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18.03.2024

Archivalen des Monats:
"War hier nicht früher mal ... das Alumnat?

Dass sich unsere Stadt ebenso wie unser Leben in einem beständigen Wandel befindet, ist fast schon ein Gemeinplatz. Unsere Lebensverhältnisse, Ansprüche und Bedürfnisse ändern sich ständig. Das wirkt sich auch auf unsere unmittelbare Umgebung aus. Wir können das in unserem Lebensumfeld betrachten. Viele Veränderungen nehmen wir nach kurzer Zeit gar nicht mehr wahr. Oft erinnern wir uns erst beim Betrachten alter Fotos an Telefonzellen, Parkuhren oder Fernsehantennen auf den Hausdächern. Ach ja, und an der Ecke gab es ja den Bäcker und daneben hat Opa immer seinen Lottoschein abgegeben.  Der Wandel zeigt sich nicht nur an den alltäglichen Dingen, er betrifft auch die "großen" Einrichtungen, auch wenn sie noch solide und unverrückbar erscheinen. Betriebe, Behörden und Institutionen fusionieren, brauchen mehr Platz oder werden überflüssig. 

Unsere Reihe "Archivale des Monats" wird sich in diesem Jahr mit Firmen, Einrichtungen und Institutionen beschäftigen, die aus dem Stadtbild verschwunden oder an einem ganz anderen Ort neu entstanden sind. Manchmal bleibt dann eine Lücke, manchmal entsteht an gleicher Stelle aber etwas völlig anderes. Nicht immer werden die Bilder- und Textquellen in unserem Archiv erschöpfend Auskunft über das geben können, was früher einmal vorhanden war. Darum bitten wir alle, die noch historische Dokumente zu unseren Themen haben oder Erinnerungen beisteuern mögen, um ihre Unterstützung. 

Archivale 02/2024 - "War hier nicht früher mal ... das Alumnat?

Vereinfachter Text >>

Der Begriff „Alumnat“ ist heute nur noch Wenigen geläufig. Er geht auf den lateinischen Begriff „alumnus“ für „Schüler, Zögling“ zurück und bezeichnet eine Unterbringungsmöglichkeit für auswärtige Schüler vor allem an Gymnasien und anderen höheren Schulen. Bevor es an der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) ein solches Schülerwohnheim gab, hatten die von auswärts stammenden Gymnasiasten lediglich die Möglichkeit, sich in der Stadt ein Zimmer zu mieten, das wohl oft nur eine dürftige Dachkammer war – so beschreibt es Andreas Claudius in seinen Erinnerungen („Als Ratzeburger Domschüler“, Lauenburg / Elbe 1932). Einen täglichen Schulbesuch an der einzigen höheren Schule des Kreises ließen die damaligen Verkehrsverbindungen im ländlichen Raum nicht zu.

In der Zeit des Direktors Dr. Julius Waßner (1893-1903) wurde dann an der Lauenburgischen Gelehrtenschule das Alumnat gegründet. Die Festschrift von 1949 zum 100-jährigen Jubiläum der LG enthält einen ausführlichen Bericht von Dr. Rudolf Irmisch über die Entwicklung des Alumnats. Im Frühjahr 1895 wurde in einem Mietshaus an der Reeperbahn „ein kleines Alumnat mit 4 Zöglingen eröffnet. […] Raummangel, eine Folge zahlreicher Neuanmeldungen, führte bereits im Herbst 1896 zum Erwerb des auf der Demolierung Nr. 2 liegenden Dreßschen Hauses. Im Frühjahr und Sommer 1897 wurden an diese mit Front zur Töpferstraße stehenden Gebäude […] der Längsflügel nach der Schule hin und die Stallungen errichtet und das alte Wohnhaus so umgebaut, daß man nun für 18 Alumnen Platz hatte“.

1928 wurde durch Umbauten die Kapazität des Hauses so erweitert, dass künftig 30-32 Schüler Aufnahme finden konnten. 1943 wurde das Alumnat, bis dahin im Besitz eines Trägervereins, an den Kreis Herzogtum Lauenburg übergeben.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Alumnat als Lazarett genutzt. Nach dessen Auflösung im Herbst 1945 wurde auf Verlangen der britischen Militärregierung eine Hautklinik eingerichtet, die bis Juni 1948 bestand. Erst danach konnte das Schülerheim seinen Betrieb wieder aufnehmen. 40 Gymnasiasten konnten nun hier wohnen. Bis 1949 hatten 522 Schüler hier Aufnahme gefunden.

Wie das Leben im Alumnat in der 1960er ablief, hat Heinz Hoffmann in der Lauenburgischen Heimat“ anschaulich beschrieben („Eine Jugend in den 60er Jahren.  Aus meiner Alumnatszeit in Ratzeburg“, in: Lauenburgische Heimat, Heft 191, 2012).

1970 endete die Geschichte des Alumnats. Der letzte Leiter der Einrichtung, der damalige Studienrat Rolf Lange, schrieb im Jahresbericht der LG den letzten Bericht über das Haus: „Entscheidend für den Beschluß des Vorstandes des Alumnatsvereins […], das Haus zu schließen, war die Verkürzung der Ausbildungszeit der Referendare und Vikare. Das Kultusministerium und das Landeskirchenamt sahen sich nicht mehr in der Lage, Assistenten zur Ausbildung an die Internate Schleswig-Holsteins abzustellen.“

Nach der Auflösung des Alumnats wurde das Gebäude für Verwaltungszwecke und als Familienbildungsstätte genutzt. Der Abriss erfolgte 1992. Das heute an dieser Stelle stehende Gebäude wurde 1999 errichtet.

Quelle: Stadtarchiv Ratzeburg - Stadtarchviar Christian Lopau