld, das für die Benutzung der Langen Brücke entrichtet werden musste, betrug 522 Mark und 4 Schillinge, die Bierakzise, eine Verbrauchssteuer, erbrachte 690 Mark. Bei den Ausgaben spielen die „bezahlten Kapitalien und Zinsen“ (5112 Mark) die größte Rolle. Es folgen die Ausgaben für Besoldungen und Baukosten.
Eine einfache Umrechnung der genannten Beträge in heutige Währung ist oft wenig aussagekräftig, da sich das gesamte Verhältnis von Löhnen und Preisen völlig geändert hat. Einige Beispiele aus der Kämmereirechnung helfen eher, eine Vorstellung vom Wert der genannten Beträge zu gewinnen. So erhielt der Stadtsekretär Joachim Christoph Tiede jährlich 300 Mark, der Brückengeldeinnehmer, der Stadtknecht und der Organist bekamen jährlich 60 Mark ausbezahlt. Eine Tonne Bier dagegen kostete 6 Mark und 12 Schillinge. Die Kosten für Essen und Trinken bei der Einführung des zweiten Prediger an St. Petri, Johann Heinrich Bussenius, beliefen sich auf 51 Mark und 4 Schillinge. Für dessen Umzug von Vellahn nach Ratzeburg mit zwei Wagen zahlte die Stadt 16 Mark. Und schließlich erhielt der Bürgermeister Beneke für das „Stadt-Rind“, den städtischen Bullen, ein jährliches Futtergeld in Höhe von 18 Mark.
Diese Seite führt die Ausgaben für das Weidegeld auf, das für die Nutzung von Weideflächen in den Ortschaften Salem und Schmilau gezahlt wurde:
„Denen Schmilower Hausleuthen sind die gewöhnliche 2 Tonnen Bier für die Weyde, von Peter Schlöpken abgefolget, und diesem bezahlet 13 Mk. 8 ß“.
Archivale 02/2009 - Briefe aus der DDR aus dem November 1989 (Stadtarchiv Ratzeburg Bestand III Nr. 2024 (3 Bände))
Am 9. November 1989 fiel durch die friedliche Revolution in der DDR die Berliner Mauer. Kurz darauf wurden auch zwischen dem Kreis Herzogtum Lauenburg und dem benachbarten Mecklenburg die Grenzübergänge geöffnet. Tausende fuhren am 12. November 1989 nach Mustin, um dort die Grenzöffnung mitzuerleben. In den folgenden Tagen gingen im Ratzeburger Rathaus zahlreiche Briefe von Besucherinnen und Besuchern aus der DDR ein, die ihre Erlebnisse und Empfindungen an diesem bedeutungsvollen Tag schildern. Den meisten Briefschreibern war es ein besonderes Anliegen, Ihre Dankbarkeit für die herzliche, meist sogar begeisterte Aufnahme in Ratzeburg zum Ausdruck zu bringen. Diese Briefe, die ganz persönliche Zeugnisse eines gerade auch für die Stadt Ratzeburg historischen Moments sind, wurden zusammen mit vielen Anfragen, Kontaktwünschen und Angeboten, die in den folgenden Monaten aus der DDR eintrafen, im damaligen Amt für Fremdenverkehr und Kultur beantwortet und gesammelt. Sie sind heute im Stadtarchiv zugänglich.
Heiligendamm, den 12.11.89 20:00 Uhr
Werte Ratzeburger!
Noch immer unter dem großen Eindruck unserer heutigen, kurzen Tagesreise, möchten wir uns als Familie bei Ihnen, stellvertretend für alle Bürger, herzlichst bedanken. Der Empfang in Ihrer Stadt war für uns wirklich überwältigend. Zum ersten Mal hatten wir Kontakt mit Bürgern der BRD. Aber Ihre Fürsorge und Ihr Entgegenkommen waren so sensationell, dass wir heute Abend, zu Hause angekommen, unseren Dank nochmals für alle Hilfen ausdrücken möchten.
Für all Ihre Mitarbeiter war es sicherlich ein anstrengender Sonntag, der aber sicherlich durch unsere strahlenden Gesichter ein bisschen verschönert wurde. Uns hat alles sehr gut gefallen und wir sind noch immer beeindruckt. Sollten diese politischen Neuerungen ein Anfang für weitere bürgernahe Veränderungen sein, das wünschen wir uns und Ihnen aus vollem Herzen.
Herzlichen Dank
Familie S.“
„Güstrow, 13.11.1989
Lieber Herr Bürgermeister von Ratzeburg!
Ich möchte Ihnen einmal einen Brief schreiben und ich hoffe sehr, dass Sie meine Gefühle dafür verstehen können. Ich lebe mit meinem Mann und meinen 3 Kindern in der Barlach-Stadt Güstrow. Wir leben gut und es geht uns gut und wir haben weder die Absicht weg zu gehen, noch werden wir es tun.
Aber was wir am Sonntag in Ihrer Stadt erlebten, das hat uns sehr beeindruckt und tief berührt. Als wir den Grenzübergang „Mustin“ nach langen Stunden des Wartens endlich passiert hatten, da wussten wir gar nicht, wie uns geschah. So viele Menschen, die uns die Hände drückten, die uns Geschenke gaben, die uns bewirteten und uns Glückwünsche aussprachen. Es hat uns alles sehr erschüttert, die Tränen von so vielen Menschen, Tränen der Freude und Tränen der Erleichterung, dass wir das erleben können.
Wir sind erst 38 Jahre und 35 Jahre alt. Als sich die Grenzen schlossen, waren wir noch Kinder und begriffen nicht, was uns das alles bringen sollte. Nun sind wir sehr froh, dass man das von unserer Seite änderte, und wir hoffen für uns alle, dass es so bleibt.
Mit diesem Brief möchten wir uns bei allen Bürgern Ihrer Stadt bedanken, die uns so nett empfangen haben und uns so geholfen haben. Dank an alle, die uns und unsern Kindern dies möglich machten.
Wir kommen gerne wieder, denn mit dem Auto ist es für uns eine kurze Strecke. Wir möchten noch viel sehen von Ihrer schönen Stadt und auch das Barlach-Grab besuchen. Wir freuen uns auf einen neuen Besuch in Ratzeburg. Vielleicht ist es auch einmal möglich etwas zu tun, dass man über das Wochenende bleiben kann, denn dann hätte man auch etwas mehr Zeit, alles zu sehen.
Vielen Dank an Sie und an die Bürger von Ratzeburg, dass man sich solche Mühe gab.
Monika W.“
„Plate, den 13.11.89
Hallo liebe Einwohner von Ratzeburg!
Viele liebe Grüße aus Plate im Kreis Schwerin sendet Euch allen Familie St.. Nachdem wir gestern voller Freude im Radio die Nachricht hörten, dass der Grenzübergang Mustin Ratzeburg wiedereröffnet wurde, entschlossen wir uns ganz spontan Euch zu besuchen. Nach dem Motto ‚Halli Hallo heute fahren wir nach Ratzeburg und nicht in den Schweriner Zoo’.
Leider dauerte es vier Stunden, bis wir die Grenze passieren konnten. Aber ich habe 36 Jahre gewartet, um Euch und Euer Land kennen zu lernen. Was sind da schon vier Stunden? ‚Null Problemo’.
Außerdem war der Empfang so herzlich, freundlich und nett, dass ich diese beeindruckenden Szenen schon am Grenzübergang wohl mein Leben lang nicht vergessen werde. Und auch in Ratzeburg in der Innenstadt. Ein großes Bild der Freude. So viele nette, freundliche Menschen und so viel wirkliche, von Herzen kommende Freude über unser Kommen. Wahnsinn, wir können es noch nicht fassen.
Ich schreibe Euch einfach, um mich bei allen, die uns an diesem Abend so lieb und herzlich empfangen haben, ganz lieb zu bedanken.
Etwas anderes können wir im Moment nicht, als Danke sagen. Es ist so schön, dass wir endlich aus unserem Käfig ein bisschen in die Welt fliegen können. In der Hoffnung, dass es nicht unser letzter Besuch bei Euch war, sagen wir auf Wiedersehen. Das nächste Mal kommen wir am Tage, damit wir etwas mehr von Eurer sicherlich schönen Stadt sehen können. [...]
Nun seid alle nochmals recht lieb gegrüßt von einer glücklichen Besucherin Eurer Stadt und auf ein Wiedersehen.
Marlies St., Plate“
“Güstrow, d. 13.11.1989
Liebe Stadt Ratzeburg!
Gestern kamen wir gegen 16.00 Uhr zum ersten Mal in Ihre Stadt. Wir sind noch immer gerührt und tief bewegt von dem überaus herzlichen Empfang am Grenzübergang sowie in der Stadt Ratzeburg selbst.
Es ist ein ungeheuer schönes Gefühl die FREIHEIT mit eigenen Händen und Füßen zu berühren. Wir sind Ihnen, liebe Ratzeburger Bürger dankbar, denn auch durch Ihre Hilfe und Unterstützung wird dieser Tag ein unvergessener Tag für uns bleiben. [...]
Vielen Dank und herzliche Grüße aus Mecklenburg
Von Manfred und Bärbel S.“
„Schwerin, 15.11.1989
[...] Dieser 12. November 1989 wird uns wohl lebenslang im Gedächtnis bleiben. Es war der erste Besuch in der Bundesrepublik seit dem Mauerbau und – ganz ehrlich gesagt – wir fuhren mit gemischten Gefühlen über die Grenze. Aber was wir dann erlebten, ist einfach nicht zu glauben., wenn man nicht selbst dabei war. Soviel Begeisterung, soviel Gastfreundschaft, soviel Gespräche und aufmunternde Worte, soviel herzliche Umarmungen mit Menschen, die man nicht kannte – wir haben uns der Tränen auf offener Straße nicht geschämt, und wir hoffen auch, dass sich die ramponierten Blümchen für die freundliche Dame am Postschalter noch erholt haben. Wir haben uns die Frage gestellt: Wären wir zu so einer Handlungsweise auch fähig gewesen? Nun, so eindeutig konnte das nicht beantwortet werden. [...]
Ja, es war ein historischer Tag – und wir sind glücklich darüber, dabei gewesen zu sein! Klar ist uns, dass es so nicht immer sein wird und kann, aber dieser Tag bleibt für uns unvergesslich, weil er bewiesen hat, dass trotz Hektik, Egoismus, Neid, Überheblichkeit und Herzlosigkeit in unserer Zeit die wertvollen menschlichen Gefühle noch nicht verschüttet sind. [...] In dem wir Ihnen allen, die zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben, nochmals ganz herzlich ‚Dankeschön’ sagen, verbleiben wir mit freundlichem Gruß
Hans und Marianne S.
„Werte Angestellte des Rathauses Ratzeburg
der Abt. Begrüßungsgeld für DDR Bürger,
der Freiwilligen Feuerwehr und der Bürger von Ratzeburg!
Ich möchte mich im Namen meiner ganzen Familie für den wunderschönen Empfang in Ihrer Stadt bedanken. Wir waren überrascht, mit welch einer herzlichen Begrüßung und Anteilnahme wir von allen aufgenommen wurden. Wir werden diesen Tag in Ihrer schönen Stadt nicht vergessen. Ich kann nicht alle aufzählen, die uns diesen Tag so zu einem Erlebnis bereitet haben. Unser großer Dank geht an alle Ratzeburger. [...]
Mit freundlichen Grüßen und einem Dankeschön
Familie A.“ [Brief eingegangen am 16.11. 1989]
„Güstrow, den 16.11.1989
An die lieben Bürger der Stadt Ratzeburg und Umgebung!
Ich möchte meinem Herzen einmal Luft machen. Was wir am 12.11.1989 beim ersten Grenzübergang erlebten, möchte ich weitergeben, es war ein Erlebnis! Fünf Stunden haben mein Mann und ich gewartet, bis die Grenzsperren weggerissen und die Straße in der Sperrzone befahrbar gemacht wurde. Dann rollte unser Trabi über die Grenze. Tief gerührt sahen wir die vielen, vielen Menschen an der Straße. Nur ein Winken, Klatschen, ein Händedrücken durchs Fenster und immer wieder ertönten die Rufe „herzlich willkommen“. Kinder reichten uns heißen Tee, Erwachsene Schokolade und Obstdosen ins Auto. Es war so ergreifend, dass ich mich nicht beherrschen konnte und meinen Tränen freien Lauf ließ.
Bei der Einfahrt nach Ratzeburg reichte man uns Schmalzstullen und Wein. Im Kaufhaus gab es Kaffee, Kuchen und Schmalzstullen. Bei einem Bäcker auch Kaffee und Brötchen. Ich möchte mich nun bei der Stadt Ratzeburg und bei den vielen, vielen Menschen an der Straße bis zur Grenze recht, recht herzlich bedanken. Diesen Empfang werde ich in meinem Leben nicht vergessen! Bitte geben Sie unser ‚Dankeschön’ weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Frau Hildegard B., Güstrow“
„Güstrow, 6. Dezember 1989
Werte Freunde!
Erlaubt mir einige Dankesworte an Euch zu richten. Am 2. Dezember 1989 durften wir Eure schöne, saubere Stadt besichtigen. Wir kamen in der Mittagszeit bei Euch an. Unsere Zeitungen berichteten, dass sonnabends und sonntags das ‚Begrüßungsgeld’ nicht mehr dargereicht wird. Diese Meldung bezog sich besonders auf den Bereich Bayern. Ob [es] im Bereich Lübeck auch so gehandhabt wird, war [...] unbestimmt. Wir fuhren dennoch los. Schon zwischen Gadebusch und Ratzeburg kam es zu einer Fahrtstockung. 2 ½ Stunden hielt uns ein Stau auf. Erst in Eurem Herzogtum Lauenburg ging es flott weiter. Mein Sohn nebst Schwiegertochter brachten uns im Wartburg nach Ratzeburg. Erleichtert erfuhren wir, dass im Rathaus das Begrüßungsgeld zu erhalten ist.
Nun kam die Überraschung: Wir brauchten nicht lange anstehen. An mehreren Tischen wurden wir bedient. Das Arbeitsteam machte keine Arbeitspause – auch in der Mittagszeit! Freundlich und recht kinderlieb im Umgang und dann noch ohne Nervosität, ja sogar opferbereit. – Der Herr mit einer versehrten Hand wirkte besonders wohlwollend, direkt brüderlich. Dem Herrn sei Lob und Dank, dass es noch in dieser Zeit solche Volksgenossen gibt, die mit Nächstenliebe dem Mann aus dem Volke dienen. – Dann muss man es Euch hoch anerkennen, dass Land und Leute durch Brüderlichkeit und Opfer uns nicht nur erfreuen, sondern uns direkt beschämen und zum Dank verpflichten. Ich kann so den Dank abtragen, dass ich unsern Herrgott bitten werde um das Gelingen unserer gemeinsamen Sache – ein geeintes Vaterland mit vielen guten Menschen, das unter Gottes Segen blüht und gedeiht!
Wünsche gute Gesundheit und Gottes Segen!
Benno N., Güstrow“
Archivale 03/2009 - Die „Lauenburgische Zeitung“
Vielen ist die Zeitung für einen gelungenen Start in den Tag ebenso wichtig wie frischer Kaffee und knusprige Brötchen. Zwar heißt es, dass nichts so alt und damit so langweilig sei wie die Zeitung von gestern, die Archivarbeit zeigt aber immer wieder, dass die Zeitung von vorgestern doch schon wieder einen ganz besonderen zumindest nostalgischen Reiz ausübt. Als Quelle für die lokale Geschichtsschreibung kommt der Zeitung eine große Bedeutung zu.
Ratzeburg hat eine lange Tradition als Zeitungsstadt. Schon 1772 gab der Buchdrucker Zacharias Hinrich Gläser auf dem Domhof eine Zeitung heraus, die den Titel „Neue politische Zeitung“ trug. Das Blatt, das nicht mehr als vier Seiten umfasste und zweimal wöchentlich erschien, ist leider nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben.
1814 gründete der aus Lauenburg stammende Johann Georg Christian Freystatzky in Ratzeburg seine eigene Buchdruckerei, die zunächst ihren Sitz in der Domstraße (heute Nr. 29) und nach dem Tod des Gründers in der Kleinen Wallstraße hatte. 1818 erhielt Freystatzky das Privileg des dänischen Königs, einen Volkskalender (Vorläufer des Kreiskalenders) und ein Wochenblatt herauszugeben. Das Wochenblatt erschien ab dem 3. Oktober 1818 unter dem Titel „Privilegierte Lauenburgische Anzeigen“ jeweils am Mittwoch und Sonnabend. Politische Nachrichten durften darin generell nicht veröffentlicht werden. Erst 1857 wurde dieses Verbot aufgehoben und die Zeitung erschien von nun an als „Lauenburgische Zeitung“.
Mit dem neuen Namen änderte sich auch das Format des Blattes, das der Herausgeber „zu einem Volksblatt gestalten“ wollte. 1876 wurde der Sitz der Druckerei in die Langenbrücker Straße verlegt.
Die Zeitung erhielt 1885 ein nochmals vergrößertes Format, das sie bis zum Einstellen ihres Erscheinens beibehielt, und erschien jetzt dreimal wöchentlich. Um während des Ersten Weltkriegs das Interesse der Leserschaft an schneller Information von den Fronten zu befriedigen, wurde die Zeitung 1915 auf ein tägliches Erscheinen umgestellt.
In der Zeit des Nationalsozialismus berichtete die Zeitung, die von 1900 bis 1935 von ihrem deutschnationalen Verleger Bruno Raute geprägt wurde, bald im Sinne der neuen Machthaber. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die „Lauenburgische Zeitung“ mit der Möllner Zeitung zusammengelegt, erschien aber weiterhin unter dem alten Titel in Ratzeburg bis Ende 1944. Vom 2. Januar 1945 an wurden dann alle lauenburgischen Zeitungen zur „Lauenburgischen Landeszeitung“ zusammengefasst.
Nach dem Ende der Lizenzpflicht für deutsche Zeitungen konnte auch die „Lauenburgische Zeitung“ am 1. Oktober 1949 wieder erscheinen. Sie trug anfangs den Untertitel „Holsteiner Tageblatt". Überparteiliche Zeitung für Mölln, Ratzeburg und das gesamte Kreisgebiet“.
In dieser Form hat die Zeitung bis zum 30. Juni 1958 bestanden. Dann stellte sie aus wirtschaftlichen Gründen ihr Erscheinen ein – Die Versorgung mit Nachrichten aus der Region hatte sich auf die Lübecker Zeitungen verlagert.
Im Stadtarchiv sind folgende Jahrgänge vorhanden: 1901-21, 1923, 1931, 1933-1935. 1949 (Okt.-Dez.), 1950-1957, 1958 (Januar-Juni). Weitere Jahrgänge liegen im Kreisarchiv Ratzeburg (Am Markt 10).
Wer die Bestände des Stadtarchivs vor Ort selbst nutzen möchte, hat zu den Öffnungszeiten (Mittwoch und Freitag von 8 – 12:30 Uhr und nach Vereinbarung) die Gelegenheit dazu. Eine vorherige Terminabsprache ist allerdings empfehlenswert.
Die Archive im Land Schleswig-Holstein verstehen sich als moderne Dienstleistungseinrichtungen. Sie dienen als “Gedächtnis des Landes und der Kommunen”. Grundlage der Archivarbeit im Land Schleswig-Holstein ist das Landesarchivgesetz vom 11. August 1992, das auch die Archivaufgaben im kommunalen Bereich definiert.
Die zentrale Aufgabe des Stadtarchivs ist es, die historische Überlieferung zu sichern und die Quellen für interessierte Benutzerinnen und Benutzer zugänglich zu machen. Hinzu kommen zahlreiche Aufgaben im Rahmen der historischen Bildungsarbeit.
Das Stadtarchiv Ratzeburg, dessen Betreuung nach dem Zweiten Weltkrieg ehrenamtlich erfolgte, verfügt neben den älteren Akten der Stadt Ratzeburg (17.-20. Jahrhundert), der Gemeinde St. Georgsberg und des Gutsbezirks Neuvorwerk (1875-1927) über Unterlagen der früheren Ratzeburger Kleinbahn AG, Bestände der “Lauenburgischen Zeitung”, eine stadtgeschichtliche Sammlung und eine Archivbibliothek.