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"Alte Ratzeburger"
Erinnerungen an Klaus-Jürgen Mohr

"Hallo, lieber Klaus-Jürgen!

Du bist nicht mehr hier auf dieser Welt; wir können nicht mehr miteinander sprechen, also möchte ich Dir einen Brief schreiben.

Viele denken oft an Dich: Deine große Familie, viele Menschen in Ratzeburg, Deiner Heimatstadt, sicher viele Deiner Mitarbeiter/innen, Kunden, für die der Name „MOHR“ lange Zeit unvergessen bleiben wird. Wir alle denken an Dich voller Dankbarkeit und voller guter Erinnerungen.

Meine ältesten Erinnerungen rühren aus Kriegstagen, etwa 1943/44! Als “Pimpfe“ sangen wir gemeinsam in der „Singschar“ unter der Leitung von Hein Gehle, Lehrer an der LBA („Lehrerbildungsanstalt“) in der späteren Mädchen-Volksschule in der Schrangenstraße, heute u.a. DRK-Geschäftsstelle. „Wir zogen in das Feld, da hatten wir weder Säckel noch Geld, strampedemi“ war der Anfangstext eines unserer Landsknechtslieder. Für das „Solo“ der ersten Refrainzeile „a la mi presente al vostra signori“ wählte Hein Gehle drei aus der Schar aus: uns beide und Jes Jessen, Sohn des Pastors an der Petri-Kirche. Jes kam auch zu Deinem 80sten Geburtstag 2013, da konnte ich Euch an „unser“ Lied erinnern.

Hin und wieder gab es in den Kriegsjahren Fliegeralarm während der Unterrichtszeit, wenn alliierte Bomberverbände Richtung Berlin flogen. Wir St. Georgsberger wurden, wie auch die Vorstädter, Kindern von der Insel zugeteilt; zu deren Eltern gingen wir während der Alarmzeit aus der Schule, später Mittelschule, heute Heimat der Volkshochschule. Mein Freund Ernst-Wilhelm Ensmann vom Röpersberg und ich durften mit Dir zu Deinen Eltern am Markt. Das Ziel dieser Zuordnung war sicherlich, dass alle die gefahrvolle Zeit im Hauskeller zubrächten. Wir aber erkundeten das Kaufhaus „MOHR“, besonders gern den weitläufigen Boden. Wir, das waren also drei Jungen – und ein Mädchen, Deine kleine Schwester Gerlinde. Und da geschah das Unerhörte! „Gerlinde, gib doch den beiden Jungs einen Kuss!“ sprachst Du – und die liebe kleine Deern tat es! Unvergesslich!

Lange Jahre hatten wir keinen Kontakt miteinander. Jeder musste seinen Weg  gehen. Dein Beruf in der Nachfolge Deines Vaters Walter war vorgezeichnet. Noch heute kaufen Ratzeburger ihre Kleidung bei – MOHR! Für mich war der Lehrerberuf seit dem 15. Lebensjahr Berufung. Mitte der 50er fanden wir beide unsere geliebten Partnerinnen: Du Deine Traute, ich meine Eva. Insgesamt brachten wir es immerhin auf 10 Kinder, Ihr 6, wir 4.

Ein Steckenpferd spielte für jeden von uns immer eine Rolle, das war das Theater! So war es kein Wunder, dass wir auf der Bühne wieder zusammentrafen. 1959 suchte Peter Brunkert, mein Vorgänger in der Ev. Heimvolkshochschule Domhof-Ratzeburg, Spieler für den niederdeutschen „Slömer“. Das Spiel im Klostergarten wurde für uns und alle Mitakteure eine unvergessliche, tiefe Erfahrung. Von Pastor Stricker im ostholsteinischen Grube um 1580 geschrieben, rührte dieser Text vom Leben und Sterben des reichen Mannes unsere Herzen in seiner holzschnitthaften, eindringlichen Art.. Gerne spielten wir den Slömer wieder: im Kreuzgang des Domes, vor dem Herrenhaus, in den Kirchen auf dem St. Georgsberg und in Lauenburg, auf dem Aschberg bei Eckernförde, beim Jahrestreffen der deutschen Minderheit auf dem Knivsbjerg in Jütland, und . . . .


. . . . im Jahre 1987 erfülltet Ihr mir einen lange gehegten Traum: Es gab eine Neuauflage in Ribe, unserer dänischen Freundschaftsstadt; unser Slömer erlebte eine Aufführung im Klostergarten der Kirche St. Catharinae!

Bei drei Gelegenheiten beendeten wir unsere gemeinsamen Auftritte. Du warst für hoch- wie plattdeutsche Lesungen bekannt und warst natürlich bereit, im Refektorium des Domes und in Lassahn aus dem Werk unseres Heimatdichters Otto Garber zu lesen, ein anderes Mal aus der Prosa wie aus dem Drama „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Und nicht zuletzt leistetest Du Deinen Beitrag zu unserer Sammlung „Alte Ratzeburger“ im Stadtarchiv.

Tschüß, Klaus Jürgen! Wi verget Di nich!"

Hans-Joachim Höhne