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06.12.2021

"Galgenkrugweg" saniert und wieder begehbar

Der "Galgenkrugweg", ein historischer Pfad, der vom Dermin zur Schmilauer Straße führt, war in den vergangenen Sommermonaten wegen mangelnder Verkehrssicherheit bedingt durch starke Auswaschungen für viele Wochen gesperrt worden. Mitarbeiter des städtischen Bauhofs haben diesen beliebten Fußweg jetzt saniert und wieder begehbar gemacht. Die Oberfläche wurde mit Sarbarlith, einem besonders haltbaren Brechsandsplittgemisch, neu modelliert sowie die Treppenstufen gerichtet und begradigt, so dass die Wegstrecke insgesamt trittsicher ist. "Wir legen seit einiger Zeit vermehrt Wert auf die Instandhaltung der vielen fußläufigen Verbindungswege in der Stadt, auch um die Bürgerinnen und Bürger einzuladen, ihre Verkehrswege in der klimaneutralsten Weise zuerledigen, sicher zu Fuß", sagt Guido Klossek vom städtischen Bauamt. Für dir Maßnahme wurden rund 16.000 € aufgewendet.


Der "Galgenkrugweg" hat übrigens seinen etwas gruseligen Namen aus Ratzeburgs Geschichte, als sich dort an der Straße nach Mölln noch der "Galgenkrug", ein Gasthof am benachbarten Galgenberg, dem Richtplatz der Stadt, befand. Es war ein Ort, an dem man nach der Urteilsvollstreckung, einkehrte, der aber auch Reisenden auf dem Weg nach Ratzeburg signalisierte, dass hier Recht und Ordnung herrschen. Im städtischen Archiv befinden sich zur Geschichte des Galgenberges auch noch Unterlagen.

Archivale 06/2010 - “Herrichtung des Richtplatzes oder Galgenberges“ (1732-1733) (Stadtarchiv Nr. 2240)

Die jährlichen Kämmereirechnungen der Stadt Ratzeburg führen unter dem städtischen Eigentum auch die „zum Criminalwesen gehörige[n] Sachen“ auf. So finden sich in der Kämmereirechnung des Jahres 1722 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 9): 

„1. Die Justitz Seule auf dem Marckte

2. Ein Halß-Eisen am Rathhause

3. Ein Pfahl mit Halß-Eisen auffm Kirchhoffe

4. Das Gerichte vor dem Thore

5. 2 Bein- und eine Handschelle

6. 1 Hand- und Beinschelle“

Das unter 4. genannte „Gericht“ ist nichts anderes als der Galgen, der sich an der Seedorfer Straße befand. Zu seiner genauen Lage schreibt Louis Hellwig in seiner „Chronik der Stadt Ratzeburg“ (Ratzeburg, 2. Auflage 1929), der Galgen habe „bei der Cholerabaracke“ (S. 24) gelegen und erläutert in der Fußnote: „Jetzt Wohnhaus in der Seedorfer Straße Nr. 6. – Der Platz, auf welchem die neue Siedler-Kolonie entstanden ist, hieß bis in die neueste Zeit hinein der ‚Galgenberg’ [jetzt Gustav-Peters-Platz].“ Die in der Nähe liegende Gastwirtschaft an der Schmilauer Straße wurde noch lange als „Galgenkrug“ bezeichnet. Da der Galgen aus Holz gebaut worden war, musste er in gewissen Abständen erneuert werden. Aus den Jahren 1598 und 1634 erfahren wir von solchen Neubauten. Ein genauer Bericht liegt uns aus dem Jahr 1733 vor.

Der alte Galgen war durch starcken Sturm und Alter umgefallen“, worauf man mit dem Zimmermeister Franz Bernhard Weitzell die Errichtung einer neuen Richtstätte für 10 Reichstaler vereinbarte.Das Protokoll vom 20. Januar 1733 beschreibt den Vorgang:

ARCHIVALE_JUNI_2010
Bitte aufrufen

 Actum [gehandelt] Ratzeburg den 20. Januarij 1733.

Nachdem der heutige Tag zur Errichtung einer
neuen Justitz auf der Stadt jurisdiction vor
dem langen Brügger Thor angesetzet, dessen
behuff sich das hiesige Zimmer-Amt bereits
auf
den so genanten Galgen-Berg angefunden ge-
habt: So ist E.E. Rath und zwar aus dessen
Mitteln Hh. [Herren] Bürgermeister Frantz Clasen
Rathmänner Hieronymus Christian Grüne-
berg und Gabriel Westfahl nebst mir Endes-
benanten nachhero dahinaus gefahren,
und nachdem man daselbsten aus Mittel der
Achtmänner Michel Otten, Jürgen Hümpell,
Niclaus Dehn, Johann Hinrich Poberz, Peter
Hieronymus Pobertz, Jochim Schütten und Jochim
Wallrathen (nebst verschiedene Bürger und deren Frauen und Kinder)
vorgefunden, hat vorgedachter
H. Bürgermeister Frantz Clasen mit der
ihme von dem Stadt Zimmermeister Frantz
Bernhard Weitzell  raesentierten Paar neu[e]
Handschue und neuen Zimmer Axt, nach
zuvor gehaltenen kurtzen Anrede, den
ersten Hieb daran gethan, welchem auch
Hh. Grüneberg und Westfahl folgeten, worauf die anwesende membra [Mitglieder] Senatus mit
denen Achtmänner in Peter Schlöpken
Schenke eine kleine Mittags Mahlzeit ein-
genommen.
Der Rathmann Herr Vanselau ist nach Lü-
beck verreiset gewesen, und der Rath-
mann H. Bergmann Kranckheits we-
gen außen blieben, wie denn auch der
alleine fehlende Achtmann Johann Casp.
V
ölckers sich gewisser Geschäffte halber
entschuldigt hat

Actum Ratzeburg ut supra [wie oben]
A.D. [Adam Dietrich] Jührs Secr. [Stadtsekretär] 

Knapp hundert Jahre später fand die letzte Hinrichtung an diesem Ort statt, die der Forscher Peter Jürs in einem Aufsatz ausführlich schildert („In Sachen Gottfried Keller. Ein lauenburgischer Kriminalfall aus dem Biedermeier“, in: Lauenburgische Heimat Neue Folge Heft 169, 2005, S. 45-59.) 

Der Brandstifter Gottfried Keller wurde am 5. Mai 1828 mit dem Beil in Ratzeburg hingerichtet. Peter Jürs schreibt abschließend: „Der 5. Mai 1828 ist ein bedeutender Tag in der lauenburgischen Rechtsgeschichte […] Die Hinrichtung Gottfried Kellers sollte nämlich die letzte Vollstreckung eines Todesurteils im Herzogtum bleiben. Der Richtplatz ist nie wieder gebraucht worden, der Scharfrichter hatte hier nie mehr zu tun.“


Quelle: Stadt Ratzeburg