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Die Theatergruppe des Ratzeburger Seglervereins

Wilhelm Bade

„Lachen, das war Wilhelm Bades Devise und komisch genug konnte er ja auf der Bühne sein und mit ihm waren es ein paar weitere Talente“, sagte Barbara Friedrich, die Tochter von Wilhelm Bade, als sie die Fotoalben mit Bild- und Textdokumenten von über 20 Jahren Theatergeschichte des Ratzeburger Seglervereins überreichte.

Dr. Wilhelm Bade war Facharzt für Dermatologie und Urologie mit Praxis in der Brauerstraße in Ratzeburg. Wenn man sich unter einer Arztpraxis helle Räume mit Chrom, Edelstahl und Schleiflackmöbeln vorstellte, war man bei Wilhelm Bade fehl am Platze. Das wäre ihm alles viel zu geleckt, zu glatt, zu unpersönlich gewesen. Er war ein Mann des prallen Lebens, er liebte das Natürlich-Ungekünstelte, war ein Mensch, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand und sich seiner Bedeutung sicher war. Sein Umgang mit Freunden, Bekannten und Patienten war herzlich aber auch direkt, ohne Umschweife.

In zweiter Ehe lebte er mit seiner Frau Dr. Anneliese Bade, die ihn auch gelegentlich in der Arztpraxis vertrat, und seinen vier Kindern (zwei aus erster Ehe) in einer Villa am Mühlengraben mit direktem Zugang zum Ratzeburger See. Er liebte das Segeln und kam so zum Ratzeburger Seglerverein. Schwante ihm damals schon, dass er in diesem Verein sein zweites Hobby zu ungeahnter Blüte treiben würde? Dabei ging es zunächst doch nur darum, dem Verein finanziell unter die Arme zu greifen, um den Verpflichtungen für die Pflege von Booten und Hafenanlage, der Jugendarbeit usw. gerecht zu werden. Seine Idee war mit Theateraufführungen etwas Geld zu verdienen.

Und so gründete Wilhelm Bade 1951 die Theatergruppe des Seglervereins. Von Anfang an war er Leiter der Gruppe. Die drei Aufführungen pro Jahr, nämlich Rosenmontag und Faschingsdienstag und einer Wiederholung zur Ratzeburger Segelwoche im Sommer, entwickelten sich bald zu kulturellen Höhepunkten der Stadt, zu der jeder gehen musste, der Rang und Namen hatte. Gespielt wurden ausschließlich Schwänke, Lustspiele à la  Ohnsorg-Theater.

Mitspieler fanden sich schnell in den Reihen der Vereinsmitglieder: Nina und Erika Ehlers, Dr. Hermann Hinzpeter, Alfred Möller, Gerhard Globert oder Martha und Georg Schnoor. Bald kamen andere Ratzeburger dazu, die Spaß am Laienspiel hatten wie Helmut von Zaluskowski, das Ehepaar Bohrer, Karl Pechascheck, Horst-Herbert Stahl, Margarete Kliefoth, Gudrun Fortak, Gerhild Elmers, Klaus-Jürgen Mohr und viele andere. Nicht zu vergessen Wilhelm Bades Frau Anneliese.

Aber Wilhelm Bade war der „Speelbaas“, der Leiter und Regisseur, er sorgte für die Requisiten und Kostüme, er kümmerte sich um die Werbung, er entwarf das Bühnenbild, das er maßstabgerecht mit den Materialien seiner Praxis nachbildete: mit Salbenspachtel und Leukoplast-Klebestreifen. Vor allem aber spielte er immer wieder gekonnt mit Spaß und großem Engagement die Hauptrollen.

1957, anlässlich der 20. Vorstellung im ausverkauften Burgtheater, schrieb der Lokalreporter Hans-Ewald Wohlfahrt in den Lübecker Nachrichten:

"Es gibt Steckenpferde, die werden von versponnenen Einzelgängern geritten; an anderen satteln und zäumen ganze Familienverbände herum, und wieder andere, an denen die ganze Stadt des Steckenpferdreiters teilnimmt. Solch ein Steckenpferd reitet „William“, wie die Mitglieder der Theatergruppe des Ratzeburger Seglervereins ihren Boss, Dr. Wilhelm Bade, nennen. Er ist allen Mitbürgern als Kommunalpolitiker bekannt, setzt sich als Senator der Inselstadt vor allem für die kulturellen Belange ein und reitet schon seit seiner Jugendzeit ein Steckenpferd  -  Theaterspiel auf der Laienbühne.--- 1952 begann man (in Ratzeburg) mit Charleys Tante. William, der schon als Pennäler in Eimsbüttel einmal „Charleys Tante“ ohne Wissen des Klassenlehrers einstudierte, um mit dem Erlös der Aufführung eine Schulfahrt zu finanzieren, kannte das Stück aus dem „ff“. Heute noch liegt im Schreibtisch seiner Praxis das alte von ihm selbst geschriebene Rollenbuch, aus dem er seinen Sir Francis Chesny zu lernen hatte."

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Die Theatergruppe des Ratzeburger Seglervereins
Bericht zur Aufführung von "Charlys Tante" in der Lauenburgischen Zeitung vom 26.02.1952

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1951 bis 1972, über 20 Jahre sorgte Dr. Wilhelm Bade mit seiner Crew für ausgelassene Karnevalsstimmung im stets ausverkauften Burgtheater. In den Hauptrollen immer wieder er selbst  als Bauer Krischan Lamken in „Krach um Jolanthe“, als Dietrich Bollerkopp in „Familie Hannemann“, als Geheimrat Schlüter in „Das lebenslängliche Kind“, als Hausverwalter August Krüger in „Krach im Hinterhaus“ oder in vielen anderen Charakterrollen. Er war der Star. Schon wenn er die Bühne betrat, wurde er mit frenetischem Applaus begrüßt. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Derb-komisch, gewiegt-verschmitzt, grob-polternd, seriös-galant  -  er überzeugte mit schauspielerischer Hingabe, indem er sich voll und ganz der jeweiligen Rolle unterwarf. Seinem Ruf als renommierter Facharzt und Lokalpolitiker hat das nie geschadet, selbst dann nicht, wenn er in kurzer Unterhose, Doppelripp!, breitbeinig auf dem Sofa herumhüpfte.

Aufführung des Ratzeburger Theatervereins in Châtillon
Persönliche Aufzeichungen von Klaus-Jürgen Mohr
über eine Aufführung des Ratzeburger Theatervereins in Châtillon im Jahre 1963
(aufgezeichnet in plattdeutsch)

Ein Höhepunkt in der Geschichte der Theatergruppe war 1963 die Reise nach Chatillon. Als Lokalpolitiker lag Wilhelm Bade die Verbrüderung mit der französischen Stadt Chatillon-sur-Seine sehr am Herzen. Ihm war klar, dass wahre Aussöhnung mit den ehemaligen Feinden am zweckmäßigsten an der Basis ansetzen musste. Private Kontakte zwischen Vereinen, Verbänden und Familien mussten organisiert werden. So entstand die Idee, mit der Theatergruppe nach Chatillon zu fahren. In diesem Jahr stand „Der wahre Jakob“ von Arnold und Bach auf dem Spielplan der Ratzeburger. Für die Aufführung in Frankreich wurden markante Textstellen ins Französische übersetzt und wochenlang geprobt und auch noch unterwegs auf der über 1000 km langen Anreise übten sich die Schauspieler in der französischen Sprache.

In der Verbrüderungsstadt wurden sie dann auch als „une fort brillant représentation“ gefeiert. Was allerdings wohl kaum an dem Bemühen um die französische Sprache gelegen haben mag, denn nach Aussage eines französischen Dolmetschers hätte man die deutschen Passagen besser verstanden als die mühsam erlernten französischen. Vielleicht lag es daran, dass die französische Presse die Gruppe als „La troupe du Burgtheater“ angekündigt hatte? Auf jeden Fall war die Unternehmung ein voller Erfolg. Der Beifall war „enthousiasme, tief und wohlverdient“, so hieß es in der Kritik der französischen Zeitung Depeches.

Dr. Wilhelm Bade war ein Original, er war der Motor. Als er sich nach 21 Jahren von der Bühne verabschiedete, war es auch um die Tradition des Karnevaltheaters geschehen. Die Schauspielbühne des Ratzeburger Burgtheaters hat nie wieder ein so treues, begeistertes, langjähriges Publikum gehabt.

Dieser Bericht wäre aber nicht vollständig, wollte man nicht auch an die anderen Mitwirkenden denken. Wenigstens die herausragenden Originale und treuesten Mitspieler sollen hier erwähnt werden.

Gerhard Globert

Er war der typische Hamburger Jung. Groß, kantig, etwas steif in den Bewegungen, so, wie alte Matrosen tun, wenn sie auf schwankendem Schiff mit beiden Beinen das Gleichgewicht suchen. Das Gesicht oval, kurze Haare, etwas vorgewölbte Unterlippe und stets mit einem leichten Grienscher um die Mundwinkel und in den blitzenden Augen. Am markantesten aber die breite typische Hamburger Mundart! „Naa? Möchtest du ein Eis haabn?“ Gerhard Globert hatte zusammen mit seiner Frau Thea eine kleine Eisbude am Ende des Königsdamms mit Blick auf den Ratzeburger Dom. Das Geschäft ging gut. Nach und nach wurde angebaut, ausgebaut und endlich konnten sie sich ein richtiges Haus bauen mit Restaurant-Café und Kaffeegarten. Ihre bescheidenen Wohnräume - Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer - waren im Keller neben dem Maschinenraum. Hier fühlten sie sich wohl. Das gleichmäßige Tuckern der Maschinen, die niedrige Decke und die kleinen Bullaugen von Fenstern vermittelten ihnen das Gefühl, als lebten sie auf dem Schiff.

Gerhard Globert hatte das Publikum auf seiner Seite, sobald er die Bühne betrat. Die Rolle des Knechts in „Krach um Jolanthe“ war ihm genauso auf den Leib geschrieben wie der Geheimrat Theodor Nathusius in „Hurra – ein Junge!“. Er war ein echter Komödiant und nahm die Aufgabe als Schauspieler sehr ernst. Die französischen Passagen, die er für die Reise nach Chatillon auswendig lernen musste, hatte er sich auf ein Tonband sprechen lassen, welches er nun wochenlang neben dem Eisverkauf ablaufen ließ, immer wieder und immer wieder. Er, der doch nur eine Sprache beherrschte und das war das Hamburgische, hatte sich in den Kopf gesetzt, als Moralpostel und Geheimrat Stülpnagel mit perfektem Französisch zu überzeugen.

Horst-Herbert Stahl

Er war Schauspieler durch und durch. Dabei ein ganz anderer Typ als Wilhelm Bade oder Gerhard Globert. Er war klein, etwas untersetzt, blass, mit breiter Halbglatze und spitzer Nase. Unter der Brille, die er allerdings beim Spiel meistens ablegte, war ein leichter Silberblick erkennbar. Er war der Typ des beflissenen Staatsdieners, des übereifrigen Hotel-Portiers oder des spitzbübischen Intriganten. Unvergesslich ist sein Spiel als Hauptdarsteller in „Der keusche Lebemann“.

Helmut von Zaluskowski

Der Choleriker Helmut von Zaluskowski, war eine der Hauptsäulen in Wilhelm Bades Theaterensemble. Leicht gereizt, zänkisch, mimosenhaft eignete er sich hervorragend für die Besetzung von Rollen wie „Tante Jutta aus Kalkutta“ oder als verliebter James Ellison im „wahren Jakob“. Als solcher gehörte er also auch zu den Chatillon-Fahrern. Seine Erregbarkeit zeigte sich unter anderem in Kaiserslautern, wo die Truppe die Fahrt unterbrach und übernachtete. In dem Hotel war laut Zeitungsbericht kurz zuvor ein Mord geschehen und Helmut von Zaluskowski, das war seine feste Überzeugung, wurden Zimmer und Bett zugewiesen, in dem man den Ermordeten gefunden hatte. Dass er schlecht geschlafen hatte, lässt sich denken.  

Er betrieb ein kleines Sportgeschäft in der Herrenstraße, das Sporthaus Olympia. Entsprechend engagierte er sich in den Ratzeburger Sportvereinen. Man sah ihn, immer in Clubjacket und möglichst mit Vereinskrawatte, bei allen Regatten, Tournieren und sonstigen Wettkämpfen: bei den Ruderern, Seglern, Fechtern, Fuß- und Handballern, bei den Schwimmern und Leichtathleten. Seine besondere Liebe galt der Segel-Fliegerei.

 

Klaus-Jürgen Mohr

Auch in ihm, dem Kaufmann und Nachfolger seines Vaters Walter Mohr, steckt ein Schauspieler. Jeder Theaterfreund in unserer Stadt und darüber hinaus erinnert sich an zahlreiche Theaterstücke, in denen Klaus-Jürgen Mohr die unterschiedlichsten Charaktere auf die Bühne stellte. Denn das ist seine Stärke: die Wandlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit seines Spiels. Das hat er als „jugendlicher Geliebter“ unter Wilhelm Bades Regie gezeigt aber auch in ernsten Stücken wie in Arthur Millers „Hexenjagd“. Der Höhepunkt in seinem Schauspielerleben war zweifellos der „Slömer“, einem niederdeutschen Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes (Vorläufer des Salzburger „Jedermanns“ von Hugo von Hoffmannsthal).   

 

 

 

 

Die Damen des Ensembles

Schon wegen ihres jugendlichen Alters lassen sie sich nicht als Originale einstufen. Muschi Bohrer, Traudel Ziegenberg, Chris Matthiessen, Ute Thiele, Gerhild Elmers und Gudrun Fortak  zum Beispiel. Zu den treuesten Mitspielerinnen zählten Erika Ehlers und Margarete Kliefoth. Letztere hatte, obwohl sie erst als Seniorin zu der Truppe  stieß, so viel Spaß am Theaterspielen gefunden, dass sie nach Auflösung der Theatergruppe des Seglervereins noch auf anderen Bühnen weiter spielte, zuletzt sogar bei der professionellen Niederdeutschen Bühne am Stadttheater Lübeck.

Als originell kann man bestenfalls die Ehefrau Wilhelm Bades bezeichnen, Dr. Anneliese Bade. Sie war das Gegenstück zu ihm. Neben dem alles beherrschenden Patriarchen behauptete sie sich durch kluge Zurückhaltung, leise Bescheidenheit und äußerste Liebenswürdigkeit. Klamauk war nicht ihre Sache. Die naive Matrone Karoline Kynast mit Schoßhund in „Dyckerpotts Erben“ schien ihr auf den Leib geschrieben zu sein.. Mit viel Verständnis und Überlegenheit spielte sie auch die einfühlsame Ehefrau des von Erfolg verwöhnten aber jetzt alternden Musikprofessors Gustav Heink im „:Konzert“ von Hermann Bahr.

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