"Ein alter Ratzeburger"- Hans-Joachim Höhne ist verstorben
Am 16. Mai 2024 verstarb Hans-Joachim Höhne. Der Verstorbene gehörte von 1970 bis 1982 der Stadtvertretung der Stadt Ratzeburg an. Bei der Ausübung seines Ehrenamtes als stellvertretender Bürgermeister standen sein soziales Denken und Handeln stets im Vordergrund. Im Jugend- und Sportausschuss und als Vertreter in der Schulverbandsversammlung wirkte Herr Höhne als bürgerliches Mitglied bis zum Jahr 1994 und als Mitglied im Aufsichtsrat der Stadtwerke Ratzeburg GmbH bis 1982 aktiv mit. Seine über Jahrzehnte geführten Kontakte mit der Partnerstadt Ribe in Dänemark haben das Leben in der Stadt Ratzeburg bereichert. 1994 erhielt er als Zeichen der Anerkennung und des Dankes für sein erfolgreiches Wirken zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger die Stadtplakette für Verdienste um die Stadt Ratzeburg.
Auch in seinem Ruhestand wirkte Hans-Joachim Höhne für die Stadt, vor allem mit seinen Beiträgen im digitalen Stadtarchiv unter dem Titel "Alte Ratzeburger" oder bei den "Archivalen des Monats".
"Alte Ratzeburger"
Geschichten und Anekdoten aus dem alten Ratzeburg
"Stadtgeschichte lebendig halten", unter dieser Prämisse haben Hans-Joachim Höhne, Klaus-Jürgen Mohr und Christian Lopau, Archivar der Stadt, über viele Jahre Geschichten und Anekdoten von "alten Ratzeburger Originalen" zusammengetragen. Seit 2016 Jahren suchte die kleine Redaktionsgruppe in Gesprächen und über die Presse nach passenden Beiträgen. Die Geschichten sollten die heutige und kommende Generationen an Menschen erinnern, die man mit dem Namen „Ratzeburg“ verbindet und deren Gedächtnis es wert ist, bewahrt zu werden. Nicht die großen Stories sollten es sein, sondern kleine Begebenheiten und Anekdoten, in denen das Alltagsleben im alten Ratzeburg wieder lebendig wird.
Die Reihe wurde später um "Geschichte(n) aus den Stadtteilen" und "Erinnerungen an Ratzeburger Institutionen" erweitert. Hans-Joachim Höhne und Klaus-Jürgen Mohr haben auch hier wieder viel Lesenswertes zu zahlreichen Personen und Orten zusammentragen können, die das Leben im "Herz unserer Stadt" geprägt haben.
Leider verstarb Klaus-Jürgen Mohr am 06. Februar 2020 und hinterließ auch in diesem Redaktionsteam der Freunde eine nicht zu füllende Lücke. Und so ist der erste Beitrag in dieser Sammlung ihm gewidmet, persönlich verfasst von seinem Freund, Redaktionskollegen und Weggefährten Hans-Joachim Höhne.
Die Reihe "Alte Ratzeburger" soll auch im Gedenken an Klaus-Jürgen Mohr auf der Webseite der Stadt Ratzeburg weiterhin Bestand haben. Ihre stadtgeschichtlichen Einblicke aus persönlichen Erzählungen sind für die Arbeit des Stadtarchivs dauerhaft wertvoll und Stadtarchivar Christian Lopau hofft, dass sich Nachahmer*innen finden lassen, die auch aus ihren Erinnerungen erzählen mögen. Wer noch weitere Beiträge zur Reihe liefern kann, mag sich telefonisch oder per E-Mail melden bei Stadtarchivar Christian Lopau (Tel. 8000 350, E-Mail: lopau@ratzeburg.de). Beiträge zu der Geschichten-Sammlung können schriftlich, aber auch mündlich in einem Gespräch übermittelt werden. Natürlich sind besonders auch Fotos immer sehr willkommen. Selbstverständlich behalten sich die beiden verbliebenen „Redakteure“ vor, über die Verwendung jeder Geschichte zu entscheiden und sie zu bearbeiten. Das gilt auch für die Art der Veröffentlichung, die von der Menge des Materials abhängig sein wird.
Hans-Joachim Höhne als der Initiator des Planes sagte: „Es wäre doch schön, wenn wir Ernstes wie Heiteres aus ‚alter’ Zeit festhalten könnten. Wir warten gespannt auf Rückmeldungen!“
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Archivale 02/2015 - Dramatische Rettung der Ratzeburger Brücken
Die Ereignisse jähren sich in diesem Jahr zum 70sten Male. Karl Saalfeld, anlässlich der 900-Jahrfeier 1962 zum Ehrenbürger Ratzeburgs gewählt, hat der Stadt lange Jahre als Bürgermeister und als Bürgervorsteher gedient. In seinen Erinnerungen hat er 1973 unter anderem die Vorgänge in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges geschildert. Hans-Georg Kaack, ehemals Kreisarchivar, zitiert in seinem Buch „Ratzeburg – Geschichte einer Inselstadt“ (Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1987) aus Saalfelds Erinnerungen (S. 385/386):
„Man glaubte, die Bevölkerung bis zur letzten Minute zum Widerstand aufrufen zu müssen, jede Stadt sollte eine Festung, jedes Dorf ein Widerstandsnest sein. So wurde Ratzeburg in Verteidigungszustand versetzt. .... In Ratzeburg selbst wurden Panzersperren in St. Georgsberg, auf dem Königsdamm und an den Hauptverkehrsstraßen gebaut, man glaubte damit den Vormarsch der feindlichen Panzer verhindern oder doch wenigstens verzögern zu können.
Die Brücken an der Demolierung und auf dem Königsdamm erhielten Sprengladungen. .... Ratzeburg scheint dem Untergang geweiht zu sein. Da gelingt es in letzter Minute, die Sprengung der Brücken zu verhindern. Ein Zeuge und Hauptbeteiligter, Direktor Franz Bender, gibt folgende Schilderung:
Sonnabend, 28.4.45, Soldaten graben die Kanalbrücke am Königsdamm auf. Der Führer der Pioniereinheit Feldwebel G. verweigert jede Auskunft, gibt aber später Vorbereitung zur Sprengung zu, erklärt, Befehl zu haben, beim Herannahen des ersten Panzers die Sprengung auszulösen. Trotz Hinweis auf die Unsinnigkeit und die Gefahren, die der mit Flüchtlingen und Verwundeten überbelegten Stadt drohen, lehnt er ab, die Sprengung zu unterlassen. Auch Angebote auf eine Zivilstellung und Zahlung einer großen Geldsumme stimmen ihn nicht um. Er beharrt auf seinem Befehl, der nur von seinem Vorgesetzten zurückgenommen werden kann. Zivile und militärische Dienststellen versuchen vergeblich, den Feldwebel zu überreden, von der Sprengung abzusehen.
Montag, 30.4.45: Nachmittags wird Brücke erneut aufgegraben. Erste Hoffnung schnell zerschlagen.- Gonschewski erklärt, neuen Befehl zu haben, Sprengladung zu verstärken. – Nach Erkundigung abends Sprengladung auf 300 kg Stabminen verstärkt. Wachposten verrät mir Lage von drei Abzugszündern und erklärt mir Funktion des Zünders. - Weitere Rücksprachen mit Landrat von Heintze, Major Hennecke und Ortsgruppenleiter Luze. - Feldwebel Gonschewski bleibt nach wie vor bei Ablehnung. –
Geschützfeuer deutlich zu hören. SS-Formationen – scheinbar junge Russen – gut ausgerüstet, alle mit Sturmgewehren oder Maschinenpistolen, ziehen durch die Stadt und bauen Stellungen in St. Georgsberg im Wald Lübecker Straße. Ich will selbst die mir bekannten Zündungen entfernen. – Beim Besuch der Gefahrenstelle werde ich spätabends von einer Streife der Waffen-SS angehalten. Trotz Ausweis und Hinweis, daß ich die bewachte Stelle betreten habe zwecks Verhütung von Störungen in der Wasserversorgung. – Sehr mißtrauisch. – Nachts nochmals Beratung mit Major Hennecke und Landrat von Heintze, zu der auch der hier im Lazarett liegende Oberleutnant d.R. G. Jankowsky (zur Zeit Leiter des städtischen Fremdenverkehrsamtes) hinzugezogen wurde. Major Hennecke will versuchen, erneut Verbindung mit Vorgesetzten von Gonschewski aufzunehmen. Befehlsstelle soll in Berkenthin stationiert sein. – ‘‘
An dieser Stelle sollen uns einige alte Fotos zurück führen in die Zeit am Ende des entsetzlichen Krieges und uns zeigen, unter welch grausamer Mühsal Menschen aus dem Osten unseres Vaterlandes sich im Winter 1944/45 auf den Weg nach Westen gemacht haben – und wie sich Ratzeburg zu Beginn des Frühjahrs 1945 zeigte mit Trecks und immer wieder Trecks!
Die schwarz-weiß-Aufnahmen zeigen im Gegensatz zu den schönen Farbbildern der alten Brücken (die beiden von der Königsdammbrücke hat übrigens Dr. Friedemann Roeßler aufgenommen.) den traurigen Ernst der damaligen Zeit deutlich.
Aber die Brücken sind die Zeugen in unserem Rückblick, also lassen wir Herrn Bender fortfahren:
"Dienstag, 1. Mai 1945: - Engländer haben Elbe überschritten. Major Hennecke kann Dienststelle des G. in Berkenthin nicht mehr erreichen. Erneut Besprechung mit G. Auch auf Hinweis, daß sein Vorgesetzter nicht mehr auffindbar, ändert er nicht seine Einstellung. Ich habe ihm Zivilkleidung vor Einmarsch der Engländer und rückdatierte Einstellung als Meister bei den Stadtwerken angeboten – nach kurzer Überlegungszeit lehnt G. erneut ab. – Ich mache nachmittags Major Hennecke den Vorschlag, G. in Haft zu nehmen und mir das andere zu überlassen. – Nach gemeinsamer Beratung steht der Plan. – Ich hole abends G. und seinen Vertreter, einen Unteroffizier, unter dem Vorwand, sein Vorgesetzter sei bei Landrat v. Heintze, zum Kreishaus. Im Zimmer des Landrats befinden sich der Landrat v. Heintze und Major Brennecke. Major Brennecke übergibt Gonschewski den schriftlichen Befehl, die Minen sofort ausbauen zu lassen. Nach kurzem Zögern lehnt G. erneut ab. Auf Klingelzeichen vom Landrat treten zwei Soldaten mit Stahlhelmen und Maschinenpistolen ein und postieren sich neben G. und den Unteroffizier. G. erklärt: Ich muß der Gewalt weichen. – Major Hennecke fordert mich auf, das Weitere – wie besprochen – zu veranlassen. In Begleitung der Wache gehen wir zum Königsdamm, wo ich mir die Zünder aushändigen lasse und sofort in den Kanal werfe.
Mittwoch, 2.5.45: - Bei Tagesanbruch sind fast alle Minen ausgebaut und in der Garage der Stadtwerke gelagert. Die Gefahr ist beseitigt. – Vormittags erhalte ich von Kiel telefonisch das Stichwort, nach dem befehlsgemäß die Zerstörung der Werksanlagen durchgeführt werden soll. Ich rufe daraufhin Oberpräsident Vöge, Kiel, persönlich an und mache ihm davon Mitteilung, gleichzeitig von der ungeheuren Gefahr für die Bevölkerung, da Ratzeburg mit Flüchtlingen und Verwundeten vollgestopft ist. Obwohl Vöge scheinbar Verständnis hat für die Lage, gibt er ausweichende Antworten und sagt mir zum Schluß, daß ich selbst die Verantwortung für mein Tun tragen muß. Ich nehme die Kiste mit der Bombe und werfe sie in den See. – Am späten Nachmittag sind die Engländer in Ratzeburg.“
Soweit der Bericht. Dazu eine Anmerkung:
2. Die Stadtwerke waren damals noch in der Brauerstraße am Domsee zu Hause.
Die Archivale wurde zusammengestellt von Hans-Joachim Höhne.
Archivale 03/2014 - "Ribe - Ratzeburg"
Der Anstoß zu den Kontakten zwischen Ribe und Ratzeburg kam von Eberhard Fischer, der mit Dr. Harring Cornils und mir als Dozent an der Ev. Heimvolkshochschule Domhof- Ratzeburg tätig war, einer Erwachsenenbildungs – Einrichtung, die seit 1951 für etwa 30 Jahre in dem Anbau nördlich des Domes arbeitete. Fischer war von 1966 – 1970 Stadtvertreter und Senator im Magistrat. In den Lehrgängen der HVH hatten wir immer wieder auch skandinavische Teilnehmer; schließlich kam der Gedanke der Heimvolkshochschule aus Skandinavien!
Seit 1960 gab es ja schon eine Verbrüderung (jumelage) mit Châtillon/Seine in Frankreich, die 1969 auf die belgischen Städte Esneux/Ourthe und Walcourt erweitert wurde. Der gedankliche Ansatz von Eberhard Fischer war: „Die Städte-Partnerschaften nach Westen sind natürlich nach Ende des furchtbaren Krieges sinnvoll. Ratzeburg ist in seiner Lage andererseits Teil der Brücke nach dem Norden. Ist es da nicht ebenso sinnvoll, eine Hand nach dem Norden auszustrecken?“ Über Kursus-Teilnehmer fand er Kontakt zu Arne Laut, Deutsch-Lehrer am Lehrerseminar in Ribe. Arne war von der Idee begeistert. Zu ersten Sondierungsgesprächen kam Borgmester Carl Johan Pedersen mit einer kleinen byrad-Gruppe im Mai 1969 nach Ratzeburg. Der Anfang war gemacht!
Mit der Kommunalwahl 1970 zog ich in Stadtvertretung und Magistrat ein, gewissermaßen in Fischers „Nachfolge“, wenn auch als Mitglied einer anderen politischen Partei (er CDU, ich SPD). Auf seine Frage, ob ich nicht die Bemühungen um Kontakte nach Ribe fortsetzen wolle, gab es nur eine Antwort: „Ja! Selbstverständlich ja!“ Der Magistrat wurde informiert und gab sein Einverständnis. Fischer erkundigte sich bei Arne Laut nach der Möglichkeit eines Informations-Besuches, und nach Rücksprache mit Carl Johan Pedersen erhielten wir eine Einladung für den Herbst 1971. Auf diesen Besuch bezieht sich das obige Dankschreiben. Aber vor unserem Besuch gab es einen denkwürdigen Zwischenfall. Es war ein Freitag, wir näherten uns in E. Fischers Wagen der Grenze in Krusaa (eine Autobahn gab es ja noch nicht), und wir kramten schon mal unsere Pässe hervor – das heißt, ich kramte, der Kollege wurde blass: Er hatte seine Papiere zu Hause auf dem Domhof liegen gelassen, auf dem WC! Das hatte er vor der Abfahrt nochmal aufgesucht, dabei war die Brieftasche aus der Gesäßtasche gerutscht, und nun lag sie eben da. 1971 wusste kein Mensch etwas vom Schengener Abkommen. Die Einreise ins Königreich Dänemark wurde verweigert, das Büro in Harrislee, zuständig für das Ausstellen eines Ersatz-Dokuments, war zum Wochenende geschlossen! Nach kurzer Katastrophen-Konferenz fiel die Entscheidung: Fischer fährt zurück, um seine Papiere zu holen, Höhne sieht zu, wie er nach Ribe kommt. Gut bis Tondern, dahin gab es eine Busverbindung. Von dort nach Ribe gab (und gibt) es eine Bahnverbindung – aber zu spät. Es half nichts: kurz darauf stand ich an der Straße Richtung Norden, mit kleinem Koffer, im Anzug, den Daumen Richtung Norden. Und ich hatte Glück: Nach kurzer Zeit hielt ein Wagen mit zwei freundlichen älteren Männern, die nach Ribe wollten! Tangevej 117? "Ja, det kenner vi." Und so begrüßte mich Arne Laut am frühen Abend: „Nun wird’s aber Zeit! Wir sind ins ‚Dagmar‘ eingeladen, um Carl Johans Geburtstag zu feiern. Und wo ist überhaupt Fischer?“ Fischer erhielt bei seiner Ankunft gegen Mitternacht nur noch einige, natürlich gewohnt leckere smørrebrød.
Unser Besuch war ein Erfolg. Am Sonnabend zeigte uns ein byradsmedlem seine Stadt, wir guckten uns den Museumsewer „Johanne Dan“ an und saßen bei einem Øl im „Sælhunden“ gegenüber zusammen. Bei der Gelegenheit wurden die weiteren Schritte in der Partnerschaft zwischen beiden Städten besprochen. Es herrschte Einmütigkeit darin, dass Kontakte zwischen Bürgern, vor allem jedoch Begegnungen junger Menschen, wichtiger sind als die Treffen offizieller Delegationen: „Lieber 22 Jugendliche auf dem Fußballplatz als Amtsträger beim Festmahl.“ Das Bild zeigt die „Johanne Dan“ auf der Ribe Au, hinter dem Dannebrog den „Seehund“. Im Mittelalter befand sich hier ein wichtiger Hafen!
Zur weiteren Entwicklung zitiere ich aus dem kleinen Büchlein „Beiträge zur Geschichte Ratzeburgs 2. Teil“, erschienen 1973 bei Kaiser und Mietzner in Lübeck; mein Beitrag „Ratzeburgs Verbrüderungsarbeit“ gab einen „Einblick in die Geschichte 1957 – 1973“ und einen „Ausblick in die Zukunft“: „Erste Erfolge stellten sich 1972 ein: Im Mai fuhr die 1. Schüler-Fußballmannschaft des RSV zu einer Freundschaftsbegegnung nach Ribe; zum Gegenbesuch kamen die Jungen vom ‚Ribe Bold Klub‘ im September nach Ratzeburg. Die Unterbringung erfolgte selbstverständlich privat, und so ergaben sich erste Freundschaften. Diese Sportkontakte werden 1973 mit den Besuchen von jeweils zwei Mannschaften fortgesetzt und erweitert werden. Ratzeburgs Tischtennisspieler weilten zu einem Turnier in Ribe. Auch das soll zu einem festen Brauch führen. Mit zehn Studenten war Arne Laut im Oktober 1972 zu einem fünftägigen Studienaufenthalt in der ‚Schulstadt‘ Ratzeburg. In Hospitationen lernten die angehenden dänischen Deutschlehrer das Schulwesen der Bundesrepublik kennen. Der Schachverein hat inzwischen erste Kontakte aufgenommen mit dem Ziel, Riber Schachfreunde zu einem Turnier nach Ratzeburg einzuladen. - An den Schüler-Austauschprogrammen mit Châtillon oder den beiden belgischen Städten kann immer nur ein begrenzter Kreis teilhaben; die Sprachbarrieren wirken sich da aus. Deshalb soll der Versuch unternommen werden, recht bald einen Ferien-Austausch zwischen Ribe und Ratzeburg in die Wege zu leiten, um insbesondere auch den Hauptschülern Gelegenheit zum Kennenlernen eines anderen Landes zu geben. Sie lernen wie die Dänen Englisch, und außerdem spricht man in Ribe ‚Fernseh-Deutsch‘, denn dort empfängt man die deutschen Sender!“
Mai 1972: Im Dunkeln und bei strömendem Regen kamen wir am Dom in Ribe an. Uns empfing Aase Lindstrøm Nielsen, Deutschlehrerin an der Vittenbergskole, zusammen mit den Gastgebern der Fußballjungen und ihrer Begleiter. Die Aktiven wurden ihren Gegenspielern auf dem Platz zugeordnet, so dass z.B. der Mittelstürmer schon mal einen gegnerischen Innenverteidiger kennen lernen konnte – und natürlich umgekehrt. Dies war der Beginn vieler Sportbegegnungen zwischen RBG und RSV, bei denen das Ergebnis wohl eine Rolle spielte und wichtig genommen wurde, aber nur während des Kampfes auf dem Platz. Daneben konnten sich manche Bekanntschaften zu Freundschaften entwickeln. Sehr gern will ich dabei auf die inzwischen über 40-jährige familiäre Bindung von Aase und Simon Jermiin Nielsen zu meiner Frau und mir verweisen. Sie hatte von Anfang an eine wertvolle Aufgabe zu erfüllen: Die meisten Kontakte zwischen Vereinen u.a. wurden über unsere Telefone geknüpft und gepflegt. Sicher stimmen die Freunde im Duevænget mit mir darin überein, dass unser größter Erfolg dann erreicht wird, wenn wir in der Zeitung dort oder hier von Begegnungen lesen, die nicht über unsere Vermittlung zustande gekommen sind!
1975 fand das erste Turnier des RSV für Fußball-Jungmannen statt, zunächst zu Ostern, in der Folge immer über Pfingsten. Das war stets ein internationales Ereignis, und von Anfang an waren unsere Riber Freunde Jahr für Jahr dabei. Das Bild mit „alten Turnierhasen“ (Aufschrift auf der Rückseite) zeigt von rechts Simon Jermiin von RBG, Ernst-August Jobmann, Initiator und Hauptverantwortlicher für das Turnier und jahrzehntelang Vorsitzender des RSV, H.-J. Höhne, in den 70-ern Sportsenator Ratzeburgs, und schließlich Eddy Tegesjö vom IK Viljan in Strängnäs, Ratzeburgs späterer (und über Ribe hinzu gekommener) Partnerstadt in Schweden.
Etwa zur selben Zeit wie die Fußballer gab es die ersten Tischtennis-Begegnungen. Die Jahrzehnte überdauert hat die Freundschaft zwischen Poul Nielsen und Heinz-Werner Kersten, der übrigens, wie ich, seit langem Mitglied des venskabsbyforeningen (Freundschaftsstadtverein) in Ribe ist. Wir dürfen jedes Jahr unseren Mitgliedsbeitrag bezahlen; wählen lassen (z.B. als Vorsitzender) dürfen wir uns nicht! Na ja, muss ja auch nicht sein.
Aus den ersten Jahren der Verbindung ist noch von den Begegnungen zwischen Ribe Svømmeklub und der Schwimmabteilung des Ratzeburger Sportvereins zu berichten. Namen, die dafür stehen, sind Vibeke Karlby und unsere viel zu früh verstorbene Elke Siemers, die dann noch lange Geschäftsführerin des RSV war. Das „Frühlingsschwimmen“ war lange Zeit ein fester Termin im RSV-Kalender, ebenso wie auch das internationale Tischtennis-Turnier; in beiden Fällen waren die Riber Freunde unentbehrliche Gäste, Teilnehmer – und Sport-Konkurrenten! Die freundschaftliche Verbindung zwischen Vibeke und Henning Karlby mit Hubert Siemers dauert an.
Meine Eva und ich haben eine schöne Erinnerung an Karlbys „persille-bryllup“. Während eines Frühlingsschwimmens gab es einen gemütlichen Abend aller Trainer und „Offiziellen“ in der „Farchauer Mühle“. Das Gespräch gelangte über „Siberhochzeit“ zur „Petersilienhochzeit“, also der 12,5-Jahr-Feier der Ehe. „Wir haben im Oktober unsere ‚persille-bryllup‘“, sagten die Riber Freunde. Sie nannten auch das Datum, und ich wusste, dass wir an dem Wochenende sowieso in Ribe sein würden. Also dankte ich für die „Einladung“: „Wir kommen.“ Ha ha, hör ihn! – Am Tag vor dem Termin gingen wir einkaufen im Supermarkt „Quickly“ in Ribe. Da kam uns Henning entgegen mit einer Kiste – Mineralwasser! „Henning, hast Du morgen nur sodavand für mich?“ Man kann sich denken: Beinahe hätte er die Kiste fallen lassen! Noch etwas bleibt uns unvergesslich, das ist der Nussschnaps, von Henning selbst hergestellt, hmmm!
Zu einer kuriosen Wette kam es im Zusammenhang mit den Fußballkontakten. Einer der ersten Trainer und Betreuer in Ribe war Mogens Vinther, junger Rechtsgelehrter und bis jetzt Anwalt in seiner Heimatstadt. „Ribe – Ratzeburg, das ist doch keine Entfernung! Das erledigen mein Freund Niels Christian und ich locker an einem Tag mit dem Cykel (Fahrrad).“ E.-A. Jobmann und H.-J. Höhne boten eine Wette an: Zwei Kisten Bier für dies „unmögliche“ Vorhaben.
Der Zeitungsausschnitt beweist, dass die Burschen ihren Plan wahr machten! Sie setzten sich auf ein geliehenes Tandem, erledigten eine Trainingstour nach Kammerslusen und zurück (etwa 12 km) und radelten nach Ratzeburg – bei schlechtem Wetter und (nach eigenem Bekunden) ständigem Gegenwind sowie einigen Kilometern auf der Autobahn A 7, die es ja seit den Olympischen Spielen 1972 gab, die aber auf der Straßenkarte (des Juristen Mogens) noch nicht eingetragen war. Das wurde den beiden Polizeibeamten bewiesen, und die jungen Männer durften die nächste Abfahrt benutzen!
Mogens‘ Kommentar während des Verbrüderungsessens: „Sagt doch den Bürgermeistern, sie sollen keine Reden halten, sondern Tandem fahren!“ Und wenige Wochen später kam merkwürdige Post bei Jobmanns und Höhnes an. Auf einem ausgerissenen Pappstück war zu lesen: „Lieber Ernst-August / Hans, du bist zu einem denkwürdigen Mittagessen eingeladen. Der Name dieses Essens: Tandemessen. Du kannst deine Frau oder ein anderes Weib mitbringen. Der Eintrittspreis ist eine Kiste Bier.“ Wir fuhren mit unseren Frauen und trafen zu unserer Verwunderung in dem Haus unter dem Dom in Grydergade etwa 20 Personen an, die alle auf die unterschiedlichste Art mit dem Tandem zu tun hatten, bis hin zum Fanklub. Natürlich gab es genug zu trinken, aber auch gut zu essen, und einer der Gänge steht bei uns (Höhne) noch heute ab und zu auf der Speisekarte: Pellkartoffeln, marinierter dänischer Sild, den es ja nun auch hier zu kaufen gibt, Butter, Petersilie und gehackte Zwiebeln, dazu ein Bier und, wenn gewünscht, ein Aalborg Jubilæumsschnaps. Der Name des Mittagessens? Tandemessen. Vel bekomme!
Es gab weitere Annäherungen, die jedoch in den Anfängen stecken blieben. Dazu gehörten auf sportlichem Gebiet Handball, Turnen und Schach. Überhaupt kann man an dieser Stelle einmal feststellen, dass es, wie auf vielen Lebensgebieten, natürlich ebenso im Bereich der Städtepartnerschaften Höhen und Tiefen gibt. Mancher Kontakt, den man gern für Interessierte auf der einen Seite herstellen möchte, kommt ganz schlicht deshalb nicht zustande, weil sich sich auf der anderen Seite kein Partner findet. Manche glückliche Verbindung schläft nach geraumer Zeit ein, aus unterschiedlichen Gründen. Schuldzuweisungen sind jedenfalls meistens sinnlos. Wie heißt es bei Ehescheidungen? „Trennung in gegenseitigem Einvernehmen.“
1977 erlebte Ribe einen Höhepunkt seiner zahlreichen Kontakte zu europäischen Gemeinden: das venskabsbystævne (Freundschaftsstadttreffen) mit vielen Ereignissen auf sportlichem wie kulturellem Gebiet. Ratzeburg stellte eine große Delegation.
Vorbereitung wie Durchführung dieses Großereignisses lagen in den Händen von Richard Kværnø, dem Mann, dem alle mit Ribe befreundeten Städte in Norwegen, Schweden, England, Frankreichviel verdanken, und auch wir dürfen, wie Güstrow, einmal sagen: „Danke, Richard! Tusind tak!“ Richard war seit Gründung von venskabsbyforeningen lange Jahre der ungemein aktive Vorsitzende.
An unserem Beispiel zeigt sich, dass der Sport ein idealer Einstieg in freundschaftliche Verbindungen unter größeren Gemeinschaften sein kann.
Der nächste Abschnitt unserer Erinnerungen betrifft ein kulturelles Ereignis aus dem Jahre 1987; es beginnt mit einem Traum, in dessen Mittelpunkt St. Catharinæ steht, die Klosterkirche auf dem Foto.
Die Luftaufnahme entstand 1988 während eines Rundflugs vom Strand von Sønderho auf Fanø. Der Traum ist älter. Ich träumte ihn, als ich 1971 in den Klostergarten von St. Catharinæ trat und sofort dachte: ‚Hier einmal den Slömer spielen!‘ Den niederdeutschen Jedermann hatten wir Ende der 50-er Jahre in Ratzeburgs Klostergarten zum ersten Mal aufgeführt, und er hatte die Zuschauer und uns tief angerührt. Mein Traum erfüllte sich nahezu 30 Jahre später. Anfang 1987 sprachen mich Annegret Schröder (inzwischen leider verstorben) und Klaus-Jürgen Mohr an, die beiden Hauptdarsteller unseres Slömer. Im Gespräch mit anderen Darstellern war der Wunsch erwacht, das Stück (von dem wir alle sowieso den Text noch kannten!) wieder mal aufzunehmen. Unser Spielleiter Peter Brunckert, mein Vorgänger an der Heimvolkshochschule, lebte seit langem in Preetz, hatte aber zugesagt, einige Male zu Proben zu kommen, wenn ich die grundlegenden Vorarbeiten erledigen würde. M e i n T r a u m ! Ich erklärte mein Einverständnis unter einer Bedingung, die ich hier nicht nennen muss.
Und so spielten wir im Sommer 1987 den Slömer im Klostergarten von St. Catharinæ zu Ribe, eine Woche nach der Ratzeburger Aufführung. Den Ablauf der Handlung hatte ich szenenweise aufgeschrieben, Aase hatte ihn übersetzt. Musikalische Unterstützung erhielten wir von der „musica divina“ unter Susanne Himmelheber, die Beleuchtung von zwei jungen Männern aus Ribe, die Orgelmusik am Schluss von einer Schallplatte unseres Domorganisten Neithart Bethke!
Kulturelle Besuche gab es noch wechselweise zwischen Ribe Mandskor und Sängerchor Feierabend sowie Ribe RockKor in Ratzeburg und dem RSV-Spielmannszug in Ribe.
Ribe ist – wie Ratzeburg – eine Schulstadt. Damals gab es noch das inzwischen geschlossene Lehrerseminar, von dem hier schon die Rede war. Durch Aase Lindstrøm Nielsen konnte der freundschaftliche Kontakt zwischen der Vittenbergskole und der Grund- und Hauptschule St. Georgsberg hergestellt werden, an der ich seit 1970 Dienst tat. Die 10. Klassen aus Ribe hatten später Verbindung zur Ernst-Barlach-Realschule, das aber in einer Zeit, als die von Anfang an so gern praktizierte private Unterbringung weitgehend „out“ war. Wir erfreuten uns noch daran. Eine Ratzeburger Schülergruppe verbrachte einmal während einer Projektwoche fünf Tage an der Nordseeküste, in einer Welt, die den jungen Leuten natürlich neu war. Eine Riber Klasse kombinierte eine Klassenreise mit einem Kurzaufenthalt in Berlin (Die deutsche Teilung war ja für die Dänen von großem Interesse!) und kam dann für ein paar Tage zu uns. Dabei gab es gleich bei der Ankunft auf dem Bahnhof einen „Zwischenfall“: Ellen Heide, die Klassenlehrerin, berichtete aufgeregt, dass zwei der Jungen vor Büchen in den Speisewagen gegangen waren. Als sie hinter Büchen in ihren Waggon zurück wollten, war der nicht mehr da, denn das war ein Kurswagen Richtung Lübeck; sie befanden sich auf dem Weg nach Hamburg! Was tun? Die missliche Situation wurde per Telefon geklärt, und ein freundlicher Ratzeburger Kollege holte die Beiden am Hauptbahnhof in Hamburg ab.
Solch Versehen passierte selbstverständlich uns Lehrern nicht. Zum ersten Kollegiumstreffen sind unsere Freunde jedenfalls am 3. Oktober 1980 alle wohlbehalten bei uns angekommen; zwischen unserem Schulleiter Wolf Ulmer und mir steht übrigens Aase, rechts außen Ellen Heide. Bei Fachgesprächen, Volleyball-Vergleichen und „hyggeligen“ Abenden gab es in Ratzeburg wie in Ribe für alle immer wunderschöne Stunden.
In meinem Brief von 1971 wird auf den geplanten Besuch der Riber Sozialdemokraten in Ratzeburg hingewiesen. Er fand Anfang Juni des nächsten Jahres statt. Heute wissen wir um die Gelassenheit, mit der die skandinavischen Bürger mit der Einstellung zu parteipolitischen Unterschieden umgehen können; man denke nur an ihre Fähigkeit, mit Minderheits-Regierungen zu leben. Mein Eindruck ist, dass sich auf dem Gebiet auch in Deutschland einiges verändert hat (dabei denke ich gern auch an den lockerer gewordenen Umgang mit unseren nationalen Symbolen wie der Fahne). Für unseren SPD-Ortsverein waren Kontakte zu Gleichgesinnten selbstverständlich. Das betraf Ribe wie Esneux oder Châtillon. Bei Bürgermeister Carl Johan Pedersen, Mitglied der Venstre, einer sogen. „bürgerlichen“ Partei, gab es im Vorgespräch nicht den Hauch einer Ablehnung solcher Kontakte. Nach Besuch und Gegenbesuch von Gruppen gab es 1979 einen Höhepunkt: Socialdemokratiet feierte das 75-jährige Bestehen im Hotel „Munken“ (inzwischen verschwunden), und wir durften dabei sein, wie übrigens dann auch 25 Jahre später. Längere Kontakte bestanden noch zu Carsten Uno Pedersen, heute Gredstedtbro.
Beide Fotos zeigen ein Jubiläumsgespräch mit Staatsminister (Regierungschef in Kopenhagen) Anker Jørgensen. Links auf dem kleinen Bild Søren Tang, Ortsvereins- Vorsitzender, mit seiner Frau, in der Mitte ein führendes Parteimitglied aus Esbjerg. 2001 trafen wir Staatsminister Poul Nyrup Rasmussen Im Hotel „Sønderjylland“. Man sieht: Sozialdemokraten verkehren ab und zu in den höchsten dänischen Kreisen!
Mit einem weit über Dänemarks Grenzen hinaus bekannten Politiker verbinden sich einige besonders freundliche Erinnerungen. Er war Minister in verschiedenen Bereichen, auch unter Anker Jørgensen, und ein zutiefst überzeugter Europäer: Per Hækkerup.
„Ich bin glücklich, hier endlich zu sein.“ Der Satz, den Per ins Gästebuch der Stadt schrieb, hat natürlich eine Vorgeschichte. Einige Jahre zuvor blieb eine für Hækkerups Besuch im Rathaus vorbereitete Seite leer. Die konnte nicht zweckgemäß ergänzt werden, weil unser Freund seinen Besuch kurzfristig absagen musste, denn ausgerechnet an dem Freitag wurde im Folketing der Etat des Königreichs beraten, da durfte der Herr Minister nicht fehlen!
Von zwei Begegnungen muss noch berichtet werden, bei denen Per die zentrale Rolle spielte. Im Sommer 1976 tauschten wir für drei Wochen unsere Häuser mit Aase und Simon. Wir tauschten auch die Tageszeitungen; wir lasen also „Vestkysten“. Eines Tages fand sich ein Bericht: Per und Grete Hækkerup unternahmen eine Cykeltur (Fahrradtour) über Tønder nach Esbjerg. Dazu gab es ein Foto der beiden am Kaminfeuer im Hotel „Tønderhus“.
Sollten sie wohl in Ribe Station machen? Rasch in die Stadt und Frage im Hotel „Dagmar“. Der Portier tat völlig ahnungslos: Davon wisse er „ingenting“ – gar nichts.
Gegen 6 Uhr nachmittags saßen wir mit einer lieben Freundin bei einem Glas Bier in „Weis‘ Stue“, dem wunderschönen alten Lokal mitten im Zentrum der Stadt am Dom gegenüber dem Hotel „Dagmar“. Wir saßen in dem Raum zur Rechten am Fenster mit Blick auf den Hoteleingang. Plötzlich erschienen zwei ältere Radfahrer, nur wenig beladen mit ein wenig Gepäck: Grete und Per Hækkerup! Ehrenwort: Das alles war reiner Zufall! Ich natürlich raus und mich vorgestellt. Per erinnerte sich. Er hatte in den 60-er Jahren einmal einen europa-politischen Vortrag zum Altscholaren-Treffen unserer HVH und Eröffnung des Wintersemesters der städtischen Volkshochschule gehalten, und die Zwangs-Absage eines SPD-Besuches lag nicht weit zurück. Wir plauderten, ich wünschte „god tur!“ und ging zurück zu meinem Bier. Es dauerte ein Weilchen, da öffnete sich leise die Tür: „Wenn wir uns schon hier treffen, sollen wir doch ein Glas zusammen trinken“, sprach der Herr Minister und setzte sich zu uns. Wir hatten eine anregende halbe Stunde. Per schimpfte schmunzelnd mit dem Frøken (Kellnerin), weil sie noch nicht wusste, dass der Doktor ihm verboten hatte, Whisky ohne Wasser zu trinken, und verabschiedete sich mit einer Frage: „Kennt ihr den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland? Ostdeutschland hat Karl Marx, Westdeutschland hat das Kapital.“ - Es tat mir wieder leid, dass sein Besuch und die vorbereitete Begegnung mit A. Paul Weber geplatzt war; ich bin sicher: Die Beiden hätten sich gut verstanden.
Ja, und schließlich war da die Sache mit der alten Fahne: Als Per 1978 in Ratzeburg war, führten Isfried Hunstock (CDU-Vorsitzender und engagierter Heimatforscher) und ich ihn nach dem Rathaus-Empfang zur Ratzeburger Schützengilde. Bei einem Kaffee im „Gildehaus“ holten wir in „großer Koalition“ die Fahne aus dem Schrank, die in voller Schönheit auf der nächsten Seite zu bewundern ist. Ihre Geschichte soll ein wenig ausführlich geschildert werden, und dabei mag helfen, was Hans-Georg Kaack, damals Kreis-Archivar, 1987 in seinem Buch „Ratzeburg – Geschichte einer Inselstadt“ (erschienen im Wachholtz-Verlag) auf S. 421 schrieb: „1815 Nach der Vertreibung der Franzosen wird Lauenburg ein Objekt hoher Politik. Im Verlaufe der vielen Gebietsänderungen durch den Wiener Kongreß erhält Preußen Rügen und Vorpommern von Schweden, Schweden gewinnt als Ausgleich Norwegen von Dänemark, und Dänemark muß sich mit Lauenburg begnügen. ... Die Bevölkerung wird nach ihrer Meinung über den Herrschaftswechsel nicht befragt.“ Man darf aber wohl den sicheren Eindruck haben, dass die 50 Jahre der dänischen Herrschaft den Menschen keinen Schaden zugefügt haben. Jedenfalls lesen wir bei Kaack auf S. 422: „1851 Am 8. Januar erläßt König Friedrich VII. von Dänemark ein Patent, worin es nach dem Zusammenbruch der schleswig-holsteinischen Erhebung heißt:
‚ ... Inmitten der Erschütterungen und der Aufregung der Gemüther, welche die verflossenen Jahre bezeichnet, hat in Unserem Herzogthum Lauenburg die öffentliche Ordnung keine gewaltsamen Störungen erlitten, die Gesinnungen der Ergebenheit und Treue für den Landesherrn sind nicht verläugnet worden. Dem Sinne der lauenburgischen Einwohner für Gesetzlichkeit und Recht geben wir gerne dieses Zeugniß.‘“
Bei einem Besuch in seinem Herzogtum 1855 schenkte Friedrich der Schützengilde von 1551 die schöne Fahne mit seinem schönen Wahlspruch: „FOLKETS KJÆRLIGHED – MIN STYRKE“ (Volkes Liebe – meine Stärke). Seit längerem kann sie leider nicht mehr beim jährlichen Schützenfest gezeigt werden, denn der Zahn der Zeit ist nicht spurlos an ihr vorüber gegangen.
Das erzählten wir Per Hækkerup 1978. Auf meine bescheidene Frage, ob nicht die Königin vielleicht ....., reagierte er sofort: „Du, das ist möglich. Mein Freund ist Minister; in seinen Bereich gehören Dinge des königlichen Hofes, und in dessen Etat gibt es einen Posten für solche Ausgaben. Schreib mir alles genau auf, dann wollen wir sehen, ob die Königin nicht eine neue Fahne geben kann.“ Toll! Aber: Natürlich geht so etwas nicht hinter dem Rücken des Schützenoberst. Ich benachrichtigte also den Gilde-Vorsitzenden. Bevor ich die Sache in die Wege leiten konnte, teilte der mir mit, er habe umgehend Kontakt mit dem zuständigen Generalkonsulat aufgenommen und bereits offiziell die Antwort erhalten: Es ist kein Geld für das Vorhaben da. Farvel, lille drøm! Nicht jeder Traum geht in Erfüllung.
Die beiden Bilder zeigen links die „dänische“ Seite mit dem Jahr der Schenkung (1855) unten, rechts die Rückseite mit Ratzeburgs Stadtwappen, alles natürlich kunstvoll gestickt.
Meine 45 Jahre mit Ratzeburg und Ribe
von Ruth Christensen, Ribe, am 13. August 2014
"In Hans Höhnes interessantem Bericht „Ribe - Ratzeburg: Die ersten Jahre unserer Freundschaft“ lese ich etwas sehr Überraschendes: „Zu ersten Sondierungsgesprächen kam borgmester Carl Johan Pedersen (Ribe) mit einer kleinen byrad-Gruppe im Mai 1969 nach Ratzeburg. Der Anfang war gemacht.“
Für mich besonders interessant, weil ich im Frühling 1969 Teilnehmerin des 37. Grundlehrgangs der Evangelischen Heimvolkshochschule Domhof in Ratzeburg war.. Und ich hatte zu der Zeit noch keinen Kontakt mit Ribe.
Ich bin auf der Insel Ärö geboren. Nach dem Abitur 1968 wünschte ich wie viele andere von meinem Jahrgang, ein Jahr im Ausland zu verbringen. Viele meiner Freundinnen wählten einen Au-Pair-Job. Ich war aber nicht besonders häuslich, und zum Glück zeigte sich eine ganz andere Möglichkeit. Von einem Bekannten (Knud Pedersen) hörte ich von einer internationalen Hochschule in Ratzeburg. Da musste ich hin!
Der Entschluss, den Sommerlehrgang vom 1. April bis 15. Juni mitzumachen, wurde eine entscheidende Wahl für mein Leben und für meinen späteren Beruf.
Ich habe in meinen alten Papieren aus jener Zeit gesucht und unter anderen den Wochenplan der Heimvolkshochschule gefunden: Lebens- und Bibelkunde mit Dr. Harring Cornils, Grundlagen der Politik mit Eberhard Fischer und viele andere schwere Themen waren mir echte Herausforderungen. Deutsche Literatur und Deutsch für uns Ausländer mit Dozent Höhne waren aber für mich viel interessantere und vor allem lustigere Stunden.
Das Leben hinter den dicken Mauern am Domhof war schön. Freundschaften entstanden, und eine meiner besten Freundinnen ist heute immer noch Petra Rechenberg, mit der ich das Zimmer teilte.
Ich könnte viel mehr von den lehrreichen und erlebnisreichen Monaten in Ratzeburg erzählen. In guter Erinnerung habe ich immer noch die beiden Studienreisen: mit Eberhard Fischer nach Berlin und mit Hans Höhne nach Praha.
Ganz unabhängig von den ersten Initiativen zwischen Ratzeburg und Ribe, begann ich im August 1969 mein Studium am Lehrerseminar in Ribe, natürlich mit Deutsch als Wahlfach und Arne Laut als Deutschlehrer.
In den Jahren danach habe ich viele Male Ratzeburg besucht: zuerst Altscholaren-Treffen in der HVH, dann Besuch mit einer Riber Klasse, viele private Reisen und schließlich schöne Besuche mit dem Partnerstadt-Verein.
Ribe wurde meine Stadt, und hier wohne ich noch. Nach 36 Jahren als Deutschlehrerin in der dänischen Volksschule (die letzten 20 Jahre an der Vittenbergschule) habe ich mich zurück gezogen und genieße nun ein aktives Leben als Rentnerin.
Seit 2008 bin ich Vorstands-Mitglied im Partnerstadt-Verein (venskabsbyforeningen) in Ribe. Das ist eine sehr interessante Tätigkeit, und ich freue mich immer besonders, wenn wir uns mit den Freunden aus Ratzeburg treffen. Und ich reise noch immer gern nach Ratzeburg, der schönen Stadt meiner Jugend. Für mich hat sich ein Ring geschlossen.
Zuletzt danke ich Hans Höhne für die vorausschauenden Pläne, die er 1971 für die Zusammenarbeit zwischen Ratzeburg und Ribe entwickelt hat, und für unseren guten Kontakt durch so viele Jahre. Ich freue mich immer auf ein Wiedersehen."
Von den ersten Verbindungen der Schwimmer und den Folgen berichtet Hubert Siemers:
"Im Jahre 1975 hatte die Schwimmabteilung unter Elkes (Huberts verstorbene Frau) die Idee eines Trainingslagers für die Schwimmer des Ratzeburger Sportvereins im Ausland. Es bot sich Ribe an, da wir wussten, dass Ribe ein Freibad mit reichlich Platz hatte.
Im Herbst 1975 nahm Elke Kontakt mit der Kommune Ribe auf. Zur Unterkunft wurden wir an die Jugendherberge verwiesen. Im Freibad wurden uns täglich von 9,30 – 11,30 Uhr zwei Bahnen zugesagt. Die Bezahlung war zu unserer Überraschung sehr gering – mit der Begründung: „Es handelt sich um ein Kinder- und Jugendtraining“. Alles passte, und für die ersten beiden Wochen der Sommerferien 1976 wurde alles klar gemacht.
Wir reisten mit dem RSV-Bus und Privat-Pkws, 20 Jungen und Mädchen und 5 Betreuer. Dieses Trainingslager hatte keinen offiziellen Charakter, brachte aber viele nette Kontakte unter den Schwimmerinnen und Schwimmern. Auch die Betreuer, Fam. Klenz, Fam. Siemers und Gerda Hein knüpften Kontakte, Elke und ich mit Poul Nielsen und Sonja. Poul war ein Schwimmmeister allererster Klasse, insbesondere mit tollem Umgang mit den Kindern.
Es wurde ein prima Trainingslager mit einer Ausnahme: Ein dänischer Badegast beschwerte sich über die erneute „Besatzung durch die Deutschen“ wegen der Abtrennung von zwei Schwimmbahnen. Diese Angelegenheit wurde im Einvernehmen mit Richard Kværnø bereinigt.
Durch dieses Trainingslager entstanden Freundschaften, die bis zum heutigen Tage gehalten haben. Bei uns z.B. mit Wibeke und Henning Karlby. Wibeke war ab Ende 1976 Leiterin des Ribe Svømmeklubs, Henning Organisator.
Viele nachfolgende Schwimmveranstaltungen wurden besucht. Das „Frühlingsschwimmen“ in Ratzeburg ohne Ribes Schwimmer war undenkbar. Die Schwimmer wurden in Ratzeburg und Umgebung bei den Schwimmeltern untergebracht, ebenso erfolgte die Unterbringung für uns in Ribe.
Für uns war und ist die Verbindung zu den Dänen in Ribe eine wahre Bereicherung. Lebensform und Kultur der Dänen haben uns sehr viel gegeben – bis heute."
Und an dieser Stelle darf der Autor einen für ihn erfreulichen Beitrag leisten. Es war wohl 1977, dem Jahr unseres Haustausches, als meine Frau und ich den Gl. Aavej entlang gingen. Von einem Grundstück, etwa 20 m vor uns, betraten zwei Mädchen den Fußweg und gingen wie wir Richtung Idræts Alle´. Plötzlich drehte sich eine um, stieß die andere an: „Das ist mein Mathe-Lehrer!“ Das war die Schwimmerin Marlies Kömme, die ihre neue Freundin besuchte. Solches sind die besonderen „Erfolgserlebnisse“ der Verbrüderungsarbeit, die doch überhaupt keine Arbeit ist!
1981 feierten wir im Oktober unsere Silberhochzeit. Einige Tage zuvor geschah Seltsames: Der Postzusteller brachte eine Streifbandzeitung! Das ist die Annoncen-Zeitung ähnlich dem MARKT bei uns.
Und merkwürdig: In der folgenden Woche kam die nächste. Allmählich dämmerte es: Die Freunde in Ribe hatten das Porto gesammelt und für uns ein Abo des (kostenfreien) Blattes bestellt. In der darauf folgenden Ausgabe konnten sie lesen: „Liebe Freunde! Das war eine prima Idee! Es danken Eva und Hans in Ratzeburg.“ Das Abo lief über ½ Jahr, den Preis für die Anzeige durfte ich beim nächsten Ribe-Besuch bezahlen.
Man wird verstehen, dass mir dieser Glückwunsch besondere Freude bereitet hat. Jens Christensen war der Nachfolger von Carl Johan Pedersen, die Post überbrachte Richard Kværnø, der mit Aase und Simon Jermiin Nielsen mein Gast im DLRG-Haus war.
Die Stadt Ratzeburg beauftragte mich, den inoffiziellen Teil der Veranstaltung abzuwickeln, weil ich den Kontakt zu Vereinen usw. am besten vermitteln konnte. In unserer Stadt fand ich sage und schreibe 17 (siebzehn!) Ansprechpartner. Es gab also überhaupt kein Problem, einen Bus zu füllen, dazu kamen etliche Privat-Pkw. Besonders erfreulich war die Teilnahme der Volkstanz-Gruppe der Siedlerjugend und ihr Auftritt beim Festessen in Ribelund.
Schließen will ich mit einem Plakat aus dem Jahre 1949 (also 40 Jahre vorher), das mir Heinz Lorenzen, Chef der Tourist-Information, am Beginn unserer Freundschaft schenkte. Danke an alle, die mir geholfen haben, u.a. an die Ratzeburger Stadtverwaltung - und „mange tak“ an alle Freunde in Ribe für wundervolle Stunden dort oder hier! Vi ses, i Ribe eller i Ratzeburg!
Hans-Joachim Höhne, Ratzeburg, am 26. August 2014
Und noch im letzten Jahr zeigte Hans-Joachim Höhne seine tiefe Verbundenheit mit Ratzeburg. Er bedachte die Bürgerstiftung Ratzeburg mit einer großzügigen Zustiftung. Die Stadt Ratzeburg verliert mit dem Verstorbenen eine Persönlichkeit, die ihre kommunalpolitische Arbeit über die Grenzen der Stadt hinaus stets mit Tatkraft, Engagement und Pflichtbewusstsein gelebt hat.
Hans-Joachim Höhne unterstützt die Bürgerstiftung Ratzeburg mit einer großzügigen Zustiftung
Die Bürgerstiftung Ratzeburg kann sich über eine Erhöhung ihres Stiftungskapitals freuen. Hans-Joachim Höhne, langjähriger Stadtvertreter und Vorsitzender der SPD-Fraktion, inzwischen wohnhaft in Elmshorn, hat bei einem Besuch der Inselstadt Stiftungspräsident Andreas von Gropper eine Zustiftung in Höhe von 10.000 € übergeben. Er tue dies aus seiner unverbrüchlichen Liebe zu Ratzeburg, begründete Höhne diese Schenkung, mit der Hoffnung, dass dieses Geld etwas Gutes bewirken könne. "Eine Zustiftung an die Bürgerstiftung ist ein idealer Weg, um der persönlichen Verbundenheit mit seiner Heimatstadt auf Dauer Ausdruck zu verleihen", sagte Stiftungspräsident Andreas von Gropper.
Bei der Übergabe der Zustiftung wurde zwischen dem erfahrenen Kommunalpolitiker und dem aktuellen Stadtpräsidenten ausführlich über kommunalpolitische Themen gefachsimpelt. Höhne zeigte sich wie immer informiert und interessiert an den aktuellen Stadtthemen, vor allem an den Entwicklungen der Städtepartnerschaften, die ihm nach wie vor besonders am Herz liegen. Über die Initiative des Ratzeburger Jugendbeirates, ein europäisches Netzwerk von Jugendbeiräten mit den Partnerstädten zu entwickeln, freute er sich sichtlich.
Nach der Spendenübergabe ließ es sich Hans-Joachim Höhne nicht nehmen, einen Vortrag von Stadtarchivar Christian Lopau zur Geschichte des Nationalsozialismus in Ratzeburg im Ratssaal zu besuchen. Dabei traf er viele alte Weggefährten aus seiner kommunalpolitischen Schaffenszeit in Ratzeburg und genoss die anschließenden Gespräche.
Sein Besuch in Ratzeburg brachte ihm überdies eine neue Erkenntnis. Mit einem Schmunzeln berichtete den Anwesenden, dass er auf insgesamt sieben Schulen in seinem Leben gewesen sei, als Schüler und als Lehrer. Hier musste Volkshochschulleiterin Silvia Tessmer korrigieren und ihn an seinen achten Einsatz als Deutschlehrer für Geflüchtete an der Volkshochschule erinnern. Mit einem verschmitzten Lächeln und sichtlich amüsiert gab er ihr recht. "Da habe ich doch wirklich eine Schule vergessen. Gut, dass ich noch mal hier war", sagte Höhne.